Exerzitien mit P. Pius

Sie sind hier: Startseite Predigten Besondere Anlässe Ordensjubiläum

Startseite
Jahresprogramm
Vorschau
Predigten
   Advent
   Weihnachten
   Fastenzeit
   Karwoche
   Ostern
   Pfingsten
   Sonntage im Jahreskreis A
   Sonntage im Jahreskreis B
   Sonntage im Jahreskreis C
   Werktage im Kirchenjahr
   Besondere Anlässe
   Festtage von Heiligen
   Herrenfeste
   Marienpredigten
   Papst und Kirche
Vorträge
Bildmeditationen
Geistliche Impulse
Persönliches
Fotogalerie
Kontakt
Links
 
 
 
 
 

Ordensjubiläum

(Predigt anlässlich eines 25. Ordensjubiläums)

 

Lieber N. N.,

liebe Schwestern und Brüder!

 

Es gibt Fragen, die verfolgen uns manchmal bis in die Nacht, ja bis in den Schlaf hinein. Zum Beispiel:

  • Wie kann ich noch mehr aus meinem Leben machen?

  • Wie kann ich meinem Leben noch mehr Sinn u. Inhalt geben?

  • Welches sind die wichtigsten Werte unseres Lebens? Oder:

  • Was muss ich tun, damit dieses, mein Leben, nicht nur im Detail, sondern als Ganzes gelingt?

Nicht wahr: Das sind doch die Fragen, die Wünsche, die Hoffnungen, die uns bewegen, die uns ständig auf Trapp halten. Das ist doch die Richtung, in die wir uns jeden Tag hineindenken und hineinträumen. Das Mehr, das Größere, das Alles! Das ganz und gar Andere! Und das am liebsten jetzt und hier.

 

Nun hat die Wissenschaft vom Menschen von altersher sich mit den unverzichtbaren und zugleich unausrottbaren Bedürfnissen und Hoffnungen beschäftigt und dabei herausgefunden, dass es drei Wichtigkeiten, drei Lebensheiligtümer gibt. Oder nennen wir es einfach „Urwünsche“, die dem Menschen unantastbar und heilig sind.

  • Da ist zum ersten der Wunsch, in meiner Einmaligkeit, in meiner Individualität und Personalität mit unvertauschbarem Namen und Gesicht erkannt und anerkannt zu werden.

  • Da ist zweitens der Wunsch, aus meinem Leben schöpferisch etwas machen zu können. (Macht im Sinne von Selbstmächtigkeit, aber auch Beweglichkeit und Freiheit.) Wir wollen an der Geschichte unseres Lebens selber mitschreiben und uns nicht ständig von anderen das Leben vorschreiben lassen.

  • Und da ist drittens der Wunsch, irgendwo hinzugehören, beheimatet, irgendwo zu Hause zu sein.

 

NAME, MACHT, HEIMAT: drei Grundwünsche des Menschen. Wie wichtig uns diese „Urwünsche“ sind, das merken wir dann, wenn sie in unserem Leben keinen Platz finden, wenn sie also nicht vorkommen.

  • NAME: Wir wehren uns dagegen unpersönlich nur als Fall, als Nummer verwaltet, als medizinisches Objekt behandelt, als Arbeits- und Kaufkraft ausgebeutet zu werden.

  • MACHT: Wir wehren uns dagegen, wenn wir bei Entscheidungen, die uns betreffen, nicht mitsprechen und mitwirken können, uns also ohnmächtig und fremdbestimmt erleben.

  • HEIMAT: Wir wehren uns, wenn wir stets „wie in der Fremde“ leben, wenn wir das Gefühl haben, keinen Ort, keine Gemeinschaft zu haben, wo wir hingehören, wo wir Wurzeln schlagen können und Geborgenheit erfahren.

 

Ein Letztes darf nicht vergessen und unterschlagen werden:

Diese drei Urwünsche des Menschen haben eine folgenreiche Eigenschaft: Sie sind unstillbar. Sie sind maßlos. Und sie sind grenzenlos. Das heißt: die Sehnsucht und das Verlangen des Menschen ist immer größer als das, was er erreichen und verwirklichen kann.

