Die Kirche
gedenkt in diesem Jahr besonders des heiligen Johannes Maria Vianney, des
berühmten Pfarrers von Ars. Jemand hat ihn „einen der erstaunlichsten
Heiligen aller Zeiten“ genannt.
Papst Benedikt
XVI. hat den Anlass seines 150. Todestages (4. August) zum Anlass genommen, nach
dem Ende des Paulusjahres nun ein Priesterjahr auszurufen. Das Thema dieses
Jahres lautet: „Treue zu Christus, Treue des Priesters.“
Zum Patron dieses
Priesterjahres hat der Papst den heiligen Pfarrer von Ars ernannt, weil er in seiner
Liebe und Treue zu Christus und in seiner Treue als Priester ein leuchtendes
Vorbild ist.
1786 wurde
Johannes Maria in der Nähe von Lyon geboren. Seine Jugend fällt in die Zeit der
französischen Revolution.
Es war eine sehr
glaubensfeindliche und kirchenfeindliche Zeit. Über Jahre gab es in manchen
Gemeinden keinen Gottesdienst und fast keine Sakramentenspendung. Alles musste
heimlich geschehen. In der Küche legte der elfjährige Johannes bei geschlossenen
Fensterläden die erste heilige Beichte ab. Im Heustadel empfing er mit dreizehn
Jahren die erste heilige Kommunion.
Während seiner
Kinder- und Jugendjahre arbeitete zunächst auf dem Bauernhof seiner Eltern, half
die Felder zu bestellen und weidete die Tiere, so dass er im Alter von siebzehn
Jahren noch Analphabet war. Dann wurde er zum Militärdienst einberufen. Diesem
entzog er sich durch Flucht. Er versteckte sich in einem abgelegenen Dorf.
Mit 19 Jahren
begann er zu studieren, um Priester zu werden. Alle lachten ihn aus. „Dazu
ist der viel zu dumm“, hieß es überall. Im Studium tat er sich sehr schwer.
Er war alles andere als begabt. Für seine Lehrer war er ein Kreuz.
Der junge Mann
hatte so wenig Talent, dass er im Alter von 21(!) Jahren von einem zwölfjährigen
Klassenkameraden Nachhilfeunterricht bekam. Als ihm der Zwölfjährige zum x-ten
mal etwas erklärt hatte und Johannes es immer noch nicht kapierte, ohrfeigte der
Junge ihn vor allen anderen Schülern. Aber Johannes schlug nicht zurück. Er
kniete sich vielmehr hin und sagte: „Bitte entschuldige, dass ich so dumm
bin!“
Es war zum
Verzweifeln. Sein Kopf behielt die lateinischen Vokabeln nicht, die
grammatischen Regeln noch viel weniger.
Er betete, aber
das Gedächtnis wurde trotzdem nicht besser. Mit Ach und Krach schaffte er die
Schule.
Probleme gab es
dann wieder auf dem Priesterseminar. Der Weg zum Priestertum war steinig. Die
Professoren stimmten überein: Er ist fromm und brav, aber völlig ungeeignet
für das Studium. Er war den Anforderungen einfach nicht gewachsen und musste
das Priesterseminar wieder verlassen. Es war sehr schwer, seine Vorgesetzten von
seiner Berufung zu überzeugen.
Nur auf die
Fürsprache und Bürgschaft eines priesterlichen Lehrers und Freundes, des
Pfarrers von Ecully, der seine geistliche Eignung, seine Berufung, erkannt hatte
und sich seiner annahm, wurde er zum Diakonat zugelassen. Die Priesterweihe
empfing der knapp 30-jährige in Grenoble nicht auf Grund guter Zeugnisnoten,
sondern allein wegen seiner großen Frömmigkeit.
Der Generalvikar
der Diözese Lyon sagte: „Die Kirche braucht nicht nur gelehrte, sondern auch
fromme Priester - und das an erster Stelle.“ Allerdings erhielt er die
ersten drei Jahre keine Erlaubnis zum Beichthören.
„Weit
wird er es nicht bringen“,
war die Meinung seines Bischofs. Und so schickte er nach vier Jahren Kaplanszeit
den neuen Pfarrer in ein kleines Dorf mit nur 230 Einwohner. Es sollte seine
erste und einzige Pfarrei sein und bleiben.
Der kleine Ort
hieß Ars und hatte einen denkbar schlechten Ruf. Es gab vier Gasthöfe. Die
Kirche blieb am Sonntag – im Gegensatz zu den Wirtshäusern – nahezu leer. Die
Pfarrei war völlig heruntergekommen und verwahrlost.
