Weihnachten liegt – gefühlt
– längst hinter uns. Auch Neujahr und Dreikönig sind abgehakt. Urlaub und Ferien
sind vorbei. Mit dem Fest der Taufe Jesu – heute vor einer Woche – hat auch
liturgisch wieder die Zeit im Jahreskreis begonnen. Die Arbeit und der Alltag
hat uns wieder. Und wir leben inmitten dessen, was wir gelegentlich „den ganz
normalen Wahnsinn“ nennen.
Ist also alles wieder vorbei?
War Weihnachten nur eine Oase oder gar eine Illusion? Auf den öffentlichen
Plätzen sind die Christbäume bereits entfernt. An vielen Orten ist auch schon
die Krippe abgebaut. Hier in der Kirche steht sie noch. Aber die Straßen, die
Geschäfte und Schaufenster sind schon auf Fastnacht eingestellt. Ist wirklich
alles vorbei?
Aus Irland stammt der folgende
alte Weihnachtstext, der mir sehr gut gefällt, weil er auf das Wesentliche
von Weihnachten hinweist, auf das was bleiben sollte und weitergehen, wenn die
Festtage und die Weihnachtszeit vorbei sind.
„When the song of the angels is
stilled, / When the star of the sky is gone, / When the kings and the princes
are home, / When the shapherds are back with there flock, / The work of
christmas begins: To find the lost, / To heal the broken, / To feed the hungry,
/. To release the prisoner, / To rebuild the nations, / To bring peace the
brothers, / To make music in the heart.“
„Wenn der Gesang der Engel
verstummt ist, / Wenn der Stern am Himmel untergegangen, / Wenn die Könige und
Fürsten heimgekehrt, / Die Hirten mit ihrer Herde fortgezogen sind, / Dann erst
beginnt das Werk von Weihnachten: / Die Verlorenen finden, / Die Zerbrochenen
heilen, / Den Hungernden zu essen geben, / Die Gefangenen freilassen, / Die
Völker aufrichten, / Den Menschen Frieden bringen, / In den Herzen musizieren.“
Wenn das schöne Beiwerk, wenn
äußerer Glanz und innere Hochgestimmtheit wie die Nadeln vom Christbaum fallen,
wenn alles, was uns frei und froh stimmte, wieder in den Schatten des
Alltäglichen getreten ist, dann muss offenbar werden, dass Weihnachten Befreiung
und Erlösung bedeutet. – Und dann beginnt, was der irische Text „the work of
Christmas“ nennt: die eigentliche Arbeit von Weihnachten, die Mühe und
Anstrengung des Umsetzens und Verwirklichens. Es heißt nun wirklich, die
Botschaft der Engel als Auftrag an uns zu begreifen: Friede auf Erden den
Menschen.
Zunächst sind wir selbst
die mit Frieden Beschenkten: „Friede den Menschen seiner Gnade!“ Das ist
uns zugesagt. Aus dieser Zusage und diesem Geschenk erwächst aber auch ein
Auftrag und eine Sendung, nämlich selbst zu Menschen zu werden, die Boten und
Botinnen des Friedens sind.
Franz von Assisi hat es so
begriffen und in seinem berühmten Gebet formuliert: „Herr, mache mich zu einem
Werkzeug deines Friedens.“ Daraus ergibt sich alles, was der irische Text sagt
und was in unseren modernen Begriffen etwa heißen könnte: die Obdachlosen, die
Asozialen und Outlaws integrieren; die körperlich und seelisch Gebrochenen
aufrichten, die Kranken und Behinderten aufnehmen und annehmen, gegen den Hunger
in der Dritten Welt (und schamhaft verborgen auch in der Ersten und Zweiten)
wirtschaftlich sinnvolle und greifende Konzepte entwickeln und die persönlichen
und nationalen Ellen bogen einziehen; denen, die wider alle Menschenrechte
gefangen genommen sind und gefoltert werden, zu Freiheit und Menschenwürde
verhelfen; die unterdrückten Völker in ihren berechtigten Ansprüchen
unterstützen … .
Hehre Ziele sind das, große
Projekte, riesige Herausforderungen. Wie können wir das schaffen? Wie all dem
gerecht werden?
Es stimmt – wir wissen alle – im
Großen kann der einzelne wenig bewegen und erreichen. Und wir resignieren
deshalb leicht, legen die Hände in den Schoß und lassen die Dinge laufen. – Aber
gerade die kleinen Aufmerksamkeiten im Alltag sind wichtig. Sie können zum
Beispiel den „Domino-Effekt“ auslösen: jemand tippt gegen den ersten Stein und
eine unübersehbare Kette kommt in Bewegung.
Liebe Schwestern und Brüder!
Haben wir Weihnachten so gefeiert, wie dieses Fest wahrhaft zu verstehen ist, so
wird es nicht ohne Folgen bleiben. „The work of Christmas begins. - Die
Arbeit von Weihnachten beginnt.“ Etwas von dieser Sendung von Weihnachten
her (und konkret von der Krippe her) in unsere Welt, in unser Leben, in unseren
Alltag, bringt auch folgender Text sehr schön zum Ausdruck:
„Wenn du dich satt gesehen hast
an dem schönen Kind in der Krippe, dann geh noch nicht fort. – Mach erst seine
Augen zu deinen Augen, seine Ohren zu deinen Ohren und seinen Mund zu deinem
Mund. Mach seine Hände zu deinen Händen, sein Lächeln zu deinem Lächeln und
seinen Gruß zu deinem Gruß. – Dann erkennst du in jedem Menschen deinen Bruder,
deine Schwester. Wenn du ihre Tränen trocknest und ihre Freude teilst, dann ist
Gottes Sohn wahrhaftig geboren. Und du darfst dich freuen!“ |