Aus der Zeit, als unter Zwingli und
Calvin die Reformation in der Schweiz Fuß fasste, wird folgende
Begebenheit erzählt:
Da haben Bauern im Engadin die Figuren
der Heiligen aus den Kirchen, von den Häusern und Plätzen, von Brücken,
Brunnen und Wegkreuzen entfernt und in den Inn geworfen.
Fort mit ihnen! Weg damit!
Die geschnitzten Bildwerke schwammen auf
den Fluten des Flusses talabwärts und gelangten hinter die
österreichische Grenze. Dort – von Landeck an – standen andere Menschen
auf den Brücken und am Ufer und fischten die Heiligen wieder aus dem
Wasser heraus. Sie trugen sie in ihre Kirchen und Häuser und stellten
sie zu neuen Ehren wieder auf.
Figuren und Bilder von Heiligen finden
sich auch in Prinzbach und Umgebung. Im Kinzig- und Harmersbachtal gibt
es Straßen, Schulen, Kindergärten, Altenheime und Pfarrheime, die nach
Heiligen benannt. Bildstöcke und Kapellen in Wald und Flur, an so
manchem Haus und Hof zeugen von der großen Heiligenverehrung unserer
Vorfahren. Auch hier in der Kirche sind Heilige zahlreich dargestellt
und abgebildet.
Fast jeden Tag feiert die Kirche das Fest
oder Gedächtnis eines Heiligen. Viele von uns haben den Vornamen von
einem Heiligen Aber wer kennt schon seinen Namenspatron wirklich? Wer
weiß etwas von ihm? Und wer feiert seinen Namenstag?
Wen interessieren die Heiligen heute
überhaupt noch? Kann uns ein Heiliger wie Mauritius heute noch etwas
sagen? Können wir mit einem Heiligen aus dem im 3. Jahrhundert in
unserer modernen Welt überhaupt noch etwas anfangen?
Mauritius war Soldat, römischer Offizier,
Kommandant der sogenannten Thebäischen Legion, die etwa 6.600 Mann
umfasste. Diese Legion ist nach Theben in Oberägypten benannt, wo sie
rekrutiert wurde. Sie bestand in der Hauptsache aus Christen. Der Name
Mauritius kommt von Maure, Mohr. Er hatte wohl – wie viele der
Thebäischen Legion dunkle, schwarze Hautfarbe.
Der Kaiser hatte befohlen diese Legion
aus Afrika abzuziehen und nach Gallien zu verlegen. Die Legion kam in
die Schweiz und war in Agaunum, dem heutigen St. Maurice im Wallis
stationiert. Das war um das Jahr 285.
Als Mauritius und seine Soldaten vor
einer Schlacht Jupiter, dem höchsten römischen Gott, Opfer darbringen
sollten, weigerten sie sich. (Sie weigerten sich auch, an der Verfolgung
von Christen teilzunehmen und das Schwert gegen unschuldige Bürger zu
erheben. Dazu waren sie nicht Soldat geworden.)
Daraufhin ließ Maximus, der Mitregent von
Kaiser Diokletian die Legion zur Abschreckung dezimieren, das heißt jeder
zehnte Mann wurde mit dem Tod bestraft. Ohne Erfolg. Die Dezimierung
wurde mehrmals wiederholt. Als die Legion sich weiter geschlossen
weigerte, den Göttern zu opfern, wurden alle hingerichtet.
Darum feiert die Kirche am 22. September
nicht nur Mauritius als Märtyrer, sondern auch seine Gefährten. Einige
von ihnen sind namentlich bekannt sind, wie z.B. Candidus, Innozentius,
Exuperius und Vitalis.
Ursus, Gereon und Viktor, sollen zunächst
entkommen sein, starben aber später in Solothurn den Märtyrertod.
Bereits um 380 wurden die Gebeine der
Märtyrer aufgefunden und Bischof Theodor von Sitten ließ über den
Grabstätten im heutigen St. Maurice zu Ehren der Märtyrer eine Kirche
bauen. Überreste einer alten Kirche und sechs Grabhöhlen können heute
noch unter der Abteikirche besichtigt werden.
Am 22. September 515 gründete der
Burgunderkönig Sigismund das Kloster St. Maurice, das dann auch dem Ort
den Namen gab.
St. Maurice wurde ein Wallfahrtsort.
Zahlreiche Pilger kamen und die Verehrung
des heiligen Mauritius verbreitete sich in der Schweiz, in Frankreich,
Italien, Deutschland, England und auch in Spanien.
St. Maurice wurde das zentrale Heiligtum
des Burgunderreiches und zur Zeit der Stauferkaiser wurde Mauritius zum
Reichsheiligen.
Eine große Zahl von Mauritius- bzw.
Moritzkirchen entstand. In der Schweiz gibt es über 50 Kirchen, die dem
heiligen Mauritius geweiht sind.
Mauritius ist Patron von Burgund und der
beiden schweizer Kantone Wallis und Appenzell-Innerhoden.
Die Städte Coburg und Wiesbaden verehren
ihn als Stadtpatron. Mauritius war ein Heiliger, der mit beiden
Füßen auf dem Boden stand. Er versteckte seinen Glauben nicht. Er lebte
und bezeugte ihn im Alltag. Er lebte ihn offensiv.
Mauritius
zeigte Flagge. Inmitten einer heidnischen Umgebung. trat er mannhaft,
mutig und unerschrocken für seinen Glauben ein.
Den Leitspruch „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“
befolgte er bis
in den Tod.
Verstecken wir unseren
Glauben nicht allzu sehr im Privatbereich? Behandeln wir ihn nicht oft
wie eine geheime Verschlusssache? Warum leben wir unseren Glauben nicht
offensiver? Warum treten wir nicht entschiedener als Christen auf und
geben Zeugnis von dem, was unsere Hoffnung ist?
