Erste Lesung
Feindschaft setze ich zwischen dir und
der Frau, zwischen deinem Nachkommen und dem Nachkommen der Frau
Lesung
aus dem Buch Génesis
Nachdem der Mensch vom Baum
gegessen hatte,
9rief
Gott, der Herr, ihm zu und sprach: Wo bist du?
10Er
antwortete: Ich habe deine Schritte gehört im Garten; da geriet ich in
Furcht, weil ich nackt bin, und versteckte mich.
11Darauf
fragte er: Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist? Hast du von dem Baum
gegessen, von dem ich dir geboten habe, davon nicht zu essen?
12Der
Mensch antwortete: Die Frau, die du mir beigesellt hast, sie hat mir von
dem Baum gegeben. So habe ich gegessen.
13Gott,
der Herr, sprach zu der Frau: Was hast du getan? Die Frau antwortete:
Die Schlange hat mich verführt. So habe ich gegessen.
14Da
sprach Gott, der Herr, zur Schlange: Weil du das getan hast, bist du
verflucht unter allem Vieh und allen Tieren des Feldes. Auf dem Bauch
wirst du kriechen und Staub fressen alle Tage deines Lebens.
15Und
Feindschaft setze ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem
Nachkommen und ihrem Nachkommen. Er trifft dich am Kopf und du triffst
ihn an der Ferse.
20Der
Mensch gab seiner Frau den Namen Eva, Leben, denn sie wurde die Mutter
aller Lebendigen.
Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer, Schwestern und Brüder!
In der
ersten Lesung aus dem Buch Genesis haben wir eine ganz bekannte und uns
allen sehr vertraute Erzählung gehört, die Geschichte vom Sündenfall. –
Es ist eine Erzählung, die Antwort zu geben versucht auf die Frage,
woher das Böse kommt, das Leid, die Mühsal, die Not und der Tod.
Ist das
alles ein Konstruktionsfehler des Schöpfers?
Die Bibel
sagt klipp und klar: Nein!
Die
Zerrissenheit der Welt, alle Gebrochenheit des Menschen kommt nicht von
Gott. Am Anfang war alles gut. Das Leben war paradiesisch.
Doch was macht der Mensch?
Er wendet sich ab von Gott. Er entscheidet sich in seiner Freiheit gegen
Gott. Verblendet und verführt entscheidet er sich für das verlockende
Sein-wie-Gott.
Das ist
die Ursünde. Durch sie kommt alle Zerrissenheit, alle Störung und
alle Unordnung. Auf den Ungehorsam gegenüber Gott folgt die Lüge, der
Brudermord, Hass und Gewalt. Das Böse nistete sich ein in der Welt. Der
Teufelskreis aus Sünde und Tod beginnt und zieht sich durch die
Jahrhunderte. Und kein Mensch ist davor gefeit. Niemand kann ihm
entrinnen. Diesen Unheilszusammenhang nennen wir Erbsünde.
Wie kann
der Mensch die Freundschaft mit Gott, die er im Ungehorsam verlor,
wieder erlangen? Wie kann die Zerrissenheit der Schöpfung, die der
Mensch verursacht hat, wieder hergestellt werden? Wie kann das
Zerbrochene wieder heil und ganz werden?
Die Bibel sagt uns:
Das Heil ist viel mehr Geschenk als von uns zu machen und zu leisten. Es
ist viel mehr Gnade als Verdienst. Der Mensch kann seine Gebrochenheit
nicht selbst heilen. Er kann und muss mitwirken, ja. Aber die Rettung
kommt von Gott.
In einem Psalm heißt es: „Gottes Gedanken gehen
von Geschlecht zu Geschlecht, ihr Leben dem Tod zu entreißen und sie zu
nähren in ihrem Hunger.“ – Gott sinnt Gedanken der
Rettung, nicht des Verderbens.
Wie ein Freudensignal
klingt der Satz durch die Erzählung vom Sündenfall: „Feindschaft will ich setzen zwischen dir und der Frau,
zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er wird dir den Kopf
zertreten.“
Dieser
Satz, liebe Schwestern und Brüder, ist „UREVANGELIUM“. Er ist
wirklich „Frohe Botschaft“, ein Wort der Hoffnung. Er weist hin
auf künftiges Heil.
Frohe Botschaft,
weil Gott selbst aus der unheilvollen Situation einen Weg zeigt, weil
mitten im Strafspruch über unsere Stammeltern das göttliche Erbarmen
durchscheint, ein Morgenrot der Hoffnung.
Ein
Lichtschimmer dringt herein in das Dunkel der Sünde. Die Situation ist
nicht ausweglos. Sie ist nicht total verfahren. Es gibt Rettung. Der
Verlust des Paradieses ist bei Gott kein irreparabler Totalschaden. Der
Sieg des Bösen ist nicht endgültig.
