Es war
vor 1700 Jahren. Am 3. März 321 erließ Kaiser Konstantin ein Edikt.
Darin befahl er, dass am „Tag der Sonne (= dies soli) alle Richter,
ebenso das Volk in den Städten, sowie die Ausübung der Künste und
Handwerke ruhen“ sollten. – Mit diesem Erlass führte Kaiser
Konstantin den christlichen Sonntag ein, eine religiös-soziale
Errungenschaft, die bis heute unsere Kultur und unseren Lebensrythmus
prägt – nicht nur bei uns, sondern auch in weiten Teilen der Welt.
Liebe Schwestern und Brüder!
Arbeit
und Leistung, Rackern und Schuften sind nicht alles, auch nicht dauernde
Geschäftigkeit und ruhelose Betriebsamkeit.
So
wichtig die Arbeit ist, so lobenswert Fleiß und Eifer sind, es braucht
auch die Unterbrechung, die Pause, die Auszeit. Es braucht das
Abschalten, Innehalten und Runter-Kommen. Es braucht Erholung und Ruhe,
Muße und Besinnung.
Jemand hat einmal gesagt:
„Der Sonntag ist für mich ein Lichtpunkt am Ende des Alltagstunnels.“
So ist es. Das hat mir gefallen.
Meine Oma hat oft gesagt:
„Am Sonntag ruh und bete gern, der Sonntag ist der Tag des Herrn.“
Ja, Gott
hat keinen Gefallen am pausenlosen Betrieb. Er ist kein
Leistungsfanatiker oder Sklaventreiber. Er hat uns Menschen nicht als
Workaholics geschaffen. Er gönnt uns auch das Verweilen, das Ausruhen
und das Atemholen der Seele. Er gibt uns den Sonntag als Oasentag und
als Tag der Freiheit, an dem wir – nach aller Mühe und Plage – wieder
schöpfen, empfangen, auftanken und uns regenerieren können.
Der christliche Sonntag
entschleunigt das auf Mobilität und Flexibilität getrimmte moderne
Leben. Er ist eine Erinnerung und Einladung an die „Non-Stopp-Gesellschaft“,
das Leben jenseits der Rastlosigkeit zu entdecken, den Alltag einmal
Alltag sein zu lassen, damit Geist, Seele und Leib sich neu ausrichten
und von der Freiheit des Sonntags profitieren können.
Liebe
Mitchristen!
Schon
seit dem 9. Jahrhundert. vor Christus gibt es den jüdischen Sabbat,
an dem Gott geboten hat, nicht zu arbeiten, sondern zu ruhen, so wie es
von ihm selbst in Gen 2, 2 heißt: „der Herr ruhte am siebten Tag“.
Die Ruhe von Mensch und Tier am Sabbat entspricht der Ruhe Gottes am
siebten Tag.
Der christliche Sonntag
wurzelt im jüdischen Sabbat. Und so wie der Sabbat auf die Vollendung
der Schöpfung verweist und an die Befreiung des Volkes Israel aus der
ägyptischen Knechtschaft erinnert, so gedenken wir Christen am Sonntag
der Auferstehung Jesu.
Jeder Sonntag
hat österlichen Charakter und ist im Grunde genommen ein kleines
Osterfest. Christinnen und Christen versammeln sich am Sonntag, dem
ersten Tag der Woche, um im Gottesdienst den Tod und die Auferstehung
Christi zu feiern.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Es war
ein tiefer Einschnitt und für viele Gläubige auch ein großer Verzicht
als im März vergangenen Jahres staatliche Anordnungen – im Zuge der sich
ausbreitenden Corona-Pandemie – dazu führten, Gottesdienste für etwa
zwei Monate nicht mehr zu gestatten. Und noch heute gibt es bezüglich
der Versammlung zum Gottesdienst erhebliche Einschränkungen, Regeln und
Vorschriften, die eine Ansteckung mit dem Virus verhindern und dem
Schutz der Gottesdienstteilnehmer dienen sollen.
Dankbar
dürfen wir sein, dass wir – unter Einhaltung der Hygienemaßnahmen und
Schutzbestimmungen – uns zum sonntäglichen Gottesdienst versammeln
können, um zu feiern, was Quelle und Höhepunkt unseres christlichen
Glaubens ist, die Eucharistie.
