Exerzitien mit P. Pius

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Auf Maria schauen

 

Predigt zum Fest "Mariä Empfängnis" am 8. Dezember

 

 

Der französische Dichter Paul Claudel hat uns ein Mariengebet geschenkt, das den Titel trägt: „Die Jungfrau zur Mittagszeit“. Der Dichter verrichtet es vor einer Marienstatue mitten am Tag. Für einen Augenblick, so scheint es, unterbricht er seine Arbeit, um mit Maria zu sprechen.

 

„Mutter Christi, ich komme nicht um zu beten. Ich habe nichts zu geben und weiß nicht, um was ich bitten soll. – Ich will dich nur sehen, Mutter. Dich sehen, vor Glück weinen und wissen, dass ich dein Kind bin, dass du da bist. Nur einen Augenblick will ich bei dir sein, hier sein, wo du bist, Maria. Denn du bist schön und unbefleckt, die Frau voll Gnade, erschienen aus Gott im Morgenglanz seiner Herrlichkeit, unsagbar rein, da du Mutter Jesu Christi bist. – Weil du da bist, für immer da bist, ganz einfach, weil du Maria bist, du Mutter Jesu Christi, danken wir dir.“

 

Mir fällt an dem Gebet die Bescheidenheit des Dichters auf. Er sagt, dass er nichts mitbringt und eigentlich auch nichts haben will. Er möchte nur eins, nämlich Maria sehen. Und am Schluss dankt er allein dafür, dass sie da ist.

 

Was hat Maria an Besonderem, dass es sich lohnt, sich allein schon über ihre Existenz zu freuen? Was macht die Begegnung mit ihr zu einem Erlebnis, das dem ganzen Tag Glanz verleihen kann?

 

Es ist das Geheimnis des heutigen Festes. Heute feiern wir Maria nach einem Wort der Ostkirche als die „Ganz-Heilige“. Wir bekennen: Sie war vom ersten Augenblick ihres Daseins an frei von jeder Sünde. Sie ist darum das gelungenste Geschöpf Gottes, die neue Eva, die ohne jede Sünde blieb und so die Mutter aller Lebenden werden konnte.

 

Oder, um es mit den Worten des Dichters zu sagen: Maria ist schön und unbefleckt, die Frau voll Gnade, erschienen aus Gott, unsagbar rein.

 

Was fällt auf, wenn wir so von Maria sprechen? Wir merken: Maria ist ein Kontrastbild zu unserem eigenen Leben. Denn von morgens bis abends erleben wir uns nicht als „Ganz-Heilige“, sondern als gebrochene Menschen. Wir erleben uns als Menschen, die alles andere als vollkommen sind.

 

Mannigfache Beispiele belegen das. Und wir befinden uns dabei in guter Gesellschaft. Selbst der Völkerapostel Paulus muss zugeben, dass er trotz des Guten, das er tun will, immer wieder versagt: „Ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will“, schreibt er im Römerbrief (7, 19). Und so geht es uns allen. – Da erscheint Maria wie aus einer anderen Welt. In der lauretanischen Litanei wird sie deshalb als „goldener Kelch“ bezeichnet. Wir dagegen sind „zerbrechliche Gefäße“ (vgl. 2 Kor 4, 7).

 

Nicht wahr, da kann die Frage auftauchen: Lohnt es sich überhaupt auf Maria zu schauen? – Was hat der Dichter davon, wenn er sich zur Mittagszeit das Bild der ganz schönen, ganz reinen, ganz heilen Maria vor Augen führt? – Müssen wir nicht im Blick auf Maria entmutigt werden? Ist sie nicht so heilig, so voll der Gnade, dass wir das nie erreichen, dass wir immer wieder hinter ihrem Beispiel zurückbleiben?

 

Gott sei Dank, Maria ist nicht stolz. Sie ist keine eitle Diva, die nur um sich selbst kreist. Es geht ihr nicht um sich, es geht ihr um uns.

 

Sie ist unsere Schwester im Glauben. Sie geht den Weg der pilgernden Kirche mit. Allen die auf diesem Weg ihre eigene Schwäche und Unvollkommenheit entdecken, gibt sie wie einst auf der Hochzeit zu Kana den Rat: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2, 5) – Maria, die Gott als würdige Wohnung für seinen Sohn geschaffen hat, will deutlich machen, dass auch wir Gottes würdige Wohnung sein können.

 

So ist Maria ein ermutigendes Zeichen dafür, dass Gottes Plan mit uns Menschen an sein Ziel gelangt. Sie sagt uns heute:

 

„Wie der Herr an mir gehandelt hat, so will er auch an euch handeln. So wie er mir vom ersten Augenblick meines Lebens an vollkommene Heiligkeit geschenkt hat, so will er auch euer Leben reich und glücklich machen. Er will, dass es gelingt und zur Vollendung findet.“

 

Wenn wir das so sehen, liebe Schwestern und Brüder, dann ist die Heiligkeit der Gottesmutter für uns kein fernes Ideal, sie ist vielmehr ein Hinweis für uns, und zwar Hinweis darauf, was Gott mit allen Menschen vorhat. Versuchen wir nur, zu tun, was Jesus, ihr Sohn, uns sagt. Das ist es: Seinen Willen erfüllen.

 

Der Dichter, der zur Mittagszeit vor der Marienstatue betet, kann getrost an seine Arbeit gehen. Er weiß: die Mutter ist da, Maria schaut auf ihn. Sie lässt ihn nicht allein. Ihre Güte begleitet ihn durch den Tag. Ihre Unversehrtheit und Heiligkeit gibt auch ihm die Zuversicht, menschliche und christliche Reife zu erlangen. Und letztlich die ewige Vollkommenheit. Immer wieder wird er deshalb zu Maria zurückkehren und sich bei ihr neue Kraft für den Alltag holen, Mut und Zuversicht.

 

Wie er wollen auch wir es halten. Seinem Beten wollen wir uns anschließen, auch wenn wir nichts zu geben haben und nicht wissen, worum wir eigentlich bitten sollen.

 

Aber: einfach, weil du da bist, Maria, wollen wir danken. Durch dich nämlich wird unser Leben hell.

 

So heißt es in einem Marienlied im Gotteslob:

 

„Du strahlst im Glanz der Sonne, Maria hell und rein. Von deinem lieben Sohne kommt all das Leuchten dein. Durch diesen Glanz der Gnaden sind wir aus Todes Schatten kommen zum wahren Schein.“

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