Fragen quälen Josef, Zweifel nagen an ihm. Woher sollte er wissen, dass das,
was geschehen ist, vom Heiligen Geist gewirkt war? Wir wissen, dass Jesu Ursprung
in Gott selbst liegt? Wie sich verhalten? Eine ganz große Prüfung ist das
für ihn, eine wahre Zerreißprobe!
Und doch: keine
Anklage gegen Maria, keine Vorwürfe, geschweige denn Rachegedanken. In aller
Stille will Josef sich von Maria trennen, mit Anstand sich aus der Affäre
ziehen, ohne Streit und ohne Maria bloßzustellen oder preiszugeben.
Welch innere Größe zeigt sich hier! Wie viel Takt
und Feingefühl!
Aber dann nimmt
alles eine überraschende Wendung:
Gott selbst greift ein. Licht kommt ins Dunkel. Ein
Engel führt ihn in das göttliche Geheimnis ein. Er verweist Josef im Traum
auf das wundersame Wirken Gottes. Gleichzeitig erhält er Weisung und
Auftrag.
Mir fällt auf: Josef ist offen, er ist
ansprechbar, er ist hellhörig für das, was Gott ihm zu sagen hat. Er erkennt
die Zeichen Gottes. Er glaubt und tut, was Gott von ihm will, ohne Wenn und
Aber.
Er nimmt die Rolle an, die Gott für ihn vorgesehen
hat, auch wenn er vieles nicht begreift.
Liebe Schwestern und Brüder!
Von Josef wird nirgendwo in der Heiligen Schrift auch nur
ein einziges - von ihm selbst gesprochenes - Wort überliefert. Er schweigt.
Er hört. Er handelt. Er horcht und gehorcht.
Aber zeigt sich
nicht gerade darin sein "Ja" zum Willen Gottes? Und ist dieses "Ja" nicht
ebenso erforderlich gewesen wie das der Gottesmutter? - Ist sein
Glauben und Vertrauen nicht ebenso wichtig gewesen wie ihr Glauben und
Vertrauen? - Hat Gott nicht auch ihn berufen zum Mitwirken an seinem
Heilsplan und zum Mittun an seinem Heilswerk? – Lebt uns Josef nicht
genauso wie Maria vor, was Glaubensgehorsam bedeutet: nämlich absehen lernen
von allen ichbezogenen Zielen und das Ziel Gottes verfolgen, nicht den
eigenen Wünschen und Plänen folgen, sondern dem Willen Gottes Vorfahrt
geben?
Sehen Sie, liebe Schwestern und Brüder!
Das Große und Bewundernswerte an Josef ist, ebenso wie bei Maria, dass er
Gott nicht ausgewichen ist, dass er sich Gott gegenüber nicht verweigert
hat, sondern offen war für Gottes Absichten und sich auf Gott eingelassen
hat; dass er Gott das Unbegreifliche und menschlich gesehen Unmögliche
zugetraut und dem Anruf Gottes Antwort gegeben hat in ganz konkretem Tun, in
entschlossenem und konsequenten Handeln.
Für Josef gilt - wie wohl kaum für einen anderen -
das Wort des heiligen Ignatius: "Wenige
Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich der Führung
der Gnade rückhaltlos überließen."
Wie ganz anders ist oft unsere Einstellung und
unser Verhalten.
Rudolf Otto Wiemer
bringt es folgendermaßen zum Ausdruck:
"Hör dir das an, Gott, ich will heute mit dem Auto
unterwegs sein, morgen schließ ich den Kaufvertrag ab, das neue Haus wird in
zehn Monaten stehen, dann ziehen wir ein, machen das zweite Kind, schicken
das erste zur Schule, das Geschäft wird vergrößert, den Kompagnon schmeiß
ich raus, kaufe das restliche Aktienpaket, übernehme den Vorsitz in der
Waschmittelgesellschaft, wechsle die Freundin, der Bungalow im Tessin ist
fällig, die Gören springen mir von der Tasche, die Frau hat eine Operation,
ich bin Generaldirektor, vielleicht Prostata, gut, wird repariert, man ist
sechzig, Konzern gesund, rapide wächst das Grundkapital, glänzende
Aussichten für die nächsten zehn Jahre, was sag ich, für zwanzig – hör dir
das an, Gott, und komm mir nicht dazwischen."
