In der
50-tägigen Osterzeit, die morgen mit dem Pfingstfest endet, haben wir
jeden Tag, werktags wie sonntags, Lesungen aus der Apostelgeschichte
gehört.
Die
Apostel, für die der Karfreitag die Katastrophe ihres Lebens war,
treten in der Kraft des hl. Geistes als mutige Zeugen des Glaubens auf.
Einerseits weckt ihr Zeugnis den Glauben anderer. Er steckt an. Viele
lassen sich taufen. Die Kirche wächst.
Andererseits werden sie inhaftiert, drangsaliert, langen Verhören
unterzogen. Sie haben viel zu erleiden.
Doch
keine Macht der Welt, weder Einschüchterung noch Redeverbot, vermag sie
daran zu hindern, mit Freimut aufzutreten. „Freimut“, dieses Wort kommt
immer wieder in der Apostelgeschichte vor. Wie ist dieser Freimut
möglich trotz Drohung und Kerkerhaft, trotz Verhören, Hieben, Foltern
usw.?
Die
Antwort gibt uns der Apostel Petrus in zwei Sätzen.
Der erste
lautet:
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Das
ermöglicht ihnen diesen frappierenden und faszinierenden Freimut: Mehr
auf Gott hören und sich nach ihm ausrichten als nach dem gehen, was
Menschen denken, sagen und wollen, und seine es noch so hohe und
angesehene Autoritäten.
Die
zweite Antwort lautet: „Wir können unmöglich
schweigen über das, was wir gesehen und gehört haben.“
Die
Apostel sind Augen- und Ohrenzeugen des Christusereignisses.
Als
solche richtet sich ihre Verkündigung nicht nach dem eigenen Gutdünken,
und schon gar nicht nach dem Gefallen der Zuhörer oder dem Geschmack der
Stunde, sondern es drängt sie von innen her zum Weitersagen und
Weitergeben der Botschaft vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
„Man
muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“
Und: „Wir können unmöglich schweigen über das, was wir gesehen und gehört
haben.“
Liebe
Mitchristen!
Die ganze
Geschichte der Kirche über traten immer wieder solche Glaubenszeugen
auf, die mit Freimut den Glauben verkündet und dabei Leib und Leben
riskiert haben.
Ich denke
an den Erstlingsmärtyrer der Kirche, Stephanus, dann an die Apostel
selbst, dazu kamen Frauen wie Felicitas, Perpetua, Agatha, Luzia, Agnes,
Cäcilia, Anastasia, die sämtliche im ersten Hochgebet erwähnt sind,
schließlich Bonifatius, Kilian und seine Gefährten, dann der Lordkanzler
und Familienvater Thomas Morus.
In
unserer Zeit z.B. die Jesuitenpatres Alfred Delp und Rupert Mayer, der
Franziskaner Maximilian Kolbe und die Karmelitin Edith Stein.
Ich muss
sagen: Mehr als alle Theorie hilft mir der Blick auf solche Gestalten,
solche Zeugen des Glaubens.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Heute
wird Bischof Oscar Arnulfo Romero in El Salvador seliggesprochen.
Vor 35
Jahren – am 24. März 1980 – war er von rechtsextremistischen Mördern,
gedungene Killer, während einer Eucharistiefeier am Altar erschossen
worden.
Der
Seligsprechungsprozess geriet immer wieder ins Stocken. Lange hat es
gedauert, bis man im Vatikan zu der Auffassung kam, dass Romero nicht
als politischer Oppositioneller starb, sondern dass er als wahrer,
aufrechter Christ und als Zeuge des Glaubens zum Märtyrer wurde. Für
viele Christen in Lateinamerika ist Romero allerdings schon lange ein
Heiliger.
Oscar
Romero kam aus einer eher konservativen Haltung. Er war eher
zurückhaltend und vorsichtig. Doch er sah, wie es um ihn herum aussah
aus sah und bemerkte, was in der Gesellschaft vor sich ging. Ganz
schlimm sah es aus. Es waren elende und ungerechte, zum Himmel
schreiende Zustände.
Romero
setzte sich für soziale Gerechtigkeit ein und wurde immer mehr ein
Gegner des Militärregimes.
Es war
für ihn ein Lernprozess. Er selbst spricht von „Bekehrung“.
Er
wandelte sich mehr und mehr zu einem mutigen und prophetischen Diener
Gottes, der sich an die Seite der Armen und Unterdrückten stellte und
den Mächtigen ins Gewissen redete.
