|
Waren Sie schon einmal in
Rom? Bei einer Romfahrt gehört – jedenfalls für christliche Pilger – ein
Besuch der Lateranbasilika zum Pflichtprogramm. Sie ist die erste der
großen römischen Basiliken. Und gilt – wie in großen Buchstaben am
Fassadenpfeiler steht – als „Mutter und Haupt aller Kirchen der Stadt
und des Erdkreises.“ – Ihre Anfänge reichen zurück ins 4.
Jahrhundert. Damals hat – nach langer Verfolgung – die Kirche durch
Kaiser Konstantin ihre Freiheit erlangt.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das Weihefest der
Lateranbasilika fällt in diesem Jahr auf einen Sonntag und verdrängt ihn
sogar. – Vielleicht fragen Sie sich: Wie ist das möglich? Darf das denn
sein? Der Sonntag ist doch der „Ur-Feiertag“, der „Herren-Tag“, der Tag
des auferstandenen Herrn! – Und hat ihn nicht auch das 2. Vatikanische
Konzil neu hervorgehoben, ihn groß herausgestellt? – In der Tat: In der
Liturgiekonstitution steht schwarz auf weiß geschrieben: „Andere
Feiern sollen ihm nicht vorgezogen werden, wenn sie nicht wirklich von
höchster Bedeutung sind. Denn der Herrentag ist Fundament und Kern des
liturgischen Jahres.“
Es ist gut, die
Wichtigkeit des Sonntags so klar zu sehen und den Sonntag als
österliches Fest zu feiern. Wenn wir heute dennoch ein Kirchweihfest
begehen, dann muss dieses Fest etwas mit dem Sonntag, dem Herrentag, zu
tun haben.
Eine erste Antwort
gibt uns die Tatsache, dass Papst Silvester diese Kirche dem „Salvator
mundi“, dem „Erlöser der Welt“ geweiht hat. Der jahrhundertealte Bau ist
ein steinernes Zeugnis für die große Wende, die durch den Erlöser Jesus
Christus in diese Weltzeit gekommen ist.
Eine zweite Antwort
gibt uns das Tagesgebet. Darin heißt es: „Allmächtiger Gott, du hast
gewollt, dass dein Volk Kirche heiße, denn wir sind dein Haus, in dem
deine Herrlichkeit wohnt.“ – „Wir sind dein Haus, in dem deine
Herrlichkeit wohnt.“ – Die Kirche, das Volk Gottes, zu dem ich
gehöre, also ich selbst: ein Ort, wo die Herrlichkeit Gottes wohnt, wo
Gott selbst Wohnung genommen hat. Was für eine Aussage! Ist das nicht
ungeheuerlich und faszinierend zugleich? Diese Nähe, diese unmittelbare
Gegenwart, dieses Innewohnen Gottes in jedem von uns? Und welche Würde
bedeutet das für alle Getauften und für jeden einzelnen von uns?
So erinnert das
heutige Kirchweihfest nicht nur an einen jahrhundertealten steinernen
Bau in Rom – zugegeben eine herrliche Kirche, eine ganz großartige
Basilika – nein, wir werden auch an unsere Würde erinnert. Wir sind,
jeder einzelne von uns ist, Tempel Gottes. In uns wohnt Gottes Geist.
Und wo immer heute Gemeinde zusammenkommt, in Gengenbach, Offenburg,
Freiburg…, in der Lateranbasilika selbst, überall auf der Welt, werden
wir Christen an unsere Würde erinnert.
Das Kirchweihfest
ist ein Fest der Christenwürde! Jeder Christ ist sozusagen „hochwürdig“,
nicht auf Grund von eigener Leistung, nicht auf Grund eigener
Verdienste, sondern durch Erwählung, Berufung, durch unsere Heiligung in
der Taufe, letztlich aus Gnade.
Wenn das so ist, dann
können wir uns fragen: Merkt man das uns Christen an? Verhalten wir
uns entsprechend? Wie sprechen wir von einander? Welchen Umgangsstil
pflegen wir miteinander? Zeichnet er sich aus durch Respekt, Toleranz,
Bereitschaft zu geschwisterlichem Teilen? – Sehen Sie: Unsere
Christenwürde ist nicht nur Gabe, sondern auch Aufgabe, ja noch mehr:
Unsere Christenwürde enthält Sendung und Auftrag.
Der Prophet Sacharja
hat in seiner Zeit folgendes verkündet: „In jenen Tagen werden zehn
Männer aus Völkern aller Sprachen einen Mann aus Juda am Gewand fassen,
ihn festhalten und sagen: Wir wollen mit euch gehen, denn wir haben
gehört: Gott ist mit euch!“ (Sach 8, 23)
In diesen Worten,
liebe Schwestern und Brüder, wird unsere Kirchenberufung deutlich,
unsere Sendung, unser Auftrag. – Denn auch heute halten Menschen
Ausschau nach Frauen und Männern in der Kirche, denen man anmerkt: Gott
ist mit ihnen; bei denen man spürt: sie sind erfüllt von Gottes Geist,
sie sind wirklich Glaubende, Hoffende und Liebende.
Wir wollen mit euch gehen,
denn wir haben gehört, ja, wir sehen es selbst: Gott ist mit euch! Ach,
wenn doch viele das von uns sagen könnten!
Gefragt sind Menschen,
die Zeugnis geben von der Hoffnung, die sie trägt, vom Vertrauen, das
sie prägt, von der Sehnsucht, die sie bewegt, von Gott, der zu uns steht
und mit uns geht. Gefragt ist ein überzeugendes, glaubwürdiges,
beispielhaftes Christenleben.
Schon vor mehr als acht
Jahrzehnten hat der Jesuitenpater Alfred Delp bohrende Fragen zu Papier
gebracht, die uns heute an diesem Kirchweihfest bewegen und uns
vielleicht heilsam unruhig machen können: „Sind wir noch glühende
Menschen? Ist noch irgendeine Leidenschaft in unserer Seele, für die man
sich einsetzt? Oder ist alle nüchtern und dürftig und schön geordnet,
dass es kein Herz mehr entzündet? Der glühende Mensch! nicht der
Fanatiker! Das ist der Mensch auf den Kirche gebaut hat.“
|