Das
heutige Evangelium erzählt uns die Berufung des Natanael.
Es
erzählt, wie dieser Bar-Tolomai (Bartholomäus), das heißt „Sohn des
Tolmai“ (Sohn des Furchenziehers) zu
Jesus gefunden hat und zum
Glauben an ihn gekommen ist. (Bartholomäus war wohl ein Beiname des Natanael.)
In Joh 1,
45 - 51 handelt es sich um eine Begegnungsgeschichte.
Sie lädt
uns ein, wieder neu und tiefer die Verbundenheit mit Jesus zu suchen und
mit ihm den Weg zu gehen, den Weg der Nachfolge – wie Natanael es getan
hat.
Natanael
war wahrscheinlich ein Schriftgelehrter oder Schriftgelehrtenschüler und
stammte aus Kana in Galiläa.
Noch
heute steht dort eine Kapelle zur Erinnerung an ihn.
Wir
wissen alle: Kana ist der Ort, wo Jesus bei einer Hochzeit sein erstes
Wunderzeichen gewirkt hat: die Verwandlung von Wasser in Wein. Kana
liegt keine zehn Kilometer von Nazareth entfernt.
Natanael
kennt Nazareth natürlich: ein Nest, wie er meint, unbedeutend,
vielleicht sogar ein wenig verrucht.
Unvorstellbar, dass von dort der Messias kommen sollte!
Außerdem:
Ist der zu erwartende Messias nicht ein Nachkomme Davids?
Muss er
nicht demzufolge aus Bethlehem kommen, der Stadt Davids, eine der
führenden Städte von Juda?
Natanael hat große Bedenken: „Aus Nazareth?“ fragt er darum
skeptisch, „kann von dort etwas Gutes kommen?“
Die
anderen Jünger sind dem Ruf des Herrn gefolgt, ohne viel nachzufragen
und ohne langes Zögern.
Natanael
ist ein nachdenklicher Typ, kritisch, ein Stück misstrauisch.
Doch
Philippus lädt ihn ein: „Komm und sieh!“
Überzeuge
dich selbst! Mach deine eigenen Erfahrungen!
Komm und
du wirst sehen, du wirst es selbst erleben.
„Kommt und seht!“
hatte Jesus selbst zu den ersten beiden Jüngern gesagt, die dem Hinweis
Johannes des Täufers gefolgt sind und hinter Jesus hergingen (vgl. Joh
1, 35ff.).
Mir fällt
auf: Philippus lässt sich auf keine Diskussionen ein.
Er
lädt einfach ein: „Komm und sieh!“
Er kennt
Jesus selbst noch nicht lange, aber er traut ihm schon viel zu.
Anscheinend ist er überzeugt: die Nähe Jesu, die Begegnung mit ihm, die
Gemeinschaft mit ihm, seine Worte, das wird die Vorurteile des Natanael
zerstreuen, das wird seine Bedenken auflösen und alle Zweifel schwinden
lassen.
Natanael
nimmt die Einladung des Philippus an. Er ist bereit zu Jesus zu gehen
und ihn kennenzulernen.
Vielleicht ist er auch nur neugierig oder er denkt: mal sehen! Schaden
kann´s nicht!
Und dann
macht er die große Überraschung:
Jesus
sieht Natanael auf sich zu kommen. Er macht ihm keine Vorwürfe wegen
seines Misstrauens. Er tadelt ihn nicht wegen seiner Skepsis. Nein, er
sagt zu ihm: „Da kommt ein echter Israelit, ein Mann ohne
Falschheit."
Das
heißt: da kommt ein würdiger Vertreter des Gottes Volkes, ein Mensch,
der das Herz auf dem rechten Fleck hat; einer der sagt, was er tut und
der tut, was er sagt; ein durch und durch ehrlicher Mann, der in der
Tiefe seines Herzens nach Gott sucht.
Als Jesus
dem Natanael sein Innerstes aufdeckt, da fragt dieser überrascht: „Woher kennst du mich?“
Natanael
ist betroffen: Wie kann Jesus ihn kennen?
