„Der dich, o Jungfrau, in den Himmel aufgenommen
hat.“
Dieses Geheimnis des glorreichen Rosenkranzes ist
wie eine Kurzformel des heutigen Festes. Es ist eines der ältesten Feste der
Christenheit und gleichzeitig das jüngste Dogma der Kirche.
Allerdings: In der Bibel ist davon mit keinem Wort die Rede.
Da wird zwar die Himmelfahrt Jesu
berichtet, aber von einer Aufnahme Mariens steht da nichts.
Hat also dieses Fest gar keine biblische Grundlage?
Ist
das, was wir heute feiern, aus der Luft gegriffen? Ist die Aufnahme Mariens in den Himmel vielleicht mehr Wunschtraum als Wirklichkeit?
Doch
wie kommt’s, dass sich schon in den ersten Jahrhunderten diese Glaubenswahrheit
herausgebildet hat und sehr früh schon in der Kirche gefeiert wurde?
Auch wenn von einer Aufnahme Mariens in den Himmel in der
Heiligen Schrift nichts zu finden ist, so sind doch die Keime des Festgeheimnisses
vorhanden.
Maria durfte die Worte des Engels hören:
„Du bist voll der Gnade.“
Elisabeth sagte zu Maria: „Gesegnet bist du mehr als
alle anderen Frauen.“ Von sich selbst sagt Maria: „Großes hat an
mir getan der Mächtige“ und: „Selig werden
mich preisen alle Geschlechter.“
Im Evangelium ruft eine Frau Jesus zu: „Selig der Leib, der dich getragen hat.“
Sehen Sie:
all diese Worte sind wie Samenkörner, die dem Festgeheimnis zugrunde
liegen, wie Keime, aus denen es sich entfaltet hat und zu einem der
größten Marienfeste gewachsen ist.
Maria,
die Begnadete, die vielfach Gepriesene, die das Wort Gottes gläubig gehört und
befolgt hat, die den Sohn Gottes in ihrem Schoß getragen und den Urheber des
Lebens geboren hat, sie, die als Mutter des Herrn wie kein anderer Mensch
mit Gott verbunden war, von ihr glaubt und bekennt die Kirche, dass sie in
einzigartiger Weise hineingenommen ist in das Geheimnis der Auferstehung ihres
Sohnes. „Ihr Leib sollte die Verwesung nicht schauen“ (Festtagspräfation).
Als erste
von allen Geschöpfen durfte sie Ostern an sich erfahren. Als erste von
allen Menschen ist sie ganz bei Gott, in der Fülle des Lebens und des Lichtes,
mit Leib und Seele aufgenommen in den Himmel. - Die Aufnahme Mariens in
den Himmel ein österliches Fest. Die Kirche feiert es mit österlichem Jubel.
Sie,
die niedrige Magd, ist erhöht zu Gott und ihr Leben hat seine Vollendung
gefunden in Gott.
Gut und schön,
kann jetzt jemand sagen.
Doch
was geht das mich an? Was hat das mit mir zu tun und meinem Leben? Hat
das eine Bedeutung für meine Arbeit und meinen Alltag, für das, was mich
bewegt und umtreibt, meine Hoffnungen und Ängste, meine Freuden und Sorgen?
Eugen Jonesco, einer der besten Kenner
und Kritiker unserer Zeit, hat einmal gesagt: „Aufschauen müssten wir wieder
können, aufschauen nach oben, zu den Sternen.“ Aufschauen, meint er,
zu den Geheimnissen, die für uns im grauen Alltag, Zeichen des Lichtes und der
Hoffnung sind.
Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!
Heute schauen wir auf. Unser Blick geht nach oben
und unser Herz erhebt sich mit. Wir schauen auf zu Maria, in den Himmel
aufgenommen, und sehen: Eine von uns, Geschöpf Gottes und Mensch wie wir,
Mädchen von Nazareth, Mutter von Bethlehem, Frau aus dem Volk, kennt Arbeit
und Sorge ums tägliche Brot, die Mühsal des Lebens in Armut und Not. Keine
der oberen Zehntausend, keine Diva, kein Star, sondere niedrige Magd, die das
Leben und Los der Kleinen und Geringen geteilt hat, unsere Schwester im Glauben.
Ihr Leben keineswegs leidfrei, keineswegs auf Rosen gebetet. Ein geprüftes
Leben, schmerzensreich und leiderprobt. „Angst und Jammer, Qual und Bangen,
alles Leid hielt sie umfangen, das nur je ein Herz durchdrang.“ Mater dolorosa, Maria in der Passion, die Mutter Jesu unter dem Kreuz.
Aber nun wird offenbar – im Aufschauen zu ihr,
der in den Himmel Aufgenommen - , dass alles, was wir hier Leben nennen,
diese Ineinander von Alltag und Arbeit, von Freude und Enttäuschung, von
Hoffnung und Schmerz, Glück und Leid, dass all dies nicht das Letzte ist,
sondern dass das alles offen ist für das Ewige.
Das alles wird heimgebracht und eingebracht wie eine Ernte
zu Gott. Das alles erhält und erfährt seinen letzten Sinn und seine
Vollendung bei Gott und durch Gott.
Die in den Himmel Aufgenommene ist uns ein untrügliches
Zeichen, Unterpfand, Garantie: Was ihr zuteil geworden ist in Fülle, daran
sollen und werden auch wir Anteil haben.
Marias Aufnahme in den Himmel zeigt, wozu wir alle berufen
sind: einzugehen in die Herrlichkeit Gottes.
Unser Leben, diese oft so rätselhafte, so bruchstückhafte,
so sehr verwundete: Gott wird es heil machen und ganz.
Gott hat auch für uns jenseits des Todes selige
Auferstehung und die Fülle des Lebens.
Im Blick auf Maria, in den Himmel aufgenommen, sehen wir:
die Tür zum ewigen Leben ist offen, endgültig. „Uns wird das Leben gewandelt,
nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist
auch uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ (vgl. Präfation für
Verstorbene)
Mariä Himmelfahrt, mitten in der Erntezeit, ein Fest der
Hoffnung. „Maria, du, unsere Hoffnung, sei gegrüßt!“ – „Bitte für uns heilige Gottesmutter, dass wir würdig werden der
Verheißungen Christi.“
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