Kann ein frommer Mensch gescheit sein und
ein gescheiter fromm? Durchaus! Das eine schließt das andere nicht aus.
Niemand braucht, wenn er fromm sein will,
das Denken an der Kirchentür abgeben. Niemand braucht als gläubiger
Mensch seinen Denkapparat, den Verstand, der uns ja auch von Gott
gegeben ist, ausschalten.
Ein Beispiel dafür ist Albert der Große.
Er hat Glauben und Denken verbunden. Er hat Wissenschaft und Weisheit
verknüpft.
„Doctor universalis“
haben ihn schon seine Zeitgenossen voll Hochachtung und Staunen genannt.
Albert war wirklich ein Universalgelehrter, ein „doctor
universalis“ auf Grund seiner vielfältigen Begabungen und wegen
seiner umfassenden Geistesbildung. Er beherrschte das gesamte Wissen
seiner Zeit, was manch einem nicht nur phänomenal, sondern fast
unheimlich vorgekommen sein mag.
Albert
befasste sich nicht nur mit Philosophie und Theologie, sondern auch mit
den verschiedenen Naturwissenschaften, besonders mit der Tier- und
Pflanzenkunde. Er gilt als der bedeutendste Naturforscher des
Mittelalters und war wohl der erste moderne Naturwissenschaftler
überhaupt.
Während
seine Zeitgenossen sich in Sachen Naturkenntnis – wie damals eben üblich
– auf die Lehren der Vergangenheit verließen, begann er – ganz
ungewöhnlich - die Natur genau zu beobachten und mit ihr zu
experimentieren. Dabei bediente er sich als erster ganz
systematisch der Methoden, die Jahrhunderte später in der
Naturwissenschaft ausgebaut und verfeinert wurden.
Albertus Magnus
gab sich auch nicht mit dem überkommenen theologischen Lehrgebäude
zufrieden. Er spürte, dass sich in Europa eine neue Art des Denkens
ausbreitete, das an den christlichen Glauben neue Fragen stellte. Er
griff dieses Denken, die bis dahin vernachlässigte Philosophie des
Aristoteles, entschlossen auf und suchte sie für die Theologie nutzbar
zu machen.
Damit geriet er in Konflikt mit der
kirchlichen Tradition, bereitete aber den Weg für die großartige
theologische Leistung seines Schülers Thomas von Aquin, der den
Aristotelismus in sein Denksystem einbaute und das religiöse Denken bis
in unsere Zeit entscheidend geprägt hat.
In aller philosophisch-theologischen und
naturwissenschaftlichen Forschung ist der hochintelligente und
supergescheite Albertus Magnus ein tieffrommer Mensch, für den alle
Wissenschaft zur tieferen Erkenntnis Gottes führen soll.
Von
ihm ist der Satz überliefert: „Die vornehmste Kraft des Menschen ist die Vernunft. Das höchste Ziel
der Vernunft ist die Erkenntnis Gottes.“
Immer noch besteht in vielen Kreisen die
Meinung, moderne Naturwissenschaft und christlicher Glaube stünden sich
unvereinbar und unversöhnt gegenüber. Aber gibt es nicht zahlreiche
Biologen, Physiker und Chemiker, die gerade durch die Ergebnisse ihrer
Forschung zur Erkenntnis Gottes hingelangt sind, „moderne
Wissenschaftler“, die – wie Albert der Große – gläubige Menschen
waren oder sind?
Gewiss für Albert mag es leichter gewesen
sein, für ihn war es gleichsam selbstverständlich, in den Wundern und
Geheimnissen der Natur die Größe Gottes zu erkennen und seine
Herrlichkeit zu bewundern. Denn er lebte – wie der mittelalterliche
Mensch überhaupt – aus einer selbstverständlichen religiösen Schau.
Für
uns
Menschen von heute ist es schwieriger, weil wir in einer Umwelt leben,
wo der selbstverständliche „religiöse Blick“ auf die Welt weithin
verlorengegangen ist.
Ob
wir aber diesen Blick nicht neu einüben müssten, damit all unser
menschliches Forschen und Denken tiefer ins Geheimnis Gottes hineinführt
und uns hilft –wie Albert sagt - „Menschen nach dem allerliebsten
Willen Gottes zu werden“?
„Mensch nach dem allerliebsten Willen Gottes werden!“
Dieser Ausspruch von Albert zeigt, dass er sich nicht zufrieden gab mit
der bloßen Erkenntnis Gottes. Er ist sich vielmehr bewusst, dass der
Mensch Gott nur ernst nimmt, wenn er sein Leben nach Gott ausrichtet.
Gott erkennen ist das eine, von Gott ergriffen werden, Gott lieben und
ehren das andere. Und das galt Albert als das Wichtigste. Deshalb betete
er immer wieder: „O Herr, ich wollte, ich wäre
ein Mensch nach deinem allerliebsten Willen.“
In
diesem Wort, in diesem Gebet drückt sich eine tiefe Sehnsucht aus, ein
innige Bitte, ein großes Verlangen. „O Herr,
ich wollte, ich wäre ein Mensch nach deinem allerliebsten Willen!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Ist das nicht ein sehr
schönes Gebet, ein Gebet, das sich jeder, der sich bemüht, als gläubiger
Christ zu leben, zueigen machen und aus ganzem Herzen sprechen kann? Ein
Mensch nach dem allerliebsten Willen Gottes zu sein, ist das nicht
unbedingt erstrebenswert?
Mir
fällt auf, dass Albert nicht einfach betet: „O Herr, ich wollte, ich
wäre ein Mensch nach deinem Willen“, auch nicht nach deinem
allerheiligsten Willen, sondern „nach deinem allerliebsten Willen“.
Noch ein anderes Wort von Albert dem
Großen hat es mir angetan. Es lautet: „Wer sich mit göttlichen
Dingen beschäftigt, wird nach ihrem Bilde umgestaltet.“ Das stimmt.
Die
Frage ist nur:
Womit beschäftige ich mich? Woran orientiere ich mich? Was treibt mich
um? Was bestimmt mich? Und was prägt in Folge dessen mein Denken und
Sinnen, meine Einstellung, mein Handeln? Sind es göttliche Dinge? Ist es
das Wort Gottes? Sind es seine Weisungen? Ist es das Leben Jesu, sein
Beispiel, sein Beten, seine Demut, seine Güte, sein Erbarmen, seine
Erlösungstat?
„Wer sich mit göttlichen Dingen beschäftigt, wird nach ihrem Bild
umgestaltet.“
– Es geht letztlich um die Umgestaltung in Christus, Zug um Zug ihm
ähnlich werden. Immer mehr seine Konturen annehmen. Verwandelt werden in
sein Bild.
In
einem Lied heißt es: „Im Anschauen deines Bildes…da werden wir
verwandelt in dein Bild. Im Hören deines Wortes… da werden wir
verwandelt in dein Bild. Im Gehen deines Weges… da werden wir verwandelt
in dein Bild…"
Am
Herz Jesu Freitag
heißt eine sehr wesentliche und ganz eindrückliche Bitte: „Bilde
unser Herz nach deinem Herzen!“
Lassen wir uns vom Geist Jesu Christi
berühren, ergreifen, durchströmen. Bitten wir, dass wir Stück für Stück
und immer mehr in der Kraft des Geistes umgestaltet und geheiligt
werden, dass wir zu Menschen werden nach dem Bilde unseres Herrn Jesus
Christus.
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