Es war ein stürmisches Konklave.
Niemand hatte nach dem Tod Papst Leo`s XIII. mit der Wahl des Patriarchen von
Venedig gerechnet, am wenigsten Guiseppe Sarto selbst. Er hatte bereits die
Rückfahrkarte in
die Lagunenstadt gelöst und seinen Gläubigen gesagt: „Lebend
oder tot, ich komme wieder!“
Alle waren sich einig, Kardinal
Rampolla, in Wissenschaft und Diplomatie erfahren, würde zum Papst gewählt.
Durch eine Indiskretion wurde die geheime Papstwahl im Konklave bekannt.
Der österreichische Kaiser Franz Josef
legte sein Veto ein.
Dieses wurde zwar zurückgewiesen und war doch wirksam, denn es
löste unter den Kardinälen einen Stimmungsumschwung aus. Die Kardinäle
einigten sich auf Guiseppe Sarto. Mit Tränen in den Augen flehte Kardinal Sarto
das Kardinalskollegium an, von seiner Wahl abzusehen. „Ich bin unfähig und unwürdig. Vergesst mich!“
Der Mann, der so redete und
sich so entschieden gegen das höchste Amt in der Kirche wehrte, meinte es
durchaus ehrlich. Nicht falsche Bescheidenheit ließ in ablehnen, sondern
die Riesenlast der Verantwortung, die er nur allzu deutlich voraussah.
Als er trotzdem mit fünfzig
von zweiundsechzig Stimmen gewählt wurde, erblickte er darin den Willen Gottes.
Nach schwerem innerem Ringen gab er seine Zustimmung mit den Worten: „Ich
nehme das Kreuz an.“ Er nannte sich Pius X.
Die erste Amtshandlung des neuen
Papstes war die Abschaffung des kaiserlichen Vetos bei künftigen Papstwahlen.
Geboren wurde Guiseppe Sarto am 2. Juni
1836 in dem kleinen Dorf Riesi als Sohn eines armen Gemeindedieners und
Briefträgers. Trotz ihrer großen Armut und einer großen Kinderzahl
schickten die Eltern den Bub unter mancherlei Opfern auf die Lateinschule nach
Castelfranco. Später studierte er mit Hilfe eines Stipendiums in Padua.
Nichts deutete auf eine außergewöhnliche Karriere hin.
Mit 23 Jahren erhielt er die
Priesterweihe. Danach war er neun Jahre Kaplan in Tombolo. 1867 wurde er
Pfarrer in Solzano.
Pfarrer Sarto war ein glänzender
Prediger und hervorragender Religionslehrer. Keinem Armen konnte er eine Bitte
abschlagen. Als die Cholera ausbrach, tröstete er die Kranken und
bereitet sie auf ihren Tod vor. Er war sich nicht zu schade, dem Totengräber zu
helfen, als der mit der Arbeit nicht mehr nachkam.
Sein Hauptanliegen aber war, dass seine
Pfarrkinder die Heilige Messe hochschätzten. Nichts stimmte ihn
trauriger, als wenn seine Pfarrangehörigen dem Gottesdienst fernblieben.
Schon damals ermutigte er die
Gläubigen, öfter die Heiligen Kommunion zu empfangen. Und die Kinder führte er,
früher als damals üblich, zum Tisch des Herrn.
Der Eifer des Pfarrers von Solzano
veranlasste den Bischof von Treviso, ihn 1875 ins Domkapitel zu berufen und zum
Spiritual für die angehenden Priester zu machen.
Es folgten Jahre, die ihn durch seine
Vortragstätigkeit weit über Treviso hinaus bekannt machten. Immer wurde sein
Humor und sein ausgleichendes Wesen hervorgehoben.
