Liebes Brautpaar!
Heute dreht sich alles um euch. Aus nah und fern sind Verwandte und Freunde gekommen, um einen festlichen
Kreis zu bilden. - Ihr steht im Mittelpunkt, ihr, die ihr vor Gottes Angesicht
den Bund der Ehe für ein ganzes Leben lang schließen wollt.
Von dem französischen Schriftsteller Peguy stammt der Ausspruch:
„Die Abenteurer des 20.
Jahrhundert werden die christlichen Eheleute sein.“ Und ich möchte hinzufügen:
des 21.
Jahrhunderts erst recht!
Vielleicht fragt ihr: Christliche Eheleute Abenteurer? Ist
das nicht zu kühn? Was ist denn an einer christlichen Ehe Besonderes?
Aber, liebes Brautpaar, liebe Hochzeitsgäste: Ist das
christliche Ehe- und Familienleben heute nicht tatsächlich etwas Besonderes?
Wo gibt es noch wahrhaft christlichen Ehen und
Familien, die sich vom Geist Jesu prägen lassen und auf die Stimme der Kirche
hören?
Wir Priester erleben es immer wieder, wie die kirchliche
Trauung zur bloßen Dekoration benutzt wird, als feierlicher Rahmen, der den
Hochzeitstag verschönern soll. Ihr denkt nicht so. Ihr habt es euch
reiflich überlegt. Ihr habt euch bewusst für diese Trauungsmesse entschieden und
ihr habt diesen Gottesdienst gut vorbereitet. Ihr habt selbst die Texte und
Gebete, die Lieder und Musikstücke ausgesucht. Ihr seht in dieser Feier etwas
Großes, etwas, das Euch wichtig ist und ganz persönlich angeht.
„Die Abenteurer des 20. Jahrhundert werden die christlichen Eheleute
sein.“
- Ist da nicht tatsächlich viel Wahres dran? Herrschen in unserer Zeit nicht
recht eigenartige Vorstellungen von Ehe und Liebe? Und wer spricht noch von
Treue? Ist das christliche Ideal von Ehe und Familie nicht erheblichen
Schwierigkeiten ausgesetzt? Sind Eheleute, die sich durch Dick und Dünn die
Treue halten, nicht schon bald die Ausnahme? Und sind sie nicht tatsächlich
Abenteurer? Auch das öffentliche Klima ist gegenüber Ehe und Familie nicht immer
freundlich. Die Würde und der Wert von Ehe und Familie verblasst mehr und mehr.
Sie alle, liebe Hochzeitsgäste, wissen es so gut wie ich,
dass viele Ehen heute nicht mehr vom Geist Christi geprägt sind, sondern von
einem Zeitgeist, der die Liebe auf Widerruf propagiert.
Immer mehr junge Menschen in
unserem Land bringen es nicht mehr fertig, das Wagnis der Ehe einzugehen. Sie
haben Angst, sich zu binden. Sie bringen es nicht mehr fertig, sich die Treue zu
versprechen. Immer mehr sind es, die es nicht wagen, sich ganz
hinzugeben, ganz „Ja“ zu sagen, auf Dauer, für immer, mag kommen, was mag. Sie
lieben sich auch, sagen sie, aber kalkulieren schon ein, dass sie sich in
absehbarer Zeit nicht mehr mögen.
Ist aber Liebe mit Vorbehalt wirklich Liebe? Lieben sich
Menschen, die es auf Probe, auf Widerruf tun echt, wirklich, ganz? Fehlt es,
wenn ich das Hintertürchen zum Aussteigen von vornherein miteinplane nicht am
wichtigsten, am Vertrauen?
Wissen Sie, was mich bei einer kirchlichen Trauung jedes Mal tief
berührt?
Wenn die Brautleute zueinander sagen: „Ich nehme dich an.“ Ich nehme dich
an nicht für einen Moment oder eine kleine Weile oder für eine gewisse Zeit,
solange man noch verliebt, jung, schön, fit und dynamisch ist, sondern für
immer, bis ins hohe Alter in Freud und Leid, in Gesundheit und Krankheit, bis
der Tod uns scheidet. Und nicht nur einen Teil nehme ich an vom andern, das
Stück, das mir gefällt, die Seite, die einem nett, zuvorkommend und liebenswert
oder großartig erscheint, sondern auch die Ecken und Kanten, alles Vorläufige,
alle Grenzen und Kleinheiten. Ich nehme dich an, nicht wie ich dich träume oder
malen möchte, sondern so wie du bist.
Ja, das berührt mich bei der Feier der Vermählung immer wieder,
aber nicht nur wegen der beiden, die den Mut dazu haben, sondern weil mir die
beiden wie ein Zeichen sind für das, worauf es ankommt bei uns allen. Besteht
nicht eines unserer wichtigsten Grundbedürfnisse darin, angenommen zu sein. Ist
es nicht das, was den Menschen froh und frei macht und ihn aufblühen lässt?
Liebes Brautpaar, Sie sagen heute in aller Öffentlichkeit
und vor Gott: wir wollen einander lieben und uns treu sein, solange wir leben.
Wir wollen zueinander halten, uns achten und ehren ein Leben lang. Ja, Ihr seid
wirklich Abenteurer! Ihr wagt etwas Großes! Ihr stellt euch „der Herausforderung
des Lebens, der Liebe“ (D. Steindl-Rast). Ihr setzt ein leuchtendes Signal.
