Der Gedenktag des heiligen Irenäus führt uns
weit in die frühe Zeit des Christentums zurück, in die Anfänge der
Kirche.
Irenäus stammt aus Kleinasien. Er wurde
aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 135 und 140 in Smyrna (der
heutigen Stadt Izmir in der Türkei) geboren. In seiner Jugend war er ein
Schüler des heiligen Polykarp, der seinerseits noch den Apostel Johannes
kannte.
Über Polykarp berichtet Irenäus: „Seine Worte
habe ich durch die Gnade Gottes damals mit Eifer aufgenommen; nicht auf
Papier, sondern in mein Herz habe ich sie eingetragen, ich erinnere mich
durch die Gnade Gottes auch immer wieder genau daran.“
Der Name Irenäus kommt aus dem
Griechischen und heißt auf deutsch „der Friedliche“. Und in der Tat war
Irenäus ein Mann des Friedens. Sein Name war gleichsam Programm.
Mehrfach ist es ihm gelungen durch seine Interventionen, sein
Verhandlungsgeschick und seine Integrationskraft kirchliche
Streitigkeiten beizulegen und Frieden und Versöhnung zu bewirken.
Irenäus hat also seinem Namen alle Ehre gemacht.
Auch wenn Irenäus in Kleinasien gebürtigt
war, so lag der Schwerpunkt seines Lebens und Wirkens doch nicht dort,
in seiner kleinasiatischen Heimat, sondern weit entfernt im römischen
Gallien, und zwar in der Stadt Lyon.
Wann sich Irenäus dorthin begab, ist
nicht bekannt. Er folgte wohl einer Reihe seiner Landsleute, die auf
alten Handels- und Verkehrswegen als Kaufleute ausgewandert sind und
sich in Lyon niedergelassen hatten, wo sich eine christliche Gemeinde
bildete. Pothinus, der greise Bischof dieser Gemeinde, nahm Irenäus mit
Freude auf und weihte ihn zum Priester.
Im Jahr 177 brach plötzlich eine grausame
Verfolgung über die Christen von Lyon herein. Bischof Pothinus wurde
eingekerkert, viele Gemeindemitglieder gefoltert und misshandelt, 48
starben als Märtyrer.
Irenäus selbst entging wohl nur deshalb
dem Tod, weil er von Bischof Pothinus zum Papst nach Rom geschickt
wurde, um im Montanistenstreit (Auseinandersetzung mit einer
kleinasiatischen Irrlehre) zur Milde zu mahnen. Seine Vermittlung hatte
Erfolg.
Als Irenäus wieder nach Lyon
zurückgekehrt war, wählte ihn die stark zusammengeschrumpfte Gemeinde
zum Nachfolger von Bischof Pothinus, der 90 jährig im Gefängnis
gestorben war.
Bei allen drohenden neuen Verfolgungen
trieb Irenäus die Missionierung Galliens voran und gründete in
Frankreich eine ganze Reihe neuer Christengemeinden.
Im Jahr 190 machte Irenäus eine zweite
Reise nach Rom. Diesmal ging es darum, Frieden zwischen Papst Viktor und
kleinasiatischen Bischöfen zu stiften, die wegen des Ostertermins
miteinander in erbitterten Streit geraten waren – eine Sache, die uns
heute nebensächlich erscheint – damals aber die westliche und östliche
Kirche zu zerreißen drohte. Papst Viktor spielte nämlich mit dem
Gedanken, die kleinasiatischen Gemeinden aufzugeben, sie also zu
exkommunizieren.
Irenäus warnte vor unnötiger Rechthaberei
und Uniformismus.
Er ersuchte den Papst, im Namen der
gallischen Brüder nicht ganze Teile der Kirche auszuschließen, nur weil
sie andere Bräuche hatten. Irenäus war der Meinung, Unterschiede in der
kirchlichen Praxis dürfe es ruhig geben. Sie können toleriert werden,
nicht aber Unterschiede in der Verkündigung.
Seine Intervention hatte wiederum Erfolg.
Bald kam es zu einer endgültigen Versöhnung der streitenden Parteien.
In seinem Werk „adversus haereses“, gegen
Häresien (Irrlehren) setzt sich Irenäus kritisch mit einer
einflussreichen Zeitströmung, der Gnosis, auseinander und
versucht sie zu widerlegen.
Dieses Werk war damals weit verbreitet
und wurde bald in verschiedene Sprachen übersetzt, nicht zuletzt auch
ins Armenische und Syrische.
Die Gnostiker wollten den christlichen
Glauben in „Erkenntnis“ (Gnosis), d. h. in geistreiche Spekulation
auflösen. Ihnen gegenüber betont Irenäus den katholischen Grundsatz von
der „Überlieferung“ (Tradition): Zu glauben ist das, was in allen
katholischen Gemeinden unvermindert und unverändert seit der Zeit der
Apostel als christliche Lehre von einer Generation zur anderen
weitergegeben wird.
Als einer der ersten Kirchenväter spricht
Irenäus auch von der Vorrangstellung der römischen Kirche.
In einem anderen – erst 1904 wieder
entdeckten – Buch begründet er die Wahrheit des Evangeliums aus Texten
des Alten Testaments. Auch Briefe sind von ihm erhalten. Damit bekommen
wir ein lebendiges Bild von dem Mann, den Theodoret das „Licht der
abendländischen Kirche“ nannte.
Über die Grenzen seiner Diözese und
seiner Zeit hinaus ist Irenäus berühmt durch die erste uns bekannte
Gesamtdarstellung des christlichen Glaubensgutes. Man kann sagen, dass
er der erste große Theologe der Kirche ist.
Allerdings ging es Irenäus in erster
Linie nicht um Wissenschaft, sondern um das Heil der ihm Anvertrauten.
Alles, was Irenäus schrieb, schrieb er für die christliche
Glaubensunterweisung. Das seelsorgliche Interesse und die gefährdete
Einheit der Kirche standen bei ihm im Vordergrund.
Irenäus wirkt durch seine theologischen
Werke über den Tod hinaus in der Kirche und in der Theologie weiter.
Er selbst tritt so sehr hinter seinen
Schriften zurück, dass sich die letzten Jahre seines Lebens im Dunkel
verlieren.
Er wird als Märtyrer verehrt. Allerdings
ist nicht genau zu klären, ob er sein Leben durch den Märtyrertod
beschloss oder nicht.
Irenäus, ein Bischof und Theologe, dem
die Weitergabe des Glaubens und die Einheit der Kirche ein zentrales
Anliegen war. Der bereit war, um der Einheit willen Kompromisse zu
schließen, nicht auszuschließen, sondern zu integrieren und Vielfalt in
der Einheit zuzulassen. Der aber auch Stellung bezog und Flagge zeigte,
wo es um die Verkündigung des Glaubens und seine unverzichtbaren Inhalte
ging.
Bedeutende Gestalten kann man nicht
nachahmen, imitieren. Aber sie können uns Wegweiser sein, Impulse geben,
und uns die Richtung zeigen für unser Suchen und Fragen, für unser Leben
in Kirche und Welt.
Dies alles im Sinne des Tagesgebetes am
Fest des heiligen Irenäus, das folgendermaßen lautet:
„Gott der Wahrheit und es Friedens,
mit aller Kraft hat der heilige Irenäus
die wahre Lehre verteidigt, und der Kirche den Frieden erhalten. Auf
seine Fürsprache erneuere in uns den Glauben und mache uns bereit,
Frieden und Eintracht zu fördern. Darum bitten wir durch Jesus Christus,
unseren Herr. Amen"
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