Ein
junger Mann, der bei der letzten Messfeier von Oscar Romero dabei war,
nahm seine Predigt auf Kassette auf. Es sind auch die Schüsse zu hören,
die den Bischof ins Herz trafen.
Die
letzten Worte seiner Predigt waren:
„Möge
dieser Leib, der für die Menschen hingegeben und dieses Blut, das für
die Menschen vergossen wurde, uns die Kraft geben, unseren Leib und
unser Blut, wenn wir Leid und Schmerz erdulden, wie Christus hinzugeben
für unser Volk als Zeichen von Frieden und Gerechtigkeit.“
Keine
zehn Sekunden später fielen die tödlichen Schüsse.
Der
Mörder ließ Erzbischof Romero nicht die Zeit, um die eucharistischen
Gaben von Brot und Wein als Opfergabe zum Himmel zu erheben. Er selbst
wurde zur Hostie seiner letzten Eucharistie.
Liebe
Mitchristen!
In keinem
Jahrhundert ist so viel Märtyrerblut geflossen wie im aufgeklärten,
unaufhörlich von Fortschritt und Humanität redenden 20. und
21.Jahrhundert.
Viele
Priester, Ordensleute und Laien nicht nur in Lateinamerika, sondern auch
sonst wo gelten auch heute politisch als gefährlich, nur weil sie –wie
Oscar Romero – Unrecht beim Namen nennen und den Schwachen eine Stimme
geben.
Viele
sind es, die auch in Pakistan und Osttimor, in China und Vietnam, in den
arabischen Ländern und in Afrika wegen ihres Glaubens diffamiert,
schikaniert, verfolgt, eingekerkert, grausam gefoltert, ja ermordet
werden.
„Ihr sollt meine Zeugen sein!“
Diesen
Auftrag gibt Jesus seinen Jüngern. Er verheimlicht ihnen aber auch
nicht, dass der Preis ihrer Zeugenschaft Mühen, Drangsale und Verfolgung
sein werde:
„Haben
sie mich verfolgt, werden sie auch euch verfolgen!“
Er hat
aber den Verfolgten auch eine besondere Zuwendung in Aussicht gestellt:
„Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen
beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet.
Freut euch und jubelt! Euer Lohn im Himmel wird groß sein!“
Die
Apostel damals, unsere verfolgten Schwestern und Brüder heute, stellen
an uns Fragen: „Und ihr? Was ist mit euch?“
Lassen
wir uns anfragen, wie es um unsere Zeugenschaft und unseren Bekennermut
bestellt ist!
Sind wir
noch glühende Menschen? Ist in unseren Herzen noch Leidenschaft für
Gott?
Es
braucht das Zeugnis des Wortes. Mehr noch braucht es das Zeugnis unseres
Lebens. Es braucht heute mehr denn ja auch bei uns Kraft und Mut, Jesu
Botschaft in Wort und Tat zu verkünden, sich zum Glauben zu bekennen,
Zeugen der Wahrheit, Boten der Liebe und Werkzeuge des Friedens zu sein.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Nachfolge
Christi heißt nicht „einen“ Weg gehen, sondern „seinen“
Weg gehen.
Nachfolge
– lateinisch consequi – hat mit Konsequenz zu tun.
Wie
konsequent leben wir unser Christsein? Wie ernst nehmen wir unseren
Glauben?
Haben wir
die christliche Botschaft so entschärft, dass sie nur noch
Gebrauchsreligion ist, Dekoration für Weihnachten, Hochzeit, Weißen
Sonntag?
Und das
war’s dann. Nichts tut sich weiter, nichts bewegt sich mehr.
Liebe
Mitchristen!
Christus
will gegenwärtig sein in unserer Zeit durch uns.
Auch wir
können und dürfen nicht schweigen von dem, was wir gesehen und gehört
haben.
Auch wir
müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen.
Auch für
uns gilt, was im 1. Petrusbrief steht:
„Wenn
ihr wegen des Namens Jesu beschimpft werdet, seid ihr selig zu preisen;
denn der Geist der Herrlichkeit, der Geist Gottes ruht auf euch.“
Öffnen
wir uns für diesen Geist! Öffnen wir uns für seine Gaben und für sein
Wirken!
Geben wir
ihm – wie Oscar Romero – Raum in unserem Leben, auf dass er uns
durchdringt und erfüllt, uns belebt und beseelt, uns ermutigt und
stärkt!
Löschen
wir den Geist nicht aus, den wir in Taufe und Firmung empfangen haben!
Lassen
wir uns auch im Alltag vom Geist Gottes führen und leiten! |