 

Ernesto Cardenal schreibt in seinem Buch von der Liebe:

„In den Augen aller Menschen wohnt eine unstillbare Sehnsucht. In den Pupillen der Menschen aller Rassen, in den Blicken der Kinder und Greise, der Mütter und liebenden Frauen, in den Augen des Polizisten und des Angestellten, des Abenteurers und des Mörders, des Revolutionärs und des Diktators und in denen der Heiligen. – In allen wohnt der gleiche Funke unstillbaren Verlangens, das gleiche heimliche Feuer, der gleiche tiefe Abgrund, der gleiche unendliche Durst nach Glück und Freude und Besitz ohne Ende."

 

 

Vielleicht denken und fragen manche von ihnen: Was hat das alles mit dem Ordensjubiläum von N. N. zu tun?

Wir sind doch zusammengekommen, um mit ihm zu danken, Gott zu danken, für die an ihn ergangene Berufung, Gott zu danken, dass N. N. diesen Ruf vernommen, ihm Gehör geschenkt und konkret Antwort gegeben hat, als er vor 25 Jahren dem Ruf Gottes gefolgt ist und in die Gemeinschaft der Kapuziner eintrat. Wir sind doch zusammen, um Gott nicht nur für die Gnade der Berufung, sondern auch für die Gnade der Treue zu danken.

 

Dass dies nicht leicht und nicht selbstverständlich ist, 25 Jahre in Treue zu einem Jawort zu stehen, dass es sowohl am Anfang als auch im Verlauf eines solchen Weges andere Möglichkeiten gibt, Möglichkeiten des Nichthörens und Folgens, des Ausweichens und des Davonlaufens, das wissen Sie alle so gut wie ich.

Aber eben: dass es anders ging, dass N. N. diesen Weg ging, das ist das nie ganz aufzuhellende Geheimnis mit ihm und sein ureigenstes Geheimnis mit Gott. Und das ist es wert, so meine ich, herausgestellt, bedacht und gefeiert zu werden.

Und doch: Was haben denn die drei genannten „Urwünsche“ mit dem zu tun, was wir heute feiern? Was haben diese drei Lebensheiligtümer, diese ganz tiefen und unausrottbaren Sehnsüchte mit der Berufung von N. N. zu tun, mit seiner Entscheidung vor 25 Jahren und mit seinem Dazustehen und Dabeibleiben bis heute?

 

Es gibt eine kleine Erzählung von Maurice Sendac:

Es ist die Geschichte eines kleinen Hundes namens Jennie. Er besaß alles, was sich ein Hund wünschen kann. Und doch: Eines Nachts nach einem kurzen Gespräch mit der Topfpflanze, die ihn beneidet, packt er seine Tasche und macht sich davon mit der Bemerkung: „Ich suche etwas, was ich nicht habe. Es muss im Leben mehr als alles geben.“

Wie ein Refrain zieht sich dieser Satz durch das ganze Abenteuer der kleinen Jennie, ob sie nun Versuchungen erliegt oder Gefahren trotzt, Wagnisse auf sich nimmt oder Aufgaben löst. Für die Heldin der Geschichte ist dieses „Mehr als alles“ der Antrieb zum Aufbruch und die Kraft zum Durchhalten.

 

Lieber N. N.!

  • War das nicht das Dich Bewegende, ob so formuliert oder nicht, als du vor gut 30 Jahren alles hinter Dir gelassen hast, als Du Deinen Beruf als Dreher aufgegeben hast, als du dein Elternhaus verließt und nach Sasbach ins Studienheim St. Pirmin gingst, um noch einmal die Schulbank zu drücken?

  • War dieses „Mehr als alles“ nicht der innere Impuls und der starke Antrieb, die engere Nachfolge Christi zu wagen und bei den Kapuzinern um Aufnahme ins Postulat und Noviziat zu bitten.

  • War dieses „Mehr als alles“ nicht auch die Kraft, den langen und mühseligen Weg des Philosophie- und Theologiestudiums zu beschreiten?

  • War dieses „Mehr als alles“ nicht auch die Motivation, als Du vor gut neun Jahren nach Gera gingst, um mit großer Bereitschaft und innerer Hingabe ein Leben bei und mit den Armen unserer Gesellschaft zu führen und zudem mit viel Engagement Deinen Dienst als Seelsorger im Krankenhaus zu tun: Dieses „Mehr als alles“?

 

Lieber N. N.,

liebe Schwestern und Brüder!

