Die Kirche feiert heute das Fest der heiligen Apostel
Simon und Judas Thaddäus.
Simon hat im Lukasevangelium
den Beinamen „der Zelot“ - „der Eiferer“. Matthäus und Markus
bezeichnen ihn
als „Kananäus“.
Tatsächlich entsprechen sich die beiden Bezeichnungen, da
sie dasselbe bedeuten. Das hebräische Wort „qana“ bedeutet
nämlich „eifersüchtig, leidenschaftlich sein“, was in der heiligen
Schrift sowohl von Gott gesagt werden kann – da er eifersüchtig über das
von ihm auserwählte Volk wacht (vgl. Ex 20, 5) – als auch von Menschen,
die vor Eifer brennen und mit voller Hingabe dem einzigen Gott dienen,
wie z.B. Elija (vgl. 1 Kön 19, 10).
Vermutlich gehörte Simon einer kämpferisch
nationalistischen Gruppe im damaligen Israel an, nämlich den sogenannten
Zeloten (= Eiferer).
Im Übrigen wissen wir von ihm nicht mehr, als dass er von
Jesus zum Kreis der Zwölf berufen wurde.
Später soll er in Ägypten gepredigt und das Martyrium
erlitten haben, indem man seinen Leib zersägte. Darum wird er auch mit
einer Säge dargestellt.
Judas Thaddäus scheint
ebenfalls aus nationalistischen Kreisen zu stammen und in Jesus zunächst
einen politischen Messias, einen nationalen Befreier, erwartet zu haben.
Auch von ihm wissen wir nicht viel. Allerdings enthält
das Neue Testament einen Brief, der Judas Thaddäus zugeschrieben wird.
Sein Missionsgebiet soll in Mesopotamien (heutige Türkei) und Syrien
gewesen sein. Der Überlieferung nach wurde Judas Thaddäus um das Jahr 70
mit einer Keule erschlagen, weshalb er mit einer Keule dargestellt wird.
Beide, Simon und Judas,
scheinen von einem glühenden Eifer für die jüdische Nationalität und
damit für Gott und sein auserwähltes Volk erfüllt gewesen zu sein.
Mit gleichem Eifer, mit gleicher Leidenschaft und ebenso
großer Hingabe und Leidensbereitschaft stellten sich später beide in den
Dienst Jesu Christi, verkündeten voll Freimut das Evangelium und setzten
sich mit allen Kräften und treu bis in den Tod für die Ausbreitung des
christlichen Glaubens ein.
Fest steht: nichts konnte
die beiden trennen von der Liebe Christi: keine Bedrängnis, keine
Verfolgung, keine Folter, keine Schmähung, kein Schwert.
Und doch muss gerade für die
beiden – mit ihren großen Erwartungen an den kommenden Messias – der
Karfreitag der schlimmste Tag ihres Lebens gewesen sein, die
Katastrophe schlechthin.
Denn mit dem schmählichen
Tod Jesu am Kreuz zerbrachen alle ihre Messias-Vorstellungen und damit
auch all ihre eigenen Träume von Größe und Macht in seiner Herrschaft
und in seinem Reich.
Der Karfreitag war der
Nullpunkt ihrer Hoffnung.
Nicht ein Funke ist ihnen geblieben an jenem Tag, der der
dunkelste ihres Lebens war.
Wie die Emmausjünger konnten sie wohl nur seufzen – voll
Resignation und Enttäuschung: „Wir aber hatten
gehofft, dass er der sein werde, der Israel erlösen, der es befreien
wird!“
Zwischen dieser bitteren
Erfahrung des Karfreitags und dem engagierten, vollen Einsatz als
Missionare, denen nichts zuviel ist, und die um Jesu und des Evangeliums
willen alles erdulden, die sogar bereit sind, für ihren Glauben zu
sterben, dazwischen hat sich etwas Entscheidendes ereignet, nämlich
Auferstehung und Pfingsten.
Wir wissen aber, dass es
sich die Apostel nicht leicht gemacht haben mit dem Glauben an den
auferstandenen Herrn. Immer wieder hat der Zweifel dem aufkeimenden
Glauben zugesetzt.
Nur langsam und erst
allmählich waren sie überzeugt und ist die Gewissheit in ihnen gereift:
„Der Herr ist wahrhaft auferstanden“. Jesus lebt. Es war ein
langer Weg bis zur Einsicht:
„Musste nicht der Messias all das erleiden und so in
seine Herrlichkeit eingehen?“
Das Pfingstfest hat dann die
letzte Klarheit gebracht und Begeisterung, Kraft von oben,
missionarischen Schwung und Bekennermut.
