Liebe
Schwestern und Brüder!
Erinnern
Sie sich? Am 8. Dezember vergangenen Jahres hat Papst Franziskus ein
Jahr des heiligen Josef ausgerufen. Das Dokument hat den Titel: „Patris
Corde“, „mit väterlichem Herzen“.
Der Papst
wählte diese beiden Anfangsworte gewiss mit Bedacht. Er will uns sagen:
Nehmt euch Zeit für den
heiligen Josef! Schaut auf ihn und betrachtet
sein Leben! Denn Josef hat Jesus „mit dem Herzen eines Vaters“, „Patris
Corde“, geliebt.
Man muss sich vorstellen:
Bis zum Alter von etwa dreißig Jahren war Jesus Tag für Tag mit Josef
zusammen. Er hat in all diesen Jahren ganz viel von ihm gelernt. Er hat
ihm zugeschaut bei der Arbeit und beim Beten. Josef hat Jesus eingeführt
in den jüdischen Glauben. Er hat Jesus geholfen heranzuwachsen. Josef
war für Jesus Vorbild und Beispiel.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Im
Evangelium wird Josef als Mann beschrieben, der „gerecht“ war.
Wer die jüdische Welt ein wenig kennt, weiß, was das bedeutet.
Der „Gerechte“
ist in der biblischen Botschaft ein ganz und gar aufrechter und durch
und durch treuer Mann, Der „Gerechte“ ist einer, der auf Gott hört und
in allem bestrebt ist, seinen Willen tut. Es ist auch einer, der im
guten Sinn „fromm“ ist, gottesfürchtig. Es ist einer, der in den heiligen
Schriften liest, sie meditiert und versucht, sein Leben nach den
Weisungen Gottes auszurichten.
Vom heiligen Josef hat Jesus auch beten gelernt. Am Sabbat nahm Josef Jesus
mit in die Synagoge. Jeder jüdische Vater erklärt seinem Sohn, was dort
geschieht. Und wenn man im Evangelium immer wieder liest, dass Jesus
sich zurückzieht oder in aller Frühe hinausgeht, um zu beten, dann mag
Josef auch diesbezüglich für Jesus Vorbild gewesen sein.
Wir dürfen annehmen,
dass Josef sich auch mit anderen Handwerkern und Händlern aus Nazareth
ausgetauscht hat, dass er mit Männern und Frauen des Dorfes sprach, sich
mit Nachbarn unterhielt. Und Jesus war Zeuge dieser Gespräche und
Begegnungen. Und je älter er wurde, desto häufiger hat er sich in die
Gespräche eingemischt, hat Stellung genommen, Fragen gestellt und seine
Meinung kundgetan.
Und als
Jesus mit seinen Eltern nach Jerusalem hinaufzog, erklärte Josef ihm den
Sinn dieser Pilgerreise. Er ließ ihn die Schönheiten der heiligen Stadt
entdecken. Er brachte ihm die Geschichte der Patriarchen und Propheten
nahe. Er erzählte ihm die Wunder, die Gott für sein Volk gewirkt hat und
erklärte ihm die großen jüdischen Feste. Und Jesus hat wahrgenommen,
aufgenommen und nach und nach verstanden, was es heißt ein „Sohn
Israels“ zu sein.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Wenn wir
das Evangelium lesen, können wir uns vorstellen, was Jesus alles im
Zusammensein mit Josef und im Schauen auf ihn von diesem abgeschaut und
von ihm empfangen hat.
Zum Beispiel
seine Großherzigkeit. Er will die Menschenmenge nicht hungrig nach Haus
gehen lassen. (vgl. Mk 8, 3) im Gegensatz zu den Jüngern, die sie
wegschicken wollen. Jesus erbarmt sich des Volkes. Er hat Mitleid mit
den vielen, die wie Schafe sind, die keinen Hirten haben, auf sich
allein gestellt, schutzlos und orientierungslos.
Ja,
gerade die Feinfühligkeit und Barmherzigkeit, die wir an Jesus
bewundern, wird dieser bei Josef erlebt, von ihm gelernt und übernommen
haben, so dass echtes Mitleiden und Barmherzigkeit auch sein Leben
kennzeichnete und seinen Umgang mit Schwachen und Armen, mit Kranken und
Sündern prägte.
Ich denke,
dass Jesus im Zusammenleben mit Josef auch Klarheit, Geradheit,
kraftvolles Hinstehen und männliche Tapferkeit erlebt hat, also
Autorität im guten Sinn. Ich denke an die Szene mit der Ehebrecherin, wo
Jesus die Ankläger mit sich selbst konfrontiert: „Wer von euch ohne
Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ Ein klares Wort,
ruhig vorgebracht, doch wie kraftvoll.
Ich denke daran,
wie mutig und stark Jesus mit seinen Gegnern umgeht, ihnen Paroli bietet
und auch Konflikte nicht scheut.
Ich denke daran,
wie viel Geduld Jesus mit den Aposteln hat, sie aber auch zurechtweist.
„Versteht ihr immer noch nicht? – Wo ist euer Glaube?“ Und wie er
ihnen am Schluss das Beispiel der Fußwaschung gibt. Nicht mehr wie du
mir, so ich dir, sondern wie ich euch, so ihr einander.
Ja, was
mag Jesus in dreißig Jahren an Josef beobachtet, von ihm abgeschaut, was
mag er alles von ihm erfahren und empfangen haben? Von dem
Menschen, der ihn in seiner Kindheit und Jugend tagein tagaus begleitet
hat und für ihn Vorbild und Beispiel war?
Das geht so weit,
liebe Schwestern und Brüder, dass Jesus zu seinen Vater im Himmel
„Abba“, „Papa“, sagte.
Wie hätte
Jesus so zu seinem Vater sprechen können, wie hätte er eine solch
vertraute Beziehung zu seinem Vater im Himmel haben können, wenn er
nicht mit Josef, seinem Pflegevater, echt gute Erfahrungen gemacht
hätte, viele positive Vatererfahrungen?
Josef
muss wohl ein Vater gewesen sein, der das Vatersein Gottes in aller
Größe und Liebe aufleuchten ließ, ein Vater, bei dem Jesus Gottes
Vatergüte und Treue ganz intensiv erfahren hat, so sehr, dass er sogar
noch im Sterben am Kreuz beten konnte: „Abba, Vater, in deine Hände
lege ich mein Leben.“
So gesehen
verwundert es nicht, dass Josef unter anderem auch als Schutzpatron
aller Familienväter ausgewählt worden ist. Nicht nur das. Der heilige
Josef ist meines Erachtens ein Geschenk für die ganze Kirche und für uns
alle. Und wie Jesus ihm als Vorbild und Beschützer viel zu verdanken
hat, so mag er auch uns ein leuchtendes Beispiel sein und uns führen und
begleiten.
Zum
Schluss ein Gebet zum heiligen Josef von Papst Franziskus:
Sei
gegrüßt, du Beschützer des Erlösers
und
Bräutigam der Jungfrau Maria.
Dir hat
Gott seinen Sohn anvertraut,
auf dich
setzte Maria ihr Vertrauen,
bei dir
ist Christus zum Mann
herangewachsen.
O
heiliger Josef,
erweise
dich auch uns als Vater
und
begleite und führe uns
auf
unserem Lebensweg.
Erwirke
uns Gnade, Barmherzigkeit und Mut
und
beschütze uns vor allem Bösen.
Amen
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