„Ecclesia
semper reformanda“ = „Die Kirche ist immer reformbedürftig“,
so lautet
eine jahrhundertealte Wahrheit.
Zur
Erneuerung der Kirche haben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder auch
Ordensgründer Großes beigetragen.
So auch
der heilige Dominikus, dessen Gedenktag die Kirche heute feiert.
Dominikus
war ein Zeitgenosse des heiligen Franziskus.
Der eine
Spanier, geboren 1170 in Calaruega, Kastilien.
Der
andere Italiener, geboren 1182 in Assisi, Umbrien.
Beide
haben in ihrem Leben und in ihrem Werk eine Antwort gegeben auf die Nöte
der Kirche in ihrer Zeit und haben so, jeder auf seine Weise, viel und
entscheidendes für die Erneuerung der Kirche getan.
Franziskus und Dominikus sind sich im Frühjahr 1217 in Rom begegnet. Was
die beiden Ordensgründer bei diesem Treffen gesprochen haben, ist nicht
überliefert.
Fra
Angelico hat die Begegnung auf einem bekannten Tafelbild festgehalten.
Es zeigt die beiden Männer in der Tracht ihres jeweiligen Ordens in
brüderlicher Umarmung.
Während
Franz von Assisi bis heute weit über seine Gemeinschaften hinaus
strahlt, scheint Dominikus hinter sein Werk zurückgetreten zu sein.
Während die Pilger zuhauf nach Assisi strömen und man in San Francesco,
der Grabeskirche des heiligen Franziskus, auf eine Heerschar von Wallfahrern,
Touristen und Kunstliebhabern trifft, so kann man in der Kirche San
Domenico in Bologna gewöhnlich in großer Stille am Grab des heiligen
Dominikus beten.
Der heilige
Dominikus ist nie zum großen Volksheiligen geworden.
Nur
wenige Legenden und Wundergeschichten berichten von seinem Leben.
Dominikus
entstammte einer adligen Familie und wurde, dank der Unterstützung eines
Onkels, der Priester war, in einer bekannten Schule in Palencia
ausgebildet.
Während
seines Studiums brach eine große Hungersnot aus.
Da
verkaufte Dominikus all sein Hab und Gut, darunter auch die für ihn so
kostbaren Bücher, um von dem Erlös den Notleidenden zu helfen. Als man
ihm dies vorwarf, war seine Antwort:
„Wie
könnte ich in diesen toten Büchern studieren, wenn ich weiß, dass
lebende Menschen am verhungern sind?“
Nach
seinem Studium wurde Dominikus zum Priester geweiht und trat dem
Domstift zu Osma (Nordspanien) bei.
Zwei
Reisen durch Europa mit seinem Bischof Diego im Auftrag des Königs von
Kastilien erweiterten seinen Horizont und wurden entscheidend für sein
weiteres Leben.
Dominikus
erkannte zwei Herausforderungen für die Kirche seiner Zeit: die noch
nicht evangelisierten Völker an den nördlichen Grenzen des europäischen
Kontinents und die religiöse Zerrissenheit, die vor allem in
Südfrankreich das kirchliche Leben schwächte. Dort war die Einheit der
Kirche durch verschiedene Häresien (Irrlehren), die sich weit verbreitet
hatten, stark bedroht.
Bischof
Diego und Dominikus gingen zum Papst, um angesichts der Situation und
der Erfahrungen, die sie gemacht hatten, um Rat zu fragen. Dieser bat
Dominikus, sich der Verkündigung bei den Albigensern und Katharern zu
widmen. Diese radikalen Armutsbewegungen gewannen weite Teile der
Bevölkerung für sich, weil sie durch Wanderpredigt und strenge Askese
den Menschen überzeugend und glaubwürdig erschienen.
Die
Albigenser und Katharer liebten das arme und einfache Leben – in diesem
Sinne waren sie sogar vorbildlich – und kritisierten den Reichtum der
Kirche. Mit ihrem radikalen Verzicht auf jeglichen Besitz lebten sie
eine glaubhafte Alternative für viele Christen.
In der
Bekehrung der Anhänger dieser Irrlehren fand Dominikus seine
Lebensaufgabe, der er sich mit Feuereifer widmete.
Er sah
die hilflosen Versuche der päpstlichen Legaten, die wie hohe Herren
daher kamen und mit großem Gefolge auftraten, um die Auseinandersetzung
mit den Irrlehrern und ihren Sympathisanten zu suchen. Er erkannte, dass
die Kirche anders vorgehen muss, um mit ihrer Glaubensverkündigung bei
den Katharern und Albigensern Erfolg zu haben. Sie selbst muss zur
apostolischen Armut zurückkehren. Nur so war es möglich, den Irrlehrern
glaubwürdig entgegenzutreten.
So begab
sich Dominikus selbst als armer und einfacher Prediger auf Wanderschaft,
durchzog das Gebiet der Katharer und Albigenser, um durch Wort und
Beispiel den wahren Glauben zu verkünden und zu bezeugen. Er suchte die
Kritischen und Distanzierten auf und setzte sich in Religionsgesprächen
mit ihnen auseinander. Anfeindungen und Misserfolge machten ihn nicht
mutlos.