Als er 1884 seine Ernennung zum Bischof
von Mantua erhielt, war er so überrascht, dass er wie ein Kind weinte. „Der
alte Bauernpfarrer taugt nicht zum Bischof“, meinte er und wollte durchaus
ablehnen. Erst das ausdrückliche Geheiß Leo`s XIII. bewegte ihn zur
Annahme des Bischofsamtes.
Wegen seiner reichen seelsorglichen
Erfahrung konnte er den Pfarrern seiner Diözese viele Anregungen und gute Hilfen
geben. Er hatte Verständnis für ihre Nöte. Nie ließ er jemanden ohne
Ermutigung. Mantua entwickelte sich zu einer musterhaften Diözese.
Immer stärker aber erkannte er, dass
man die heilige Kommunion, in der sich Jesus selbst schenkt, häufiger empfangen
sollte.
War das Erstkommunionalter damals bei
14 Jahren, trat er für 9 - 10 Jahre ein. War der Kommunionempfang auf
drei, vier Anlässe im Jahr beschränkt, wünschte er den sonntäglichen, ja
täglichen Kommunionempfang.
Papst Leo XIII. gefiel die Gesinnung
des Bischofs von Mantua. Er berief ihn
deshalb 1893 zum Patriarchen von Venedig und machte ihn zum Kardinal.
Nach wie vor war ihm die Eucharistie
ein Herzensanliegen, das er jetzt auch als Kardinal und Patriarch von Venedig in
seine neue Diözese trug. 1897 hielt er einen Eucharistischen Kongress ab.
Nach wie vor legte er viel Wert auf einen guten Religionsunterricht und
die Predigt.
Nach wie vor hatte er eine offene Hand
und ein weites Herz für die Armen. Die Armen von Venedig bedauerten es am
meisten, als ihr Patriarch 1903 Papst wurde.
Pius X. ging in die Geschichte ein als
Seelsorgepapst.
Die ganze Welt betrachtete er als seine Pfarrei.
Sein Wahlspruch war: „Alles in Christus erneuern.“
Er führte die frühere Kommunion der Kinder und
den häufigeren Kommunionempfang nun weltweit ein.
Für Pius X. stand das Religiöse, das
Geistliche im Mittelpunkt. Aus der Politik versuchte er sich möglichst
herauszuhalten. Sie war für ihn nur ein notwendiges Übel.
Dafür packte er entschlossen die Reform
der Kurie an und setzte sie mit Ausdauer durch. Er veranlasste die
Vereinheitlichung des Kirchenrechts, förderte das Studium der Heiligen Schrift und
gründete das Bibelinstitut. Er verbesserte die Priesterausbildung.
Immer wieder legte er den Priestern das
geistliche Leben und ihre seelsorglichen Aufgaben ans Herz. Er
reformierte das Brevier und das römische Messbuch, um einen besseren und
sinnvolleren Mitvollzug der Liturgie zu ermöglichen.
Sein Anliegen war, dass die Gläubigen,
“nicht in der Messe, sondern die Messe beten“ und aktiv an der
Eucharistiefeier teilnehmen. Papst Pius X. wurde der große Erneuerer der
Kirchenmusik. Seine Liebe galt besonders dem gregorianischen Choral. In Rom
entstand die kirchliche Hochschule für Kirchenmusik.
Pius X. setzte sich auch für die Rechte
der Arbeiterschaft ein und förderte die Heidenmission in allen Ländern. - In
allem spürte man den seelsorglichen Praktiker, den Pfarrer auf dem Stuhl
Petri.
Die Diözese Rom, deren Bischof der
Papst selbst ist, sollte ein Vorbild für die übrigen Diözesen sein. In
zahlreichen, sorgfältig durchgeführten Visitationen drang man auf Abstellung von
Missständen und setzte sich für zeitgemäße Methoden und Mittel einer fruchtbaren
und erfolgreichen Seelsorge ein. Der Geist der inneren Erneuerung erfasste immer
weitere Kreise. In allen Bistümern Italiens wurden Apostolische Visitationen
durchgeführt und die Priesterseminare neu organisiert
Ein Herzensanliegen des Papstes war die
Heiligung der Priester.