Als Johannes
Maria Vianney nach Ars kam, fragte er ein Kind nach dem Weg. Es gab ihm
bereitwillig Auskunft. Der neue Pfarrer dankte und fügte hinzu: „Du hast mir
den Weg nach Ars gezeigt. Ich werde dir den Weg zum Himmel zeigen.“
Als Pfarrer
von Ars lebte er ganz arm und anspruchslos und in großer Strenge sich selbst
gegenüber. Den ihm Anvertrauten war er wie der „gute Hirt“. Unermüdlich
war er als Beichtvater, Prediger und Seelenführer tätig. Er fand den Weg zu den
Herzen der Menschen. Durch seine behutsame, geduldige Art löste er die
Verkrustungen in ihren Seelen und öffnete sie neu für die Botschaft von der
Liebe Gottes. Dadurch, vor allem aber durch sein beispielhaftes Leben, erreichte
er die völlige Umkehr seiner Pfarrei. Schon nach wenigen Jahren füllte sich die
Kirche Sonntag für Sonntag. Und auch werktags nahmen die Leute an der heiligen Messe
teil. Bald war es soweit, dass zu jeder Tagesstunde Beter in der Kirche waren.
In den Nachbarpfarreien spotteten die Leute und sagten: „Wenn ihr weiter so
auf euren Pfarrer hört, dann macht er euch alle noch zu Kapuzinern.“ Auch
bei den eigenen geistlichen Mitbrüdern fand der Pfarrer von Ars Widerstand. Ein
Nachbarpfarrer schrieb ihm: „Wenn man sich so schlecht
in der Theologie auskennt wie Sie, sollte man sich hüten, einen Beichtstuhl zu
betreten.“
Gerüchte und
Intrigen machten ihm das Leben schwer. Visionen, Poltergeister, Dämonen quälten
ihn nachts. Es war, als ob er all das, was er im Beichtstuhl an Sünden vergab,
am eigenen Leib erfahren musste. Er fastete streng und kasteite sich. Den ihm
Anvertrauten gegenüber war er – bei allen Ermahnungen und deutlichen Worten in
Unterweisung und Predigt – die Milde in Person.
Wie der gute Hirt
ging er jedem nach. Er wurde nicht müde zu anzuspornen und zu ermahnen,
aufzurütteln und ins Gewissen zu reden. Dabei war er alles andere als ein
gewandter Redner und guter Prediger. Trotzdem zündeten seine Predigten. Sie
überzeugten, sie waren glaubwürdig. Was er sagte, tat er selbst. Seine Worte
waren durch sein Leben gedeckt
Hatte man anfangs
über die Predigten des Pfarrers gespottet, bald wollte man keine mehr versäumen,
denn jeder spürte: Ihm war es ernst mit dem, was er sagte.
Schon bald sprach
es sich herum, dass der Pfarrer von Ars ein guter Beichtvater ist und die Gabe
der Herzenskenntnis besitzt.
Ars veränderte
sich. Wirtshäuser mussten schließen. Die Zahl der notorischen Säufer sank
drastisch. Das Fluchen war am Aussterben. Streit und Zank verschwanden mehr und
mehr. Die Sonntagsarbeit der Bauern fand ein Ende. Man sprach vom „Wunder von
Ars“.
Aus der
seelsorglichen Ruine, die der Ort darstellte, wurde eine Musterpfarrei. Aber die
Wirkung beschränkte sich nicht auf Ars. Neues Leben, ein Aufblühen des
Christlichen erwachte im weiten Umkreis. Zahllose Menschen aus nah und fern
suchten beim Pfarrer von Ars Rat und Hilfe. Ars wurde ein geistliches Zentrum,
vor allem ein Beichtzentrum. Bis zu hunderttausend Pilger kamen in den letzten
Jahren nach Ars, um dort bei Johannes Maria Vianney ihre Schuld vor Gott zu
bekennen und die Lossprechung zu erhalten. Vianney hörte täglich an die sechzehn
Stunden Beichte. Manchmal musste man ihn bewusstlos aus dem Beichtstuhl
herausziehen. Von überall her kamen die Menschen und fanden Umkehr und Frieden
im Sakrament der Buße.
Dabei war
Johannes Maria Vianney kein Mann der Ideen, der großen pastoralen Leitlinien und
Seelsorgsstrategien. Er wusste um seine Unzulänglichkeit, seine unzureichende
theologische Bildung. Das machte ihn bescheiden und demütig und ließ ihn allein
auf Gott bauen und alles von ihm erwarten.
Er wusste: bei
mir selber ist nicht viel zu holen. Aus mir selber bin und kann ich nichts. Doch
er schob diese eigenen Armseligkeiten nicht weg, übertünchte sie nicht mit
blinden Eifer, ruhelosem Aktivismus oder Fanatismus, sondern überließ sich dem
Wirken Gottes. Nicht seine Worte überzeugten, sondern seine Art. Zwar lauschten,
als er bekannter geworden war, viele auch seinen Katechesen, die er hielt. Aber
sein Reden kam aus dem Zuhören. Beichtstuhl und Betstuhl waren seine
eigentlichen Wirkungsstätten, aus denen sein pastorales Wirken lebte.
In ihm
verwirklichte sich das Wort des Herrn an Paulus: „Meine
Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit.“
Der Pfarrer von Ars ließ in seinem Wirken und seiner Person der Größe Gottes
Raum.
Immer wieder
fühlte er sich in seinem Beruf unsicher und überfordert. Priester sein war schon
die große Freude seines Lebens, aber Pfarrer zu sein, das war für ihn oft eine
Last. Die Verantwortung empfand er als drückend. Sein Herzenswunsch war, sich in
die Einsamkeit zurückzuziehen und nur für Gott da zu sein. Am liebsten wäre er
in einen kontemplativen Orden eingetreten.
