Thomas
von Aquin sagt einmal: „Heiligkeit besteht
nicht darin, viel zu wissen. Das ganze Geheimnis der Heiligkeit ist:
viel zu lieben.“
Wenn das stimmt, dann ist Elisabeth eine
ganz große Heilige.
Elisabeth
hat ernst gemacht mit der Liebe. Sie hat ernst gemacht mit dem Wort
Jesu: „Was ihr einem der
geringsten meiner
Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“
Danach
werden wir einmal gefragt, nach der Liebe.
Was endgültig zählt, was allein Gewicht
hat, wenn wir einmal vor Gott stehen, ist die Liebe, die Liebe, die dem
Menschen als Menschen begegnet, mitfühlend, hilfreich, ermutigend,
rettend und heilend.
Es ist die barmherzige Liebe, die Jesus
selbst an den Armen, Kranken und Ausgestoßenen geübt hat.
„Ich war hungrig, ich war
durstig, ich war krank, obdachlos und fremd ... und ihr habt es mir
getan.“
Ob ihr es gewusst habt oder nicht, ihr
seid mir begegnet. Mir habt ihr geholfen!
Liebe
Schwestern und Brüder!
Die
Brücke von Elisabeth zu uns, in die Gegenwart, die muss nicht mühsam
geschlagen werden. Sie drängt sich auf.
Noch
nicht einmal die Probleme haben sich geändert, eher noch verschärft.
Denn sie haben weltweite Dimension angenommen:
Massenarmut, Millionenhunger, vielfaches Elend, Vertreibung,
Unterdrückung, Gewalt, himmelschreiendes Unrecht.
Und wir
sind mit hinein verwickelt. Hunger und Armut sind ja nicht nur
Schicksal, sonder gemacht durch Ungerechtigkeit, durch Egoismus, durch
fehlende Solidarität, durch Versäumnisse, unterlassene Hilfe.
Außerdem,
liebe Schwestern und Brüder, wie viel Ratlosigkeit und Angst, wie viel
Einsamkeit und seelische Not auch hinter Wohlstandsfassaden?
Die Hungernden
sind nicht nur die, die ihre Hand nach einem Stück Brot ausstrecken,
sondern auch jene, die hungern nach Liebe und Angenommensein.
Nackt
sind nicht nur jene, die nichts zu Anziehen haben, sondern auch jene,
die aller menschlichen Würde entkleidet sind und die, die frieren in den
Betonwüsten unserer Städte.
Einsam und obdachlos
sind nicht nur jene, die kein Dach über ihrem Kopf haben, sondern auch
jene, die kein Dach über der Seele haben und denen die Obhut
menschlicher Wärme und Zuneigung und Anerkennung fehlt.
Elisabeth
hat die Not der Mitmenschen gesehen, nicht nur ihre leibliche, auch ihre
seelische.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Die
Bedeutung der Heiligen ist überzeitlich. Auch das Beispiel und Leben der
heiligen Elisabeth hat nichts an Aktualität eingebüßt.
Heute ihr Fest feiern,
das heißt, sich berühren und durchdringen lassen vom Geist, der diese
Frau erfüllt hat, der Geist des gelebten Evangeliums, der in die Praxis
umgesetzten Gesinnung Jesu.
Heute ihr Fest feiern,
das heißt, sich entzünden und anstecken lassen von ihrer Gesinnung der
Barmherzigkeit und Liebe.
Heute ihr Fest feiern,
das heißt., umkehren! Weg vom Kreisen nur um sich selbst, weg von der
Fixierung auf Eigeninteressen. Hinwendung zum Bruder, zur Schwester.
Teilen, Zeit haben, konkrete, praktische Liebe üben, helfen, wo Hilfe
nötig ist, wie der barmherzige Samariter. „Geh
hin und tu des gleichen!“
Nicht nur
reden über Solidarität, sondern Tun der Solidarität.
Denn: „Es geschieht nichts Gutes, außer man tut es.“ (E. Kästner)
Bei einem Besinnungswochenende
habe ich einmal ein modernes Franziskusbild gezeigt.
Am Ende
der Bildbetrachtung sagte eine Teilnehmerin:
„Auf
mich wirkte Franziskus wie wenn er fragen würde: Und du?“
Liebe
Schwestern und Brüder!