Ganz anders Josef:
Nicht: "hör dir das an, Gott!" Er war selbst ein Hörender. Er hat auf Gott
gehört. Nicht: "komm mir ja nicht dazwischen!" Bei Josef kam Gott oft
dazwischen. Und er ließ sich stören in seinen Plänen. Josef handelt nicht,
wie es ihm gut dünkt und Gott muss spuren, sondern er folgt den Spuren und
Zeichen und Weisungen Gottes. - Und so nimmt er Maria zu sich. Er bekennt
sich zu ihrem Kind. Er übernimmt Verantwortung für die junge Familie und
gibt ihr Schutz und Geborgenheit.
Liebe Schwestern und Brüder!
Auf einen Traum hin zu glauben, dass Maria, seine
Verlobte, ihm nicht untreu geworden war, sondern dass sie auf rätselhafte
Weise zum Werkzeug Gottes geworden war; entgegen allen bürgerlichen
Gepflogenheiten Maria anzunehmen, ihrem Kind väterlicher Fürsorger zu sein,
gehörte dazu nicht sehr viel Glaubensmut und ein ganz großes Gottvertrauen?
Ja, dieser Josef macht nicht viele Worte. Er stellt
keine müßigen Fragen. Er handelt. Er knüpft sein Handeln nicht an
Bedingungen. Er macht keine Vorbehalte. Er glaubt und vertraut.
Es ist der handfeste, nüchterne Glaube eines
einfachen und redlichen Mannes, eines Handwerkers, der auch später am Rand
bleibt, im Hintergrund steht, nicht von sich Reden macht und kein Aufsehen
erregt; der aber da ist, wenn er gebraucht wird; der geht, wohin Gott ihn
schickt, auch wenn er die Wege nicht kennt, auch wenn er die Ratschlüsse
Gottes nicht durchschaut, auch wenn die Zukunft im Dunkeln liegt.
Ich meine: Wir können Josef durchaus in eine Reihe
stellen mit anderen großen Glaubensgestalten der Bibel: Noah, Abraham,
Jakob, Moses, David, aus dessen Königsgeschlecht er stammt.
Aber dieser
königliche Glanz ist zu Lebzeiten Josefs Vergangenheit, sozusagen Schnee von
gestern. Josefs Gegenwart hat nichts Idyllisches. Es ist das harte Leben
eines Zimmermanns, der Steuern zahlt und an Ämtern ansteht, vergebliche
anklopft und Herberge sucht, der die Geburt im Stall miterlebt, das
Schicksal der Flüchtlinge erfährt, in der Fremde Unterschlupf sucht und nach
seiner Rückkehr unauffällig in Nazareth lebt.
Welche Dramatik und zum Teil auch Tragik haftet
diesem Leben an!
Was mutet Gott diesem Mann nicht alles zu?
Wie schwer tun wir
uns oft mit den Zumutungen Gottes in unserem Leben, wenn Gott unsere
hausgemachten Pläne durchkreuzt? Wie wenig trauen wir Gott zu, dass
sein Wille das Beste für uns ist und dass alles, was geschieht einen Sinn
hat, auch wenn wir ihn jetzt noch nicht sehen und verstehen?
Jemand fragt:
Warum soll gerade ich meine alten und kranken Eltern pflegen und nicht meine
Geschwister? Warum erlebe ich so viel Unrecht, Unverständnis und Ablehnung?
Warum diese Krankheit, warum diese Schmerzen? Warum ausgerechnet ich? Was
mutest du mir zu, Gott
Am Leben Josefs können wir erkennen:
Gottes Gedanken sind nicht unsere Gedanken, Gottes Wege nicht immer unsere
Wege. Aber Gott vermag auch auf krummen Zeilen gerade zu schreiben.
Seine Wege führen weiter. Es sind Wege des Heiles, Wege zum Leben.
Im Leben des heiligen Josef
ist manche Tür zugefallen. Vieles ist anders gekommen als er es sich gedacht
hatte. Aber Josef hat es genommen, wie es gekommen ist. Er hat mit seinem
Schicksal nicht gehadert. Er hat sich den Schickungen Gottes gefügt. Und
Gott hat immer wieder auch Türen geöffnet und ihm den Weg des Heils
gewiesen.
Für mich ist der heilige Josef eine ganz eindrucksvolle
Gestalt.
Ihn nachzuahmen
wäre nicht das Schlechteste für alle, die ihren Glauben vertiefen und ihrem
Leben eine evangeliumsgemäße Gestalt geben wollen.
Mit Josef konnte Gott rechnen, ohne sich zu
verrechnen.
Und er, Josef, hat mit Gott gerechnet in allen
Situationen, auch in den Alltäglichen und nach seinem Willen ausgerichtet.
Darin ist Josef für mich Vorbild. Und er kann es
für uns alle sein.