1978 war
das 3-Päpste-Jahr. Papst Paul VI. starb.
Als sein
Nachfolger wurde Albino Luciani, Johannes Paul I. gewählt, der „lächelnde Papst“. Er war allerdings nur 30 Tage im Amt. Nach seinem
überraschend schnellen Tod wählten die Kardinäle Karol Wojtyla, den 56jährigen
Erzbischof und Kardinal von Krakau, zum Papst, einen
dynamischen und sportlichen Typ.
Das
Sensationelle aber war, dass nach fast fünf Jahrhunderten zum ersten Mal
ein Nicht-Italiener gewählt wurde, dazu aus Polen, ein Papst aus dem
Osten und der erste slawische Papst überhaupt. Fast 30 Jahre, eine ganze
Generation, lenkte er die Geschicke der Kirche. Es war das zweitlängste
Pontifikat der Kirchengeschichte.
Ein Satz
aus seiner Antrittspredigt hat sich mir ganz tief eingeprägt: „Habt
keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für Christus!“ –
Diese Worte, die er den Gläubigen und der ganzen Welt zurief, habe ich
nie vergessen. Und ich finde: diese Worte sind heute so aktuell wie
damals: „Habt keine Angst! Öffnet, ja reißt die Tore weit auf für
Christus!“
Christus
in alle Welt tragen, weil er der Erlöser der Menschheit ist, das sah
Johannes-Paul II. als seine Hauptaufgabe an. Darin sah er auch den Auftrag
der Kirche. Wie ein zweiter Paulus war er rastlos unterwegs, um das
Evangelium aller Welt zu verkünden und Christus präsent zu machen.
Johannes-Paul II.
ging auf die Menschen zu und scheute auch nicht das Bad in der Menge. Er
versammelte große Menschenmengen in allen Kontinenten. Über hundert Mal
reiste er ins Ausland und legte dabei 1, 2 Millionen Kilometer zurück,
weswegen er auch der „eilige Vater“ genannt wurde.
Es gibt
wohl kaum einen Zeitgenossen, dem so viele Menschen begegnet sind wie
Johannes-Paul II. Unzähligen hat er die Hände geschüttelt, hat mit ihnen
gesprochen, mit ihnen gebetet und sie gesegnet. Dabei ging es ihm nicht
um Popularität oder um sein eigenes Image. Es ging ihm um den Menschen,
weil es ihm um Gott ging.
Johannes-Paul II. verfasste 15 Enzykliken und unzählige apostolische Schreiben
und Botschaften. Täglich hielt er zwei bis vier Reden, etwa 900 pro
Jahr.
Er
empfing während seines Pontifikats 890 Staats- und Regierungschefs,
berief 15 Bischofssynoden ein und nahm ca. 1.800 Selig- und
Heiligsprechungen vor. Auch eine Art Weltrekord!
Er
forcierte die Einheit der Christen und die Zusammenarbeit der
Religionen. 1986 lud er Vertreter der Religionen zum interreligiösen
Weltfriedensgebet nach Assisi ein. – In Damaskus betrat er als erstes
Katholiken-Oberhaupt eine Mosche. Als erster Papst betrat er eine
Synagoge. Sein Gang zur Jerusalemer Klagemauer im Jahr 2000 war ein
Meilenstein in der Beziehung zwischen Kirche und Judentum.
Politiker
aller Couleur achteten ihn als Mittler und Mahner für Frieden und
Gerechtigkeit. Er redete Pinochet, dem Diktator Chiles, genauso ins
Gewissen wie Fidel Castro in Kuba.
Als er
1979 zum ersten Mal sein Heimatland Polen besuchen wollte, erhielt er
von den Kommunisten die Auflage, auf alle politischen Äußerungen zu
verzichten. Deswegen herrschte vor der Reise Anspannung und Angst.
Johannes Paul II. hielt sich an die Auflage.