Ist
das nicht die Frage der Heiligen: Und du? Was
ist mit dir?
Spüren
wir, wie die heilige Elisabeth herausfordert, uns anfragt, vielleicht auch
in Frage stellt?
Natürlich
können wir uns abwenden. Aber dann wenden wir uns letztlich vom
Evangelium ab, denn die Heiligen sind „lebendige Kommentare zum
Evangelium“.
Die Welt braucht Menschen wie Elisabeth,
die den Mut haben, sich auf die Zumutung des Evangeliums einzulassen.
Die Welt braucht Menschen, die sich dem Wagnis der Liebe aussetzen.
Und so rufen wir:
Heilige Elisabeth, komm wieder!
Komm
wieder mit deinem Korb, mit deinem Brot, mit deinen Rosen!
Komm
wieder in Menschen, die gesinnt sind wie du, die handeln wie du, die
leben wie du.
Komm
wieder! Und wir fügen zögernd hinzu: in uns.
Sporne
uns an, ermutige uns, beseele uns, ganz bewusst, ganz wach, ganz
intensiv und ebenso entschieden und konsequent wie du, mit unserem Leben
den Spuren des Evangeliums zu folgen. Und nicht nur Christen zu heißen,
sondern es auch zu sein.
Liebe Mitchristen!
Die
heilige Elisabeth ruft uns zur Liebestat.
Es müssen aber nicht immer Heldentaten
sein. Kaum einer von uns wird großartige Dinge mit ans andere Ufer
nehmen. Aber auch die kleinen Gesten zählen.
Ein Text
von Albert Schweitzer, dem Urwalddoktor von Lambarene kann uns die
Richtung weisen:
„Tut
die Augen auf und sucht, wo ein Mensch ein bisschen Zeit, ein bisschen
Teilnahme, ein bisschen Freundlichkeit braucht. Vielleicht ist es ein
Einsamer, ein Verbitterter, ein Kranker, dem du etwas sein kannst.
Vielleicht ist es ein Kind oder ein Greis. Such dir ein Nebenamt, in dem
du dich als Mensch am Menschen gibst. Es ist dir eines bestimmt, wenn du
es nur richtig willst.“
Der französische Philosoph Maurice Blondel schreibt in einem Brief:
„Ich ging mitten in Paris über eine der belebtesten Straßen. Es war
Nachmittag. Plötzlich stand ein kleines Mädchen vor mir, mit einem etwas
abgetragenem Kleid, einer laufenden Nase und einem rührend unbeholfenen
Blick. Ohne Scheu sah das Kind zu mir auf und sagte: „Bitte, mach mir
meine Schuhe zu!“ – Wie auf Befehl kniete ich mich hin und knotete die
Schnürsenkel. Als ich aufschaute, war das Kind schon wieder
verschwunden. – Ich kniete immer noch auf der Straße. Die Leute schauten
mich an: ein erwachsener Mann am helllichten Nachmittag kniend auf dem
Laufsteg. Langsam erhob ich mich. Und unwillkürlich musste ich an die
Bibelstelle denken: Da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten
IHN.“
(Lk 24)
Oft ist
Liebe in kleiner Münze das einzig mögliche. Helfen, so gut man
kann, Zeit haben, zuhören, Verständnis zeigen, sich nicht ärgern, Geduld
haben, ruhig bleiben, freundlich sein: das heißt den Nächsten lieben,
ohne große Worte, aber in der Tat.
Wie
gesagt: „Es geschieht nichts Gutes, außer man
tut es!“
Ein
Weiser wurde gefragt, welches die wichtigste Stunde sei, die der Mensch
erlebt, - welches der bedeutendste Mensch, der ihm begegnet – und
welches das notwendigste Werk sei.
Die
Antwort: Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Der bedeutendste
Mensch ist immer der, der mir gerade gegenübersteht. Und das wichtigste
Werk ist immer die Liebe.
Wonach
wir am Ende unseres Lebens einmal gefragt werden ist die Liebe. Allein
die Liebe zählt.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Fast 800
Jahre trennen uns von Elisabeth. Doch ihre Gestalt hat nichts an
Strahlkraft verloren. Ihr Leben und Wirken ist und bleibt aktuell und
beispielhaft. Elisabeth zeigt uns die Richtung. Sie zeigt uns den Weg.
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