Es gibt Geschwister, die sind so
unzertrennlich, dass sie am liebsten ihr ganzes Leben beieinander bleiben
möchten. So war es mit Benedikt und seiner Schwester Scholastika.
Der Name „Scholastika“
kommt vom Lateinischen Schola, d.h. die Schule, hat also etwas mit dem Lehr- und
Lernbetrieb zu tun. Darum bedeutet der Name zu deutsch sowohl die „Lehrende“ als
auch die „Lernende“.
Scholastika
war sicher eine gelehrige Schülerin ihres Bruders Benedikt, der auch für sie ein
Lehrmeister war und dessen Regel sie übernahm.
Scholastika
selbst war aber auch eine Lehrmeisterin, und zwar des monastischen Lebens für
die Frauen, die sich ihr anschlossen. Sie ist ja die Gründerin der
Benediktinerinnen Und sie hat, wie wir noch sehen werden, kurz vor ihrem Tod in
einem bestimmten Punkt sogar ihrem Bruder Benedikt, so kann man sagen, eine
Lehre erteilt.
Scholastika
wurde um das Jahr 480 in
Nursia, einem kleinen Städtchen in Umbrien geboren, und wuchs in einer adligen
Familie auf. Wie ihr Bruder tauschte auch Scholastika diese sichere soziale
Stellung gegen eine eher ungewisse Zukunft ein.
In
jugendlicher Begeisterung teilte sie die Sehnsucht
ihres Bruders, als Mönch zu leben und wollte Ordensfrau werden. So lebte
Scholastika erst in einem Kloster bei Subiako, ganz in der Nähe ihres Bruders
Benedikt. Als dieser aber das Stammkloster seines Ordens auf dem Monte Casino
gründete, bat sie ihn, ihm folgen zu dürfen. Benedikt ließ ihr und ihren
Gefährtinnen am Fuße des Berges ein kleines Kloster bauen, dem Scholastika als
Äbtissin vorstand
Kenntnis
über die heilige Scholastika erhalten wir
allein aus der Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt, von Papst Gregor dem
Großen verfasst. Darin kommt Scholastika allerdings nur zwei mal vor.
Als
erstes heißt es da, sie sei „von Kindheit an dem
allmächtigen Gott geweiht“ gewesen.
Die
zweite Stelle ist ausführlicher. Da erzählt Gregor d.
G. die Szene, die sich während der letzten Begegnung der beiden Geschwister
zugetragen hat. Eine Episode, die Scholastika als durchaus selbstbewusste Frau
zeigt.
Für Scholastika
war es ein Festtag, wenn ihr Bruder sie besuchte. Das geschah einmal im Jahr.
Sie trafen sich in einem nahen Gut des Benediktinerklosters.
Der
Abt
begab sich nicht allein dorthin. Ihn begleiteten einige Brüder. Sie verbrachten
den Tag im Lob Gottes und im geistlichen Gespräch.
Gegen
Abend aßen sie zusammen, saßen dann noch lange am
Tisch und führten das geistliche Gespräch weiter. Währenddessen wurde es spät.
Als
Benedikt, getreu der Regel aufbrechen wollte, flehte
ihn seine Schwester an, offensichtlich in Vorahnung ihres baldigen Todes - sie
fühlte, dass sie ihren Bruder auf Erden nicht mehr sehen würde - noch nicht in
sein Kloster zurückzukehren, sondern bei ihr zu bleiben.
Doch
Benedikt drängte zum Aufbruch. Über Nacht außerhalb
des Klosters zu sein, verbot die Ordensregel.
Auf
diese Absage hin sagte Scholastika kein Wort, sondern
verschränkte die Hände ineinander, legte sie auf den Tisch und ließ ihren Kopf
darauf sinken. So betete sie innigst zu Gott.