Allerdings wusste er, dass er alleine nur wenig ausrichten konnte. Daher
sammelte er Männer um sich, die vom gleichen Geist wie er beseelt waren
und die sein Sendungsbewusstsein teilten.
So
entstand nach der ersten Gründung in Toulouse allmählich der Orden der
Predigerbrüder, die Dominikaner (1215).
Dominikus
gab der Gemeinschaft die Regel des heiligen Augustinus.
1216
erhielt der Orden die päpstliche Anerkennung.
Dominikus
baute die wachsende Gemeinschaft auf drei Säulen auf: Armut, Studium und
Predigt.
Armut
bedeutete für Dominikus, dass er und seine Gefährten nicht mit eigenem
Besitz und mit Ländereien den Lebensunterhalt bestreiten und sichern
wollten, sondern als arme Wanderprediger vom Betteln leben sollten,
weswegen die Dominikaner auch zu den Bettelorden gehören.
Dominikus
legte von Anfang an wert auf eine solide und gediegene Ausbildung. Das
Studium war für ihn jedoch nicht Selbstzweck, sondern Grundlage und
Voraussetzung für Predigt, Glaubensgespräche und die Neuevangelisierung
bei den vom wahren Glauben abgefallenen Christen.
In seinem
Einsatz für die Verbreitung seiner Gemeinschaft nahm Dominikus jede
Anstrengung und Entbehrung auf sich.
Beständig
wanderte er zwischen den einzelnen Niederlassungen in Frankreich,
Spanien und Italien hin und her.
Seinem
vielfach bezeugten Verständnis für Frauen und deren Religiosität
verdanken auch die Dominikanerinnen ihre Gründung.
Von einer
Darmkrankheit geschwächt, starb Dominikus am 6. August 1221 in Bologna.
1234 wurde er bereits heiliggesprochen.
In den
Jahrzehnten danach brachte sein Orden große Theologen hervor, wie z. B.
Albertus Magnus und Thomas von Aquin, die die geistige
Auseinandersetzung des Christentums mit den Strömungen der Zeit
nachdrücklich förderten und nachhaltig prägten.
Große
Gestalten christlicher Spiritualität waren auch die dominikanischen
Mystiker Tauler, Seuse und Meister Eckhart.
Der
Dominikanerorden wurde in den folgenden Jahrhunderten zu einer der
großen Erneuerungskräfte in der Kirche.
Ganz im
Sinne ihres Gründers haben die Dominikaner zu allen Zeiten viel zur
Verbreitung und Vertiefung des Glaubens beigetragen. Und tun es –
weltweit – auch heute noch.
Auf
Altarbildern und Kirchenfenstern ist der heilige Dominikus oft mit dem
Rosenkranz dargestellt, weil er diesen einer Legende zufolge in einer
Vision von Maria erhalten haben soll.
Wahr ist,
dass Dominikus eine große und innige Beziehung zu Maria, der Mutter
Jesu, pflegte und die Marienverehrung den Seinen als ein kostbares Erbe
hinterließ.
Zweifellos kommt den Dominikanern in der Geschichte der Kirche auch das
große Verdienst zu, das Rosenkranzgebet gefördert und verbreitet zu
haben, das vielen katholischen Christen lieb und das so reich an
evangeliumsgemäßen Werten ist – eine Schule des Glaubens und der
Frömmigkeit.
Zum
Schluss möchte ich kurz noch auf ein Leitwort des heiligen Dominikus und
seiner Predigerbrüder eingehen, das mir selbst viel bedeutet und das
allen, die christlich leben wollen, Orientierung sein kann.
Es lautet: „contemplari et
contemplata aliis tradere”.
Contemplari
meint: betrachten, meditieren, beten.
Contemplata
ist das Betrachtete, das beim Meditieren Erkannte bzw. beim Beten
Geschöpfte.
Aliis tradere
heißt: an andere tradieren, überliefern, weitergeben. Also: Empfangen
und Geben, Sammlung und Sendung.
Man kann
auch sagen: Mit Gott sprechen und von Gott sprechen. Oder: In der
Predigt, im Unterricht, in der religiösen Erziehung, im
Glaubensgespräch… die Frucht der eigenen Betrachtung mitteilen.
Weitergeben, was ich selbst zuvor durchdacht und im stillen Beten oder
schweigenden Dasein vor Gott durchmeditiert und betrachtet habe. Dazu
braucht es immer wieder Ruhe und Zurückgezogenheit gerade in unserer
schnelllebigen und lärmerfüllten Zeit.
„Contemplata
aliis tradere.“
Darin
erkannte der heilige Dominikus seine Berufung.
Das ist
aber ein – Richtung und Weg weisendes – Wort für alle, die aus dem
Glauben leben wollen und denen die Weitergabe des Glaubens, das
Glaubensbeispiel und das Glaubenszeugnis ein Herzensanliegen ist.
|