Sie sind
sich doch noch nie begegnet. Wieso kann er ihm seinen Charakter auf den
Kopf zusagen?
Sie haben
doch noch nie ein Wort miteinander gesprochen.
Wieso
kennt dieser Jesus die Tiefen seines Herzens?
Ist er
doch mehr als nur der Sohn des Zimmermanns Josef aus Nazareth?
Da gibt
ihm Jesus noch einen Beweis seines göttlichen Wissens:
„Schon bevor dich Philippus gerufen hat, habe ich dich unter dem
Feigenbaum gesehen.“
Dort saß
Natanael wohl, als ihn Philippus aufstöberte und ansprach. Vielleicht
hat er dort ausgeruht, vielleicht in den heiligen Schriften gelesen,
vielleicht nachgedacht oder meditiert. Jedenfalls Jesus war nicht dabei.
Natanael
versteht: dieser Jesus verfügt über ein Wissen, über eine Erkenntnis,
die von Gott kommen muß.
Da
schwinden bei ihm Skepsis und Zweifel.
Der
Glaube bricht durch zum Bekenntnis:
„Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“
Da sagt
Jesus zu ihm: „Du wirst noch Größeres sehen!“
Das ist
noch gar nicht alles. Das ist erst der Anfang.
Und er
fügt die Verheißung hinzu: “Ihr werdet den Himmel offen sehen...!“
Das
Zeichen, dass sich der Himmel geöffnet hat, ist Jesus selbst, der „Menschensohn“, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, der
Abglanz des ewigen Vaters, in dem war und ist die Fülle der Gottheit und
alles Gute.
Natanael
ist einen Weg gegangen Jesus entgegen, äußerlich und auch innerlich,
einen Weg aus dem Misstrauen zum Vertrauen, von der Skepsis zum Glauben.
Entscheidend war, dass er sich eingelassen hat auf das „Komm und
Sieh!“ des Philippus.
„Komm und sieh!“
So wird
jeder von uns auch heute angesprochen – gerade auch der Zweifelnde und
Fragende.
Wir
dürfen unsere Zweifel und Fragen haben im Glauben wie Natanael oder auch
der Apostel Thomas.
Wir
dürfen sie auch äußern, darüber sprechen, offen aussprechen – wie die
beiden.
Es kommt
darauf an, dass wir nicht sitzen bleiben unter dem Feigenbaum unserer
Zweifel.
Wenn wir
trotzdem bereit sind, uns auf Jesus Christus in seiner Kirche
einzulassen und uns von ihm ergreifen zu lassen, sind wir auf dem Weg
und können zum Glauben finden und –wie Natanael – mit der Erfahrung
beschenkt werden: dieser Jesus ist der Sohn Gottes. Er kennt das Leben
jedes Menschen. Er kennt auch mich und mein Herz. Er ist mein Erlöser
und Heiland.
Wer sich
zu Jesus aufmacht, der bekommt keine Vorwürfe zu hören wegen seiner
Zweifel und seiner Skepsis.
Er erlebt
Offenheit, Zuneigung, er darf sich angenommen wissen trotz aller Schuld.
Wenn wir
auf Menschen treffen, die ihre Probleme mit dem Glauben haben, die – wie
Natanael – zunächst skeptisch sind, sollten wir nicht zu schnell
resignieren, diejenigen nicht abschreiben oder in eine Schublade stecken
Wir
können sie einladen, wie Philippus seinen Freund einlädt. Und sie so zu
Jesus führen.
Und er
sieht tiefer, er allein kennt das Innerste eines Menschen.
Und da
gibt es oft viel mehr Gutes, als wir manchmal glauben.
Wie wenig
wird das oft von den Mitmenschen geachtet und gefördert!
„Komm und sieh!“
So ruft
uns Natanael heute zu:
Lass dich
ein auf Jesus! Vertraue auf ihn! Lebe mit ihm!
Und eines
Tages wirst auch du den geöffneten Himmel erleben. |