Aus furchtsamen Menschen, die sich ängstlich versteckt
hielten, wurden unerschrockene Verkünder der Frohbotschaft, die alles
wagten, die Kopf und Kragen riskierten, die in alle Welt hinauszogen und
keine Mühsal und keine Gefahren scheuten. Die Liebe Christi drängte sie.
Um Jesu willen gaben sie sogar ihr Blut und legten
standhaft und treu bis in den Tod Zeugnis ab für den, der sich ihnen
schon zu Lebzeiten geoffenbart hat als „der Weg, die Wahrheit und das
Leben“ und den sie erkannten als ihren Heiland und Erlöser,
als den, „der uns geliebt und sich für uns hingegeben hat“,
Jesus, der wirklich – nicht politisch und nationalistisch, sondern auf
ganz andere Weise – rettet und befreit.
Zwei Dinge sind noch interessant, liebe Mitchristen!
Erstens: Wenn es
zutrifft, dass Simon und Judas Thaddäus jüdisch nationalistischen
Kreisen angehörten, dann ist das ein Zeichen dafür, dass Jesus seine
Jünger und Mitarbeiter offensichtlich aus den unterschiedlichsten
sozialen und religiösen Schichten berufen hat, ohne von vornherein
jemanden auszuschließen. Aus Schichten auch, die gegensätzlicher nicht
sein können.
Man muss sich vorstellen Matthäus, der Zöllner, in einer
Gemeinschaft mit Simon, dem Zelot. Auf der einen Seite einer, der mit
der römischen Besatzungsmacht zusammenarbeitete und der durch seine
Tätigkeit ganz und gar als unrein angesehen und ausgegrenzt wurde und
auf der anderen Seite einer, der leidenschaftlich gegen die verhasste
Besatzungsmacht kämpfte und dabei auch vor Gewaltanwendung nicht
zurückschreckte und dem die Reinhaltung des göttlichen Gesetzes über
alles ging.
Das Auffällige und gleichzeitig Wunderbare daran:
In Jesu Jüngerschaft lebten beide trotz ihrer
Verschiedenheit Seite an Seite. Was oder wer half die Gegensätze und
Schwierigkeiten zu überwinden? Wer war Garant des Zusammenhaltes? Jesus
selbst! In ihm fanden sich alle vereint.
Das ist meines Erachtens eine deutliche Lehre auch für
uns heute. Neigen wir nicht oft dazu, die Unterschiede und die
Gegensätze hervorzuheben, statt das Verbindende und Gemeinsame zu sehen
und zu betonen?
Das zweite Interessante:
In den Apostelverzeichnissen stehen die beiden heute Gefeierten (von
Judas Iskariot einmal abgesehen) immer an letzter Stelle. Unter den
Aposteln treten sie am wenigsten deutlich hervor. Außer ihren Namen
wissen wir nicht viel von ihnen.
Und doch hat sich das christliche Volk gerade an den so
unbekannten Judas Thaddäus gehalten und ruft ihn in den täglichen Sorgen
und Nöten mit größtem Vertrauen als mächtigen Fürsprecher an.
Vielleicht ist es gut, dass
nicht alle Apostel so im Vordergrund stehen wie Petrus und Paulus oder
Jakobus und Johannes.
So wird deutlich, dass die
Kirche nicht nur auf die Großtaten berühmter und namhafter Männer gebaut
ist, sondern auch auf die tägliche Treue der vielen kleinen Leute, die
sich an Christus orientieren und treu sein Wort befolgen.
Es wird deutlich, dass wir
alle Kirche sind, auch wenn wir nicht an vorderster Stelle stehen.
Missionarisch sein, apostolisch wirken kann jeder und
jede von uns. Ich muss dazu nicht oben sein, man muss dazu nicht geweiht
sein, man braucht auch kein Amt innezuhaben.
Ein überzeugtes, glaubwürdiges Christenleben ist alle
Zeit gefragt und jedem Mann und jeder Frau möglich, mit Gottes Kraft und
Gnade. Und diese haben wir alle in der Taufe und Firmung empfangen.
Mögen beide Apostel, Simon, der Zelot, und Judas
Thaddäus, uns helfen unseren christlichen Glauben nicht zu verstecken
oder uns seiner gar zu schämen, sondern ihn mutig zu bezeugen und uns –
in Wort und Tat – dazu zu bekennen.