Exerzitien mit P. Pius

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Du bist voll der Gnade

 

Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (8. Dezember)

 

 

Liebe Schwestern und Brüder, Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

„Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. So lautet der offizielle Titel des heutigen Festes. – Wissen Sie, wie man es auch nennen könnte? Ganz einfach: „Mariä Erwählung“. Bereits im ersten Augenblick ihres Daseins hat Gott Maria erwählt. Er hat sie vor der Macht des Bösen bewahrt und mit Gnaden erfüllt. Maria ist der Mensch „voll der Gnade“. Beim Evangelisten Lukas heißt es: „Sie hat Gnade gefunden bei Gott“.

 

Liebe Mitchristen!

Das Wort „Gnade“ ist uns fremd geworden. Das Wort „gnadenlos“ ist uns geläufiger. Wer möchte schon von der Gnade anderer abhängig sein? Oder auf Gnad und Verderb jemandem ausgeliefert? Wir wollen selbständig sein, frei und unabhängig. Wir wollen nichts geschenkt. Wir leisten schließlich etwas und fordern dafür, was uns zusteht. Wir arbeiten und erhalten unseren Lohn. Wir möchten nicht auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Der moderne Mensch ist autonom, unabhängig.

 

Erich Kästner beschreibt das so:

Wird man unser Jahrhundert eines Tages als eines beschreiben, das nichts mehr geschenkt haben wollte? Ein Jahrhundert, das für Geschenke zu stolz war? Ein Jahrhundert, das alles selbst machte, selbst herstellte, so dass Gläubige nicht mehr wussten, wofür sie danken sollten? – Denn was berechnet und bezahlt, was geleistet und geliefert wird, lässt uns kühl. – Eine Lebensrechnung, die sich nur auf Leistung und Verdienst stützt, geht nicht auf. Sie ist gnadenlos. Erfahrene Güte aber macht gütig.“

 

Wir leisten etwas, wir arbeiten, wir fordern unseren Lohn, wir werden bezahlt und bezahlen. Wir wollen nichts geschenkt. Denn jede Form von Hilfe macht abhängig. Leben wir also gnadenlos?

Wer leistungsstark ist, wer fest im Sattel sitzt, wer alles im Griff hat, der beteuert: „Ich brauche keine Hilfe!“ Er setzt auf Erfolg und positive Bilanzen. Ist nicht jeder seines Glückes Schmied?

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Man hat den modernen Menschen den „Homo Faber“, den „Macher“ genannt. – Wir sind mächtig geworden und können fast alles. Geht nicht, gibt’s nicht! Dabei stellen wir uns selbst unter Leistungszwang.

 

Was fürchtet der Mensch heute? – „Ja kein Leistungsabfall!“ Vom Berufs- bis hin zum Privatleben: „Nur ja kein Leistungsabfall!“

So werden Vitaminpräparate und Pillen geschluckt, um in Form zu bleiben, um mithalten zu können. – Ob eine solche Rechnung aufgeht, die auf Gnade verzichtet?

 

Wir wollen allein über die Runden kommen. Der heutige Mensch emanzipiert sich vom Mitmenschen. Er emanzipiert sich auch von Gott. „Was brauchen wir Gott“, denken viele. „Geht es nicht auch gut ohne ihn?“ Wir haben es weit gebracht ohne ihn. Aus dem Neandertaler, der seine Steinaxt schwingt, ist ein hochqualifizierter Facharbeiter und Wissenschaftler geworden, der Flugzeuge, Raketen und Computer baut. Wir haben IT-Spezialisten und Experten auf allen Gebieten. Was brauchen wir da noch Gott?

 

Diese Einstellung beschreibt Rudolf Ott Wiemer in einem Gebet.

Das Gebet eines Zeitgenossen:

„Hör dir das an, Gott, ich will heute mit dem Auto unterwegs sein, morgen schließ ich den Kaufvertrag ab, das neue Haus wird in zehn Monaten stehen, dann ziehen wir ein, machen das zweite Kind, schicken die erste zur Schule, das Geschäft wird vergrößert, den Kompagnon schmeiß ich raus, kaufe das restliche Aktienpaket, übernehme den Vorsitz in der Waschmittelgesellschaft, wechsle die Freundin, der Bungalow im Tessin ist fällig, die Gören springen mir von der Tasche, die Frau hat eine Operation, ich bin Generaldirektor, vielleicht Prostata, gut, wird repariert, man ist sechzig, Konzern gesund, rapide wächst das Grundkapital, glänzende Aussichten für die nächsten zehn Jahre, was sag ich, für zwanzig – hör dir das an, Gott, und komm mir nicht dazwischen.“

 