Wie können wir diesem Ziel, diesem „Mehr als alles“ näher kommen? Wie können wir die drei Urwünsche auch nur einigermaßen erfüllen? Gibt es da einen Zusammenhang zu dem, was Christus in den drei evangelischen Räten empfohlen hat?

 

Wenn wir ehrlich sind, werden wir spontan „nein“ sagen. Auf den ersten Blick scheinen unsere Lebensheiligtümer „Ansehen, Macht und Heimat“ mit den evangelischen Räten überhaupt nichts zu tun zu haben. Ja, diese Dinge scheinen sich zu widersprechen und einander im Weg zu stehen.

 

Ist das nicht für viele von uns überhaupt die Frage: Wie kann man eigentlich bei solch unbändigem Verlangen nach Ansehen, Macht und Heimat einen Weg wählen in Gehorsam, ohne Eigentum und in keuscher Ehelosigkeit?

 

Über das Ziel, das wir alle erreichen wollen, da sind wir uns im klaren. Nur der Weg dorthin, da gehen die Meinungen auseinander. Da gibt es solche, die glauben, allein auf sich gestellt, alles erreichen zu können, Ansehen, Macht, Reichtum. Und sie glauben, das wär’s dann und das wäre alles.

Und es gibt solche, die beim Erreichen dieses Zieles an Gott denken, ihm den ersten Platz einräumen, seinem Willen Vorfahrt geben, sich ihm ganz und gar verschreiben in dem Wissen, dass sie nichts aus sich selber sind und haben, sondern dass sie alles Gott, verdanken.

In der Tat: Wer kann mir mehr Ansehen und Macht und Sicherheit und Heimat geben als ER?

 

Inmitten einer Welt, in der viele wie besessen auf Geld aus sind und nach Besitz und Reichtum jagen, wo Wohlstand und sich Viel-Leisten-Können alles bedeutet, inmitten einer Welt der Raffgier, des Immer-mehr-haben-Wollens und doch Nie-genug-kriegen-Könnens, da bist Du, lieber N. N., den anderen Weg gegangen, den Weg Jesu, den Weg seiner ersten Jünger, den Weg des Hl. Franziskus, den Weg der evangelischen Armut.

 

Nichts gegen Besitz und Geld. Wir gebrauchen es zum Leben. Aber ist das alles? Macht das allein glücklich und zufrieden? Ist nicht in all dem etwas zu wenig? Ist die Sehnsucht des Menschen nicht viel größer?

Viele denken: „Man kann doch nicht leben, ohne etwas persönlich zu besitzen. Das gibt’s doch gar nicht!“ Doch es gab und gibt Menschen, die für sich nichts besitzen.

Der Hl. Franziskus konnte stundenlang beten: „Mein Gott und mein Alles.“ Sein Alles war Gott. Um Gottes willen hatte er alles losgelassen und seine Armut hat ihn froh und frei gemacht.

Sehen Sie: Wo einer sich ganz auf Gott einlässt und sein Leben IHM überlässt, da kann er getrost viele Dinge lassen. Ja, er wird froh und frei wie kaum jemand sonst.

 

Inmitten einer Welt, in der viele nach oben streben, Karriere machen wollen und nur eines im Sinn haben: Macht. Inmitten einer Welt, wo so vielen jedes Mittel recht ist, Korruption und Mobbing, um Einfluss zu haben, um eine Position zu haben, um am Drücker zu sein, da hast Du, lieber N. N., wiederum den anderen Weg gewählt, den Weg Jesu, den Weg des Dienens, der Verfügbarkeit, des Gehorsams.

Wer dazu bereit ist, verzichtet auf eigene Machtausübung um jeden Preis. Er verzichtet auf eigenen Durchsetzungswillen auf Teufel komm raus. Er wird frei, frei von aller Ichverkrampfung, frei für den Ruf Gottes, frei für den Dienst am Nächsten, frei für die Notsignale und Hilferufe der Zeit.

Viele denken: „Man kann doch nicht leben ohne Einfluss, ohne Position, ohne Macht.“ Doch es gibt Menschen, die sagen: „Für mich gibt’s nur eins: das Hören auf den Herrn.“ Das ist Gehorsam. Und nun lass ich Macht und Position um Gottes Willen. „Was der Mensch vor Gott ist, das ist er und nicht mehr.“ (Franz v. Assisi)

 

Inmitten einer Welt, in der das Ausleben der Sexualität das Glück schlechthin zu sein scheint, hast Du, lieber N. N., wieder den anderen Weg gewählt, den Weg Jesu, den Weg des Hl. Franziskus, den Weg der Ganzhingabe an Gott.