Auf dem Schreibtisch des Papstes stand eine Statue des Pfarrers
von Ars, den er selig sprach und den Seelsorgern als Vorbild empfahl: „Ein heiliger Priester macht das Volk heilig, ein unheiliger
Priester ist nicht nur nutzlos, sondern schädlich.“
Er selbst galt schon zu seinen
Lebzeiten den Menschen als Heiliger. Seine innere Lauterkeit, seine schier
unerschöpfliche Milde und Güte, seine persönliche Armut gepaart mit einer
grenzenlosen Freigebigkeit, überzeugte mehr als viele Worte.
Es wird erzählt, dass er Zeit seines
Lebens alles, was er besaß den Armen verschenkte, auf jede persönliche
Anschaffung verzichtete, um seine ganzen Einnahmen an Bedürftige zu verteilen.
Er holte sogar das Fleisch aus dem Topf, die Wäsche aus dem Schrank, um sie
Armen zu verschenken.
Doch nicht alles, was der Papst sagte
und tat, fand Zustimmung. Besonders seine Rundschreiben, die sich energisch
gegen Zeitströmungen wandten, den sog. „Modernismus“, haben ihm viel Kritik
eingebracht und stießen auf Ablehnung. Pius X. sah im Modernismus ein
Sammelbecken von Häresien und eine große Gefahr für die Kirche. Heute sehen wir
manches anders.
Pius X. aber ging es einfach um die
Reinerhaltung und Verteidigung des katholischen Glaubens. Und darin war
er unbeugsam, ein leidenschaftlicher Streiter für die Wahrheit. Er
verwarf, was er als Irrtum ansah, hatte aber ein Herz und väterliche Liebe für
die Irrenden.
Pius X. musste viele Enttäuschungen und
Missverständnisse erleben und erleiden. Als letzte Leidensstation erlebte
er Anfang August 1914 den Beginn des 1. Weltkrieges. Er hatte ihn vorausgesehen
und immer wieder vorausgesagt. All seine Bemühungen, ihn zu verhindern, schlugen
jedoch fehl. „Ich würde gern mein Leben hingeben, wenn ich damit den Frieden
Europas erhalten könnte“, sagte er. – Am 20. August 1914, der
Weltkrieg war ausgebrochen und bereits voll im Gang, starb Papst Pius X.
Auf seinem Grab steht zu lesen: „Papst
Pius X., arm und doch reich, sanft und demütig von Herzen, ein unbesiegbarer
Verteidiger des katholischen Glaubens, bestrebt, alles in Christus zu erneuern."
1954,
vor über 50 Jahren, 40 Jahre nach seinem Tod, sprach ihn Pius XII. heilig. Er
war der erste Papst, der nach einer Pause von fast 250 Jahren zur Ehre der
Altäre erhoben wurde.
Pius X. kann uns in
vielem ein Vorbild sein, ein Vorbild des Glaubens in der Nachfolge Christi.
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Pius nahm
im Glauben auch die Wege an – manchmal unter Ringen und Tränen -, die er
eigentlich nicht gehen wollte. Und es wurde zum Segen und zum Heil für
viele.
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„Alles in Christus erneuern“
– Zielstrebig und mit großer Energie setzte Pius seinen Wahlspruch um. Wir
haben nicht so viel Einfluss wie er. Wir können nicht die ganze Kirche
erneuern. Und doch dürfen und können wir hier oder dort unseren Beitrag
leisten. Vor allem steht nichts dagegen, bei uns selbst mit der
Erneuerung in Christus anzufangen.
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Pius X. ist der Papst der Heiligen
Eucharistie. Es ging ihm um eine lebendige Beziehung zum
eucharistischen Herrn. Auch uns soll und muss es immer wieder um noch
größere und innigere Verbundenheit mit Jesus gehen.
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