Am Abend
vor Pfingsten betete er mit Millionen in Warschau die Pfingstvigil. Die
Bitte an den Heiligen Geist lautete: „Komm, heilige Geist, und erneuere
das Antlitz der Erde!“ – Karol Wojtyla ergänzte nur zwei Worte, aber
diese mit Nachdruck: „…erneuere das Antlitz der Erde – dieser Erde!“
– Die Wirkung dieser Worte war unglaublich. Die Menschen, die gekommen
waren, verloren die Angst vor Polizei, Militär und Geheimdienst. Ab
diesem Zeitpunkt fühlten sich die Menschen stark. Und es war die
Staatssicherheit, die unsicher wurde. Johannes-Paul II. stärkte der
Arbeiterbewegung Solidarnosc den Rücken. Selbst Gorbatschow bestätigte
später, dass der Papst aus Polen maßgeblich zum politischen Umschwung in
Osteuropa beigetragen habe.
Wie sehr
er den Ostblock-Mächtigen im Wege war, zeigte sich am 13. Mai 1981, als
auf dem Petersplatz ein Attentat auf ihn verübt wurde. Bis heute gilt
als sicher, dass die Auftraggeber an den Machtzentralen des damals
kommunistischen Ostblocks zu suchen sind.
Höhepunkt
im Pontifikat Johannes-Pauls II. war ohne Zweifel das Heilige Jahr 2000
mit rund 30 Millionen Rompilgern. In diesem Jahr bat er auch um
Vergebung für alles Unrecht, das im Namen des Christentums begangen
worden war.
Johannes-Paul II. hatte ein Herz für die Jugend. 1984 führte er die
Weltjugendtage ein, Feste der Begegnung im Glauben. Jugendliche aus
aller Welt treffen sich, reden, beten und feiern miteinander.
Johannes-Paul II. imponierte mit seiner Tatkraft, seinem Charisma, seiner
Ausstrahlung. Und zuletzt beeindruckte er in seiner Krankheit, in seinem
Leiden. Mit innerer Anteilnahme begleiteten viele Menschen – auch
Nichtchristen – das Sterben dieses großen Papstes.
Während
seiner langen Leidenswochen, besonders aber in den letzten Lebenstagen,
war an ihm beispielhaft zu sehen, mit welcher Würde ein Mensch seinen
Weg – bei aller Hinfälligkeit, Schwachheit und Hilflosigkeit – zu Ende
gehen kann, wenn der Glaube ihn trägt und hält. Johannes-Paul II. war
bis zuletzt und zutiefst vom Vertrauen auf Gottes Güte und
Barmherzigkeit erfüllt.
Als er
schließlich am 2. April 2005 starb – am Vorabend des von ihm
eingeführten Sonntags der Barmherzigkeit – da war allen bewusst: Eine
der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit hat die Welt verlassen.
Scharen von Menschen pilgerten nach Rom. Kilometer lange Schlangen,
Stunden langes Anstehen vor seinem Sarg, ein endloser Strom von
Menschen, die dem verstorbenen Papst die letzte Ehre erweisen wollten.
6 Jahre
nach seinem Tod wurde Johannes-Paul II. selig gesprochen. Sein
Nachfolger Benedikt XVI leitet persönlich die Feierlichkeiten. Als
liturgischer Gedenktag wurde der 22. Oktober festgelegt, der Tag seines
Amtsantritts 1978.
Was war das Geheimnis dieses Jahrhundert– ja vielleicht sogar
Jahrtausendpapstes?
„Hingabe bis zum letzten Augenblick“,
so betitelte der L’ Osservatore Romano das Sterben des Papstes und hat
damit meines Erachtens das Geheimnis dieses Papstes zutiefst erfasst.
Es war „Hingabe bis zum Letzten“, die sich in seinem Pontifikat zeigte,
sowohl in den Tagen seines kraftvollen Anfangs als auch – ja vielleicht
noch mehr – in den letzten Jahren seiner schweren Parkinsonerkrankung
und seiner zunehmenden Gebrechlichkeit.
„Hingabe bis zum Letzten“.
Das machte Johannes-Paul II. bereits deutlich durch seinen Wahlspruch:
„Totus tuus – Ganz der Deine“.
„Totus tuus“
– das wollte er sein für für Jesus Christus und die Gottesmutter.
„Totus tuus“ – das wollte er sein als Stellvertreter Christi für die
ihm anvertrauten Menschen. |