Die erste
Frohbotschaft der hl. Schrift weist hin auf den kommenden Erlöser. Einer
wird kommen und den Kopf der Schlange treffen. – Das Wort der Hoffnung
in der Sündenfallgeschichte verheißt einen Sieger, gleichsam einen
zweiten Adam, der das Heil bringt für alle.
Wir Christen glauben: Jesus ist der von Gott gesandte Retter. Er ist der
Heilsbringer. Er hat durch seinen Tod am Kreuz die ursprüngliche
Freundschaft zwischen Gott und Mensch wieder hergestellt und so „der
Schlange den Kopf zertreten“. Er hat als Lamm Gottes die Schuld der
Welt getragen, alle Sünde auf sich und hinweggenommen.
Jahrtausende
wartete die Menschheit auf diesen Erlöser.
Durch das
ganze Alte Testament klingt immer wieder die Verheißung auf:
Einer
wird kommen, der stärker ist als die Schlange; einer, der die Macht
besitzt, die Menschheit aus der Umklammerung der Sünde zu befreien.
Immer heller
durchstrahlt den dunklen Advent des Alten Testaments die Hoffnung auf Rettung. Immer
deutlicher wächst aus der Nacht die Lichtgestalt empor, die Gott als
Morgenröte, als Stern der Hoffnung über das verschlossene Tor des
Paradieses setzte:
„Seht,
die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären…“
Gott holt
die Menschen aus dem Kreislauf des Bösen.
In Maria
hat er damit begonnen. Maria war keine Stunde und keine Sekunde in
Schuld verstrickt. Gott hat sie im Hinblick auf seinen Sohn auf
einzigartige Weise ausgezeichnet, beschenkt, begnadet. Er hat sie von
Anfang an vor jeder Sünde bewahrt.
Maria:
das reinste und wenn man will „gelungenste“ Geschöpf, die Immaculata,
die neue Eva.
Der Immanuel,
der „Gott mit uns“ wird geboren von ihr, die nicht wie Eva den
Tod, sondern das Leben gebiert, die nicht Unheilsträgerin ist, sondern
Heilsträgerin, nicht Mutter der Schuldbeladenen, sondern Mutter des
Erlösers und Ersterlöste von allen Erlösten.
Unheil
brachte das frevlerische Nein unserer Stammeltern gegenüber Gott. Heil brachte das Ja der Gottesmutter.
Unheil
brachte der Ungehorsam gegenüber Gottes Ordnung. Heil brachte der
Gehorsam und Demutssinn Mariens, ihre radikale Orientierung am Willen
Gottes: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“.
Nicht die
Strafe ist das letzte Wort im Sündenfall, sondern die Verheißung. – Das
ist die erste Frohe Botschaft, die Ur-kunde aller Verkündigung:
Gottes Liebe und sein Erbarmen triumphiert über alle Sünde. Seine Gnade
ist größer als alle Schuld.
Mit dem
Jawort der Jungfrau von Nazareth setzte Gott einen neuen Anfang. Es ist
wie ein neuer Morgen: hell und klar, voll Verheißung und ohne Bedrohung,
voll Licht und ohne Dunkel.
Maria
ist die Morgenröte des Heils. Sie ist nicht selbst das Heil. Aber sie
hat den Heiland geboren. „Heute ist euch in der
Stadt Davids der Heiland geboren, Christus der Herr.“
Für uns
ist Maria ein Zeichen des Trostes und der Hoffnung:
In ihr
dürfen wir den Menschen erkennen, wie Gott ihn sich gedacht hat, völlig
unverdorben, vollkommen schön, vollständig durchsichtig für Gott. Maria:
die immaculata conceptio Gottes.
Erlösung
ist seitdem nicht mehr nur Verheißung. Sie hat schon begonnen. Sie ist
allerdings noch nicht zu Ende.
Die
Fleischwerdung des Heiles Gottes geht weiter.
Liebe
Wallfahrerinnen und Wallfahrer!
Maria ehren, heute ihr Fest feiern, heißt:
nicht nur Maria loben und preisen und Gott danken für ihre Erwählung.
Zum Lob des Mundes muss das Lob des Lebens kommen!
Heute ihr Fest feiern, heute Maria ehren heißt:
versuchen, wie Maria zu leben, sie nachzuahmen in ihrer Gesinnung und
Haltung, offen zu werden – wie sie – für die Pläne und Absichten Gottes,
ja sagen
zu dem, was Gott von mir will, was er mit uns vorhat.
Maria ehren, heute ihr Fest feiern, heißt: treu der eigenen Berufung
entsprechend leben, leben im Vertrauen auf Gott und seine Führung.
Heute ihr Fest feiern, heute Maria ehren heißt:
bestrebt sein – wie sie – Instrument Gottes zu sein, Diener, Dienerin
des Allerhöchsten, Werkzeug des Friedens, Zeuge der Wahrheit, Bote und
Botin seiner Liebe.
|