Als
sie nach dem Gebet den Kopf erhob, heulte draußen ein Sturm los, ein heftiges
Gewitter zog auf und wolkenbruchartiger Regen rauschte nieder, obwohl vorher der
Himmel wolkenlos war.
Die schon zum
Weggang gerüsteten Mönchsschar vermochte das Haus nicht zu verlassen.
Benedikt hatte genau gemerkt, was geschehen war und
sprach traurig und klagend zu seiner Schwester: „Der allmächtige Gott vergebe
dir, Schwester! Was hast du da getan?“
Sie
jedoch erwiderte seelenruhig und zufrieden: „Sieh
ich habe dich gebeten, und du hast mich nicht erhört; da habe ich meinen Herrn
gebeten und er hat mich erhört.“ Und beinahe verschmitzt fügte sie hinzu:
„Geh nur, wenn du kannst! Verlass mich und kehre zum
Kloster zurück!“
So blieb
Benedikt nichts anderes übrig, als zu bleiben. Die ganze Nacht blieben die
Geschwister zusammen, tauschten ihre Erfahrungen über das geistliche Leben aus
und sprachen über die Glückseligkeit des Himmels. Dadurch stärkten sie sich
gegenseitig.
Papst Gregor
fühlte sich verpflichtet für dieses seltsame Wunder eine Erklärung zu geben.
Denn er wollte ja Benedikt, den Helden seines Buches, als heiligen Mann
hinstellen, der vieles vermochte und zustande brachte. Doch hier unterlag er den
Wünschen seiner Schwester Scholastika, die mit ihm noch länger reden wollte.
Gregor meint darum: „Jene vermochte mehr, weil sie
mehr liebte.“
Er
gestand demnach der heiligen Frau Scholastika – zumindest in dieser Szene – mehr
Liebe zu als dem heiligen Mann Benedikt.
Ja,
Scholastika wird nun ihrerseits zur Lehrmeisterin ihres Bruders. Denn sie zeigte
ihm durch ihr Gebetswunder, dass die Liebe und nichts anderes das Größte ist.
Auch die von ihm selbst erlassenen Ordensregeln haben in bestimmten
Situationen hinter der Liebe zurückzustehen.
Als Benedikt
drei Tage später in seiner Zelle am Fenster stand und seine Augen zum Himmel
erhob, sah er die Seele seiner Schwester in Gestalt einer Taube zur himmlischen
Vollendung aufsteigen.
So wusste er,
dass sie gestorben war. Er war darüber aber nicht traurig, im Gegenteil,
er freute sich und dankte Gott mit Hymnen und Lobliedern.
Daraufhin schickte er Brüder hinunter und ließ ihren
Leichnam auf den Berg hinauf bringen. Benedikt hatte schon zuvor für sich
eine Grabstätte bereiten lassen. Nun legte er ihren Leib in das für ihn
bestimmte Grab.
Gregor
sagt dazu: „So traf es sich:
Selbst das Grab konnte ihre Leiber nicht trennen, war doch ihr Geist immer in
Gott eins gewesen.“
Scholastika
wird um ihre Fürbitte für Regen und gegen Blitzschlag angerufen.
Dargestellt wird sie als Äbtissin mit dem Regelbuch
bzw. mit einer Taube, abgeleitet von der Taube, in deren Gestalt ihr Bruder ihre
Seele in den Himmel auffahren sah. Die Taube ist bei ihr aber auch Symbol
ihrer reinen, jungfräulich bräutlichen Christusliebe.
Scholastika
hat vielen Frauen den Weg zu einem gottgeweihten Leben vorgelebt.
Möge sie auch
heute jungen Frauen wieder vermehrt zum Vorbild werden. Denn auch unsere Zeit
braucht Frauen, die in ungeteilter Liebe Christus – und in ihm den Menschen –
dienen.
Denn was zählt,
ist schlussendlich nur die Liebe, die „größere Liebe“, die Scholastika
besaß und dadurch „mehr“ vermochte.