Mehrmals
versuchte er, sich seiner Aufgabe als Pfarrer zu entziehen. Seine Gemeinde holte
ihn jedes Mal zurück. Einmal hatte er schon alles zum Weggehen vorbereitet. Aber
seine Gemeinde hinderte ihn daran. Er sah darin Gottes Willen, beugte sich und
blieb.
Seine eigenen
Bedürfnisse drängte der Pfarrer von Ars ganz in den Hintergrund. Er aß wenig und
schlief kaum.
Er verließ sich
auf den Hinweis des Evangeliums, dass eine bestimmte Art von Dämonen nur durch
Fasten und Gebet ausgetrieben werden kann (Mk 9, 29). Und er hatte Erfolg. In
zehn Jahren war das Dorf Ars frei von Alkoholikern, frei von Streit zwischen
Nachbarn, offen für Nächstenliebe, besorgt um die vielen bislang
vernachlässigten Waisenkinder. Der Pfarrer gründete in Ars ein Waisenhaus, eine
Volksschule für Mädchen und richtete Pfarrvereine für Frauen und Männer ein.
Eine Revolution für damalige Verhältnisse!
Bis zum letzten
Atemzug blieb er Seelsorger, Geistlicher, Beseeler, Hirt der Seinen, Gefährte
der Menschen in Leid und Hoffnung, Priester Jesu Christi, der sich in der
Nachfolge seines Herrn für das Heil der Menschen verzehrte.
Auf der
ersten Seite seines Breviers, das er immer bei sich trug, hatte J. M. Vianney
ein Bild vom dreifaltigen Gott eingeklebt. Er hatte jeden Tag Gott vor Augen.
Gott war für ihn der einzig Wirkliche und das einzig wahre Glück des Menschen.
Menschen zu Gott zu führen, war für ihn die beglückende Sendung als Priester.
Dem galt aller seelsorglicher Eifer. - Der Mensch ohne Gott war für den Pfarrer
von Ars „ein armer Mensch“. Er war für ihn ein unglücklicher Mensch.
„Zieh einen Fisch aus dem Wasser“, hat er einmal gesagt, „er wird nicht
mehr leben können. Also, das ist der Mensch ohne Gott.“ Und weiter sagt er:
„Der Mensch ist so groß, dass nichts auf Erden ihm
genügen kann. Nur wenn er sich Gott zuwendet, ist er zufrieden.“
Johannes Maria
Vianney, ein armer Pfarrer, aber ein heiligmäßiger, kein Intellektueller, aber
ein begnadeter. In ihm brannte die Liebe des guten Hirten. In ihm leuchtete die
Wahrheit Gottes. Bis zu seinem Tod – über 40 Jahre – wirkte er in Ars.
Völlig erschöpft
starb er im Jahr 1859. Papst Pius XI. hat ihn 1925 heiliggesprochen und 1929 zum
Patron aller Pfarrer erklärt.
Der heilige Pfarrer
von Ars ist besonders für viele klerikale und laikale Theologen eine
Provokation. Er war kein Intellektueller. Er war fromm in einem guten Sinn von
echter, tiefer Frömmigkeit.
Heute haben wir
Priestermangel. Deshalb wurden vor einiger Zeit in manchen Diözesen Werbeplakate
produziert. Auf einem stand: „Wir brauchen keine frommen Jungs, sondern
Priester.“
Ich würde sagen:
Wir brauchen fromme Priester, Priester, die ihren Dienst in der Verbundenheit
mit Jesus tun. Sie müssen keine Alleskönner sein, keine Tausendsassas, keine
Allroundunterhalter, keine Hansdampfs in allen Gassen, aber sie sollten – wie
der heilige Pfarrer von Ars – aus einer innigen Freundschaft mit Christus leben. Sie
sollten glühende Menschen sein, ein brennendes Herz haben, erfüllt von Gottes
Liebe, voll Leidenschaft für Gott und das Heil der Menschen.
Beten wir in
diesem Jahr für die Priester in ihrem oft schweren und aufreibenden Dienst.
Beten wir um gute Priester! Beten wir, dass auch in unserer Zeit junge Männer
den Ruf hören, der sie einlädt, sich als Priester zur Verfügung zu stellen und
in Dienst nehmen zu lassen, um ganz für Gott und die Menschen da zu sein in
deren Sorgen und Hoffnungen, in Trauer und Freude, stärkend, tröstend, rettend,
heilend und befreiend, als gute Hirten ihrer Gemeinden – wie der heilige Pfarrer
von Ars einer war.
Gebet
Gott, du sorgst
dich um uns, wie ein Hirte sich sorgt um seine Herde.
Im heiligen Pfarrer
von Ars hast du uns ein Abbild deiner Güte und Liebe geschenkt, die uns in
Christus erschienen ist.
Gib uns auch
heute Menschen, die solche Hirten sein können!
Und lass uns
selbst durch unser Leben und Lieben Menschen für dich gewinnen.
Darum bitten wir
durch Jesus Christus.
Amen