Viele
verspüren, dass die gestreamten und online übertragenen Gottesdienste
nur ein Ersatz sind, eine Notlösung, so gut und schön sie oft gestaltet
und so bequem sie daheim vom Wohnzimmer aus mit zu verfolgen sind. Aber
sie können niemals einen Live- bzw. Präsenzgottesdienst ersetzen, zumal
der Empfang der heiligen Kommunion fehlt und damit die innige
Vereinigung mit Jesus Christus im Brot des Lebens.
Die Eucharistie
ist aber Zentrum allen christlichen Lebens, ein Brunnen der Hoffnung und
Quelle der Kraft. Denn sie vergegenwärtigt immer wieder neu das
Paschamysterium: Leiden, Tod und Auferstehung Jesu Christi.
Liebe Schwestern und Brüder!
Es ist
gut, dass der Sonntag „als Tag der Arbeitsruhe und der seelischen
Erhebung“ (Grundgesetz Artikel 140) gesetzlich geschützt ist. –
Dennoch besteht immer wieder die Gefahr, dass der Sonntag mehr und mehr
zu einem normalen Werktag wird und die Unterschiede zunehmend
verwischen.
Ob – bei
weiterem Bedeutungsverlust des Christentums und zunehmender
Säkularisierung der Gesellschaft – der Sonntag eines Tages ganz
verschwindet? Anzeichen dafür gibt es.
Immer mehr
Dienstleistungen werden rund um die Uhr angeboten. Und das an allen
sieben Tagen der Woche. Entsprechend mehr Menschen müssen am Sonntag
arbeiten oder gehen einkaufen. Einkaufszentren, Waschanlagen,
Videotheken… haben immer häufiger geöffnet. In Ladenzeilen auf Bahnhöfen
und Flughäfen sowie Tankstellen-Shops wird ohnehin rund um die Uhr
verkauft.
Immer
längere Ladenöffnungszeiten und immer mehr verkaufsoffene Sonntage
drohen – in einem schleichenden Prozess – den Sonntagsschutz
auszuhöhlen. Gerät der Sonntag unter die Räder eines rein
wirtschaftlichen Denkens? Ist der Sonntag noch zu retten?
Nicht von ungefähr
erheben die Kirchen (und die Gewerkschaften!) immer wieder ihre Stimme
und setzen sich dafür ein, den Sonntag gegenüber starkem Druck aus
Wirtschaft und Politik zu verteidigen und für seinen Schutz zu kämpfen.
Liebe
Mitchristen!
Der
gemeinsame Sonntag ist wie ein Biotop, schützens- und erhaltenswert.
Denn erst dieser Tag ermöglicht, was sonst – in der Hektik des Alltags –
oftmals zu kurz kommt oder ganz auf der Strecke bleibt: Am Sonntag hat
der Mensch den Freiraum, den er benötigt, um zu sich selbst zu finden,
sich zu erholen und sich zu regenerieren. Sonntags findet er Zeit für
sich, für Familie und Freunde, aber auch für den Gottesdienst, für sein
Heil- und Gesundsein in einem umfassenden Sinn.
Ohne Sonntag gäbe es nur Werktage.
Das wäre schlimm und hätte verheerende Auswirkungen. Wir Menschen
brauchen den Sonntag. Der Wechsel von Arbeit und Ruhe, das
benediktinische „ora et labora“ (= Gebet und Arbeit) tut uns gut. Nicht
„alles zu jeder Zeit“, aber „alles zu seiner Zeit“! –
Nicht umsonst ist die Wahrung eines gemeinsamen Ruhetages auch in den
Zehn Geboten fest verankert (Ex 20, 1 - 17 = 1. Lesung vom 3.
Fastensonntag, Lesejahr B).
Liebe
Mitchristen!
1700
Jahre Sonntagsschutz. Ein denkwürdiges Jubiläum. Es kann Anlass sein,
sich wieder neu auf den Sonntag, auf den Sinn des Sonntags zu besinnen
und eine bewusste Sonntagskultur zu pflegen. Es ist wichtig, dass der
Sonntag ein besonderer Tag ist und bleibt!
Haben wir
Mut zum Sonntag! Er ist ein Geschenk Gottes an uns Menschen. Er ist ein
Segen für die Menschheit.
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