Ich mache, ich schaffe, ich repariere, ich sichere ab. Alles im Griff! Glänzende Aussichten! Und Gott? Der soll ja nicht dazwischenkommen.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Mein Eindruck ist: Der Zweifel nagt heute an dieser selbstherrlichen Einstellung. Die Generation der „Macher“ stößt an ihre Grenzen. Ein Beispiel: die Corona-Pandemie! Von wegen „alles im Griff“! Über 100.000 Tote in Deutschland, Millionen weltweit. Operationen werden verschoben. Zig Krankentransporte in andere Bundesländer. Triageteams entscheiden über Leben und Tod. Oder ein Blick nach Afghanistan, zur belarussisch-polnischen Grenze, zum Mittelmeer, wo Tausende jährlich ertrinken. „Alles im Griff?“ „Alles im grünen Bereich?“ „Wir machen das schon?“ Und im privaten Bereich, ist es da anders? Eine unheilbare Krankheit wie aus heiterem Himmel, eine Freundschaft geht in Brüche, Verkehrsunfall, Tod eines jungen Familienvaters.

Ja, eine Lebensrechnung, die auf die Machbarkeit aller Dinge setzt, geht nicht auf, denn sie ist letztlich gnadenlos.

 

Noch mal Erich Kästner: „Wird man unsere Zeit eines Tages als eine beschreiben, die nichts mehr geschenkt haben wollte? Eine Zeit, die zu stolz ist für Geschenke, zu stolz für die Gnade?“

 

Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

Das Gegenbeispiel zu einem gnadenlosen Lebensstil sehe ich in Maria. Weil sie offen ist für den Anspruch Gottes, weil sie nicht nur auf die eigene Leistung baut, weil sie mit Gott rechnet und ihm etwas zutraut, deshalb kann sie der Mensch „voll der Gnaden“ sein. Seit Jahrhunderten stimmen Christen in Ost und West, in Nord und Süd ein in den Gruß des Engels: „Gegrüßet seist du, Maria, du bist voll der Gnade.“

 

„Eine Lebensrechnung, die nur auf Leistung und Verdienst setzt, sie geht nicht auf“, sagt Erich Kästner. „Erfahrene Güte aber macht gütig.“ – Dieses Wort lenkt uns auf Maria, die Mutter mit dem gütigen Herzen. Heute schauen wir auf sie, die ganz Reine, die Makellose, die „All-Heilige“, wie sie die Ostkirche nennt.

 

Für mich ist Maria die Alternative zum Homo Faber, zum Macher und Leistungstyp. – Da ist ein Mensch, der nicht seines eigenen Glückes Schmied ist, einer, der nicht aus eigener Leistung sein Glück schafft, sondern da ist eine, die offen ist, aufnahmebereit, ganz Empfänglichkeit. Da ist eine, die sich beschenken lassen kann. – Denn so beginnt ihre Geschichte: Sie kreist nicht um sich selbst. Ihr geht es nicht um Erfolg und tolle Bilanzen. Ihr geht es nicht darum oben zu sein, am Drücker zu sein und den Ton anzugeben. Sie hört auf Gott, sie ist bereit zu tun, was Gott von ihr will – auch wenn sie vieles nicht versteht, auch wenn die Zukunft im Dunkeln liegt. Maria glaubt und vertraut.

 

„Mir geschehe nach deinem Wort“, das ist die Grundmelodie ihres Lebens. So beginnt die Geschichte unserer Erlösung. Eine Frau kniet nieder und in der letzten Bereitschaft ihres Herzens sagt sie „fiat“ – „mir geschehe!“ – Sie tut nichts, sie leistet nichts. Sie lässt geschehen, sie empfängt das Wort Gottes. Wie eine offene, leere Schale, ganz bereit, sich füllen zu lassen mit der Geistkraft von oben, sich füllen zu lassen von der Gnade. „O Maria, Gnadenvolle…“ singen wir in einem Lied. Nicht gnadenlos, sondern voll der Gnade. So steht Maria vor uns.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Wer glaubt und auf Gott vertraut, erfährt den überfließenden Reichtum seiner Gnade. Denn aus Gnade sind wir gerettet, nicht aus eigener Kraft. Gott hat es geschenkt. Wer glaubt, weiß, dass er nicht mit eigenen Leistungen vor Gott glänzen kann und es auch nicht muss. Gott liebt die leeren Hände und das bereite Herz.

 

Liebe Wallfahrerinnen und Wallfahrer!

Ich möchte Sie und mich ermuntern, in der restlichen Adventszeit daran zu denken, dass wir nicht ständig „glänzen“ müssen. Wenn wir nur auf eigene Leistung und eigenen Verdienst setzten, kann unser Streben gnadenlos werden. Bitten wir um die Einsicht, dass das Wichtigste im Leben Geschenk ist. Denn alles ist Gnade.

 

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