Ich finde, ein Stück des
christlichen Selbstbewusstsein und damit auch missionarischen
Bewusstsein, das dem heiligen Mauritius zu eigen war, täte unseren Gemeinden
und unserer Kirche heute inmitten eines neuen Heidentums, in dem wir
leben, gut.
Schauen wir jetzt nicht
auf die Amtsträger und die Hauptberuflichen in der Kirche. So können wir
uns die Herausforderung ganz schön vom Leib halten. Mauritius war auch
nicht Diakon, Priester oder Bischof. Er hatte einen ganz weltlichen
Beruf. Und trotzdem hat er durch sein Wort, besonders aber auch durch
sein überzeugtes Christenleben andere auf den Glauben aufmerksam gemacht
und zum Glauben hingeführt.
Gott sucht auch heute
Menschen, die von ihm sprechen und seine gute Botschaft weitersagen.
Gott sucht auch heute Menschen, die ihre Trägheit, ihre Gleichgültigkeit
und Menschenfurcht überwinden und seine Zeugen sind mit ihrem ganzen
Leben.
Gott braucht auch heute
Menschen, die sich gesandt wissen, Zeugen der Wahrheit und Boten der
Liebe zu sein, Salz der Erde und Licht der Welt.
Auch in Lebensgefahr hat
Mauritius sich geweigert, den heidnischen Gottheiten zu opfern. Er hat
seinen Glauben nicht verleugnet, sondern sich mutig und tapfer dazu
bekannt. Er blieb standhaft und treu bis in den Tod.
Wer sind die Götter heute,
denen die Menschen huldigen und Opfer bringen? Geld, Karriere, Profit,
Prestige? Vielleicht aber auch Hedonismus, Beliebigkeit und das eigene
Ego.
Auch heute gilt
nicht weniger wie zur Zeit des heiligen Mauritius: „Der Herr allein ist
Gott. Und du sollst keine fremden Götter neben ihm haben.“ Heute wie
damals gilt: „Den Herrn allein sollst da anbeten und ihm allein
dienen!“ Und auch heute gilt: „Man muss
Gott mehr gehorchen als den Menschen!“
Das Leben des heiligen
Mauritius hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Heute sein Fest
feiern, das heißt, sich berühren und durchdringen
lassen vom Geist, der diesen Mann erfüllt hat. Es ist der Geist des
Evangeliums. Es ist die Begeisterung für Jesus. Es ist die Leidenschaft
für Gott und sein Reich.
Heute das Fest
des heiligen Mauritius feiern, das heißt, sich entzünden
und anstecken lassen von der Gesinnung, die in ihm war, von der
Einstellung, die ihn geprägt hat. Es ist die Gesinnung der
Barmherzigkeit und der Liebe. Nicht nur reden von Solidarität, sondern
tun der Solidarität!
Heute das Fest
des heiligen Mauritius feiern, das heißt, sich von der
Glaubensstärke und dem Glaubensmut dieses Glaubenszeugen entflammen und
anspornen zu lassen. Sich des Glaubens nicht schämen, sondern Mut haben,
als Christ in der Öffentlichkeit seinen Mann und seine Frau zu stehen.
Den Glauben offensiv leben, nicht aggressiv, aber offensiv! Den Glauben
bezeugen in Wort und Tat!
Christlicher
Glaube, liebe Schwestern und Brüder, hat
sich seit den Tagen der Apostel und Märtyrer nicht ausgebreitet durch
Leisetreterei, falsche Rücksichtnahme und scheue Zurückhaltung.
Christsein mit Profil,
Flagge zeigen, missionarisch Kirche sein, setzt allerdings voraus, dass
ich meinen Glauben nicht als „Ladenhüter“ begreife, sondern ihn
als „Schatz“ erfahre, als einen Schatz, der es wert ist,
weitergegeben und weitergesagt zu werden.
Nur Ergriffene ergreifen.
Nur wer selbst entzündet ist, kann andere anstecken. –
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Ist in mir noch
Glaubensglut oder hüte ich nur noch Asche?
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Brennt in meinem
Herzen die Leidenschaft für Gott und sein Reich?
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Oder ist meine
Frömmigkeit bloß noch Routine, Pflicht, Abhaken, äußeres Getue?
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Oder bin ich einfach
unheimlich gleichgültig, bequem und faul geworden?
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Gefragt sind
Frauen und Männer in der Kirche, denen man – wie dem Heiligen Mauritius –
anmerkt, dass sie erfüllt sind von Gottes Geist, erfüllt von einer
heiligen Leidenschaft für Gott.
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Gefragt sind
Menschen, die Zeugnis geben von der Zuversicht, die sie trägt, vom
Vertrauen, das sie prägt, von der Sehnsucht, die sie bewegt, von
Gott, der zu uns steht und mit uns geht.
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Gefragt sind
Menschen, die auch heute aus jenem Geist der Stärke, der
Standhaftigkeit und Treue leben, den der heilige Mauritius
auszeichnete.
Und so rufen wir: Mauritius, komm wieder! Komm wieder in Menschen, die gesinnt sind wie
du, die handeln wie du, die leben wie du! – Komm wieder! Und wir fügen
zögernd hinzu: in uns.
Sporne uns an, ermutige
uns, beseele uns, ganz bewusst, ganz wach, ganz intensiv und ebenso
entschieden und konsequent wie du, ebenso mutig und tapfer wie du,
ebenso standhaft und treu wie du mit Jesus unseren Weg zu gehen, den Weg
des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Hilf uns, nicht nur Christen
zu heißen, sondern es wirklich zu sein.
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