Wir verteufeln die Sexualität nicht. Sie ist eine Gabe Gottes. Sie hat ihren Wert. Aber alles ist sie nicht.

Und die Ehelosigkeit, die Du bei der Profess versprochen hast, ist auch keine Abwertung der Ehe. Die Ehe ist gut! Wir alle verdanken uns unseren Eltern. Ohne sie wären wir nicht.

Viele denken: „Man kann doch nicht ohne Partnerschaft leben. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.“ Doch es gibt Menschen, die sagen: „Nichts gegen die Ehe. Aber alles ist sie auch nicht." Sehen Sie: Wo jemand zum anderen sagt: „Du bist mein ein und alles“, da wird es gefährlich, da überschätzt er sich und erwartet vom anderen Menschen Unmögliches. „Mein ein und alles“, das kann kein Mensch auf Dauer halten und einlösen. Der Frust und die Enttäuschung sind vorprogrammiert. Alles ist der andere nicht. Gott, nicht ein Mensch ist mein ein und alles. „Gott nur genügt! – Solo dios basta!“ (Theresia von Avila)

 

Merken Sie, liebe Schwestern und Brüder, dass die drei Gelübde gar nicht so sehr Verzicht sind, sondern Bevorzugung? Gott den Vorzug geben, der Beziehung zu IHM Vorrang einräumen, der Verbindung zu IHM und letztlich der Freundschaft mit Jesus Christus absolute Priorität geben. So gesehen ist die Ordensberufung gar nicht in erster Linie Askese, kein säuerlicher Verzicht, sondern Leidenschaft für Gott und eine große Liebe.

 

Bei Exerzitien hat mir eine über 90 jährige Ordensfrau einmal gesagt: „Herr Pater, viel ist passiert in meinem Leben. Und viel hat sich geändert seit meinem Ordenseintritt. Geblieben ist die Liebe.“

 

Merken Sie, liebe Schwestern und Brüder, wie diese Lebensform, für die sich N. N. vor 25 Jahren entschieden hat – und es ist ja die Lebensform Jesu selbst – wie diese Lebensform und dieser Weg, der alternativ ist zu vielem, wie darin durchaus und vielleicht sogar eher und mehr als sonst wo unsere „Urwünsche“ zum Zug kommen und Erfüllung finden können?

Wer anders als Gott kann mir Einmaligkeit, Ansehen und Originalität geben, die ich mir wünsche? Wer anders als Gott kann mir Selbstmächtigkeit und Freiheit geben? Wer anders als Gott kann mir letzte Sicherheit, Geborgenheit und Halt verleihen? Jeder Mensch – und sei es der Liebste – ist damit hoffnungslos überfordert.

 

 

Lieber N. N.!

Liebe Schwestern und Brüder!

Wir alle sind auf einem Weg. Und wir suchen, was wir noch nicht haben. Wenn es aber stimmt, dass wir für das „Magis“, das „Mehr“ geschaffen sind, und wenn es stimmt, dass unser Herz nur Ruhe findet, wenn es ruht in Gott, dann gibt es gute Gründe, alles auf Gott zu setzen, sich IHM ohne Vorbehalt zu übereignen, mit Leib und Seele Ihm zu gehören und mit Haut und Haaren ganz sein Eigen zu sein. Totus tuus.

 

Lieber N. N.! Ich wünsche Dir und uns allen, dass wir in dem Verlangen, unsere Urwünsche und Sehnsüchte zu stillen, immer mehr und immer tiefer erfahren, dass Gott unser ein und alles ist, „Reichtum zur Genüge“, wie der Hl. Franziskus sagt, „unsere große Glückseligkeit“.

Danke, lieber N. N., für Dein Zeugnis des Glaubens! Danke für Dein Zeugnis der Treue! Danke für das Zeugnis eines Lebens in der Freundschaft mit Jesus Christus.

Möge Gott selbst Dein Lohn sein und dir alles reichlich vergelten! Und er wird es tun mehr als wir Menschen es vermögen und uns ausdenken können.

 

Amen

 

   Druckansicht

 

Seitenanfang