Ein Hymnus im Stundenbuch stellt nüchtern
und sachlich fest:
„Tod und Vergehen
waltet in allem,
steht über Menschen,
Pflanzen und Tieren,
Sternbild und Zeit.“
Die Zeit vergeht, sie läuft immer weiter,
nichts und niemand kann sie aufhalten. Uhren kann man abstellen, aber
nicht die Zeit. Auch die Sternbilder, die am Himmel über uns kreisen,
sind ständig in Bewegung. sie kennen kein Ruhen, keinen Stillstand.
Pflanzen und Tiere: ihre Vergänglichkeit
springt uns gerade in diesen Spätherbsttagen in die Augen, wenn die
Bäume ihr buntes Laub abwerfen und die letzten Herbstblumen nach den
ersten Nachtfrösten welk werden.
Auch der Mensch ist dem Gesetz der
Vergänglichkeit unterworfen. Wir stellen unsere eigene Hinfälligkeit
fest. Wir werden gezeichnet von den Spuren des Alters, einer Krankheit
oder großer Sorgen. Es fällt uns nicht leicht, diese Spuren
anzuerkennen, aber sie sind nicht zu übersehen.
Die Totengedenktage im November
(Allerseelen, Volkstrauertag und Totensonntag) tun das ihrige dazu, uns
mit unserer Hinfälligkeit und Vergänglichkeit zu konfrontieren.
Spricht die erste Strophe des Hymnus nur
aus, was wir mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können, so gibt die
zweite Strophe die Deutung aus der Sicht des Glaubens:
„Du hast ins Leben
alles gerufen.
Herr, deine Schöpfung
neigt sich zum Tode.
Hole sie heim.“
Alles, was existiert, ist aus Gottes Hand
hervorgegangen: Pflanzen, Tiere und Menschen. Ja die Erde und der
gesamte Kosmos wurden von Gott erschaffen. Vom Herrn hat die Schöpfung
ihren Ausgangspunkt genommen und zu ihm kehrt sie auch zurück, bei ihm
ist sie daheim.
Wie
tröstlich zu wissen, dass alles Leben und auch das menschliche Leben in
Gott seine Heimat hat. „Herr, deine Schöpfung
neigt sich zum Tode. Hole sie heim.“
Die dritte Strophe wird von zwei Wörtern
geprägt, die ähnlich klingen und doch in ihrer Bedeutung
grundverschieden sind: Ende und Vollendung:
„Schenke im Ende
auch die Vollendung,
Nicht in die Leere
falle die Vielfalt
Irdischen Seins.“
„Ende“
ist ein unerbittliches Wort. Wenn der Schiedsrichter das Spiel
abgepfiffen hat, dann ist Ende, Schluss, dann steht das Ergebnis fest,
Sieg oder Niederlage. Wenn im Film das Wort „Ende“ erscheint,
dann folgt nichts mehr.
„Vollendung“
dagegen ist ein hoffnungsvolles Wort, ein anderes Wort für Verwandlung,
Verklärung.
Von Vollendung spricht die Bibel
mehrfach, z.B. dass Christus durch sein Opfer die Seinen für immer zur
Vollendung führt (Hebr.10,14; 11,40). Auch uns führt er zur Vollendung.
Über die Vollendung des irdischen Seins
wüssten wir gerne Genaueres. Doch die Heilige Schrift ist mit
Beschreibungen der End-Vollendung äußerst zurückhaltend.
Und so bekennt auch unser Hymnus in der
vierten Strophe:
„Herr, deine Pläne
bleiben uns dunkel.
Doch singen Lob wir
Dir, dem dreieinen,
ewigen Gott.“
Ein wenig hat Gott das Dunkel aufgehellt
an Ostern, als er Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Ihm,
seinem verklärten Leib, sollen wir gleichgestaltet werden.
Wir wissen: Jesus Christus ist uns
vorausgegangen, um uns einen Platz zu bereiten. Es ist tröstlich, dass
wir erwartet werden. Wir fallen nicht ins Nichts, sondern in die
liebenden Arme des Vaters.
Das ist wahrlich Grund genug:
„Lob zu singen dem dreieinen, ewigen
Gott.“
|