Evangelium
Ist keiner umgekehrt,
um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
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Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
11Es
geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von
Samárien und Galiläa.
12Als
er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen.
Sie blieben in der Ferne stehen
13und
riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
14Als
er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es
geschah: Während sie hingingen, wurden sie rein.
15Einer
von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte
Gott mit lauter Stimme.
16Er
warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser
Mann war ein Samaríter.
17Da
sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun?
18Ist
denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
19Und
er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Das Evangelium erzählt die
Begegnung von zehn Aussätzigen mit Jesus. Hoffnungslose Fälle,
ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Gesunden, dahinvegetierend in
Erdhöhlen, zwar noch am Leben und doch so gut wie tot. – Diese zehn
haben unwahrscheinliches Glück. Sie werden gesund. Sie werden dem Leben
wieder gegeben. Sie dürfen zurückkehren in ihr Haus, zu ihrer Familie,
zurückkehren in ihren Beruf und in ihr alltägliches Leben.
Aber nur einer von
ihnen kehrt zu Jesus zurück. Nur einer von ihnen verwandelt sein Glück
in Dank. Er wirft sich vor Jesus nieder und gibt Gott die Ehre. Jesus
fragt: „Wo sind die anderen neun?“ 9 zu 1: eine denkbar schlechte
Quote! Und dieser eine ist ausgerechnet noch ein Samariter!
Auch die neun
anderen sind froh, wieder gesund zu sein, ganz bestimmt! Sie sind
glücklich, wieder dazu zu gehören, wieder am Leben teilnehmen zu dürfen.
– Doch sie betrachten ihre Heilung wie einen Zufall, den sie einstecken,
um dann ihres Weges zu ziehen. – Der Samariter sieht seine Heilung mit
anderen Augen. Sie ist für ihn nicht selbstverständlich. Er staunt
darüber, dass Gott ihm das Leben neu geschenkt hat. Er blickt von dem,
was er empfangen hat, hin zu dem, der es ihm geschenkt hat.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Denken und Danken hängen
zusammen. Denken – auch nur einen Augenblick – ist der erste Schritt zum
Danken. Was haben wir, das wir nicht empfangen haben? Doch wem sollen
wir danken? Dem Zufall, dem Schicksal, unserer gesunden Natur, unserem
gute Immunsystem …?
„Gott sei Dank“,
sagen wir oft unüberlegt dahin. Meistens ist es eine Floskel. Doch
selbst in dem spontan und oberflächlich Dahingesagten schwingt noch eine
Erinnerung daran mit, dass das Leben weiter und tiefer reicht als alle
Erklärungen.
Im 16. Jahrhundert lebte
in Rom ein einfacher Kapuzinerbruder: Felix von Cantalice. Die
Kirche hat ihn sogar heiliggesprochen. Zu Lebzeiten nannte ihn freilich
niemand Felix. In ganz Rom war er bekannt als „Bruder Deo gratias“, als
Bruder „Gott sei Dank“. Und warum? Weil er bei jeder Gelegenheit „Deo
gratias“ sagte. Wenn er einen Gruß erwiderte, für eine milde Gabe
dankte, eine freudige Überraschung erlebte, immer war seine Antwort:
„Deo gratias.“
Wir haben uns angewöhnt,
nur noch über das Außergewöhnliche zu staunen – und dafür vielleicht
auch zu danken. Für das Alltägliche, für das Selbstverständliche, für
das Schlichte haben wir den Blick verloren. – Es ist eine Frage des
Hinschauens und Wahrnehmens. Jeden Tag – immer wieder neu – gibt es
Gründe und Anlässe genug zum Danken. Die Welt ist voll von großen und
kleinen Freuden. Die Kunst besteht darin, sie zu sehen. Wer sensibel
dafür ist, dass er – Tag für Tag – reichlich beschenkt wird, der kann
eigentlich gar nicht anders, als dankbar zu sein. Ja, ich habe tausend
Gründe, um zu danken.
Und noch etwas
geschieht, wenn wir dem Danken Raum geben und mehr und mehr eine „Kultur
der Dankbarkeit“ entwickeln: Wir sehen, wie das Jammern und Klagen
verstummt, wie die Zuversicht wächst und wie sich die Freude breit
macht. Sich in Dankbarkeit üben