Inmitten einer Welt der Selbstsucht und der Habgier, des
Unfriedens u. des Hasses gelobt Ihr Euch, von nun an nicht mehr nur an Euch
selbst zu denken, alles gemeinsam zu haben und zu tragen, einander beizustehen
und zu helfen, alles zu teilen, Freud und Leid, und einander Stütze und Halt zu
sein.
Inmitten einer Welt, in der so viele achtlos aneinander
vorbei laufen, sich gegenseitig ausnützen, einander beneiden und misstrauen, da
sagt Ihr: Wir wollen einander trauen! Wir wollen einander lieben!
Ihr wagt in dieser Stunde etwas Großes: das Abenteuer
einer christlichen Ehe. - Abenteuer auch insofern als der Weg, den Ihr
beide ab heute beschreitet - streckenweise wenigstens - im Dunkeln liegt. Wir
wissen nicht, was die Zukunft im einzelnen bringt. Manches wird leichter,
anderes schwerer. Vieles kommt vielleicht anders als Ihr denkt.
Immer gleicht das Leben einer kurvenreichen
Strecke. Man sieht nur bis zur nächsten Straßenbiegung. Es gibt Umwege, Abwege,
Sackgassen, aus denen man allein nicht herausfindet. Deshalb ist Eure Liebe,
Euer Vertrauen, Eure Treue so wichtig.
Es ist wichtig, dass Ihr einander annehmt, einander gelten
lasst, so wie jeder ist und wie er sein wird. Der wahrhaft Liebende wächst mit
dem Geliebten.
Ich finde: das ist gerade das Erregende, das
Abenteuerliche, das eigentlich Spannende, dass wir mit dem Menschen, den wir
lieben nie fertig sind: weil wir ihn lieben und solange wir ihn lieben!
Unfassbar, aller Geheimnisse voll, ist der Mensch, den man liebt!
Das eigentlich Lieblose, der eigentliche Verrat ist das Bild, das man
sich von dem anderen macht. Damit beginnt alle Enttäuschung und Entfremdung. -
Liebe presst den anderen nicht in einen Rahmen. Liebe macht
keinen Entwurf und sieht zu, dass der andere dem Entwurf ähnlich wird, sondern
Liebe befreit aus der Festlegung, aus dem Bildnis. Liebe sprengt alle
Rahmen und Entwürfe. „Einen Menschen lieben, heißt ihn so sehen, wie Gott ihn
gemacht hat.“
Liebes Brautpaar!
Wie kommt Ihr dazu, das
Wagnis, „das Risiko“ eines gemeinsamen Lebens einzugehen? Wie könnt Ihr den
hohen Anspruch einer christlichen Ehe erfüllen? Ist das nicht eine
Überforderung? Übersteigt das nicht Eure Kräfte?
Die Antwort heißt: Ihr seid von Gott geliebt. Und: Furcht
ist nicht in der Liebe. Seid also nicht bange in dieser Stunde, da Ihr „Ja“
sagt zueinander. Gott hat in seinem Sohn sein Ja zu uns Menschen gesagt. Er sagt
„Ja“ jetzt zu dem Bund, den Ihr in dieser Stunde schließt. Und seine Kraft geht
alle Wege mit.
Nehmt nicht nur heute, seid jeden
Tag Gott in Eure Mitte. Verbindet Euch mit IHM. Lasst IHN den Dritten sein in
Eurem Bund.
Seht Eure Liebe zueinander als ein
Abbild der Liebe Gottes.
Sagt „Ja“ zueinander, weil und wie Gott zu Euch ja sagt,
ganz , vorbehaltlos. Nehmt einander an, ertragt einander in den unausbleiblichen
Spannungen und Kümmernissen des Lebens.
Ganz wichtig: Steht zu einander auch im Versagen! Verzeiht
einander immer wieder! Tragt nicht nach! Geduld ist die Alltagsform der
Liebe. Verzeihen ist der Ernstfall und die Höchstform.
Liebende leben von der Vergebung.
Ja, es ist
sogar so: die Liebe wächst durch die Vergebung.
Immer wieder frage ich mich: Warum halten die Menschen die
Liebe nicht durch? Warum wird es so schwer, wenn man täglich miteinander lebt? -
Ich glaube: Man verlangt vom anderen zuviel. Der andere soll freundlich
sein. Der andere soll mich bewundern, mich auf Händen tragen, für mich durchs
Feuer gehen. Wir denken zuwenig daran, was wir dem anderen schuldig sind, was
wir ihm geben können, was wir einbringen und tun können.
Liebes Brautpaar, sagen Sie nicht zu schnell zu
einander: „Du liebst mich nicht“, solange nicht jeder selbst alles gegeben hat.
Und versucht Eure Liebe jeden Tag neu umzusetzen, Euer Jawort
hineinzubuchstabieren in den Alltag.
Seht: die Liebe ist wie ein großer Geldschein. Er will und
soll täglich in kleine Münzen umgewechselt werden. Lernt die Kunst der
kleinen Schritte: Sich immer wieder etwas einfallen lassen, was den anderen
froh macht. Seid nicht knauserig mit Zeichen und Gesten Eurer Liebe im Alltag!
Seid dankbar!
Jetzt aber schenkt Gott Euch seine Nähe, seinen Schutz und
seinen Segen. Sucht immer wieder die Verbindung mit IHM. Vergesst das Beten
nicht! Bleibt in SEINER Liebe und in der Liebe zueinander! Entlasst Euch nie
gegenseitig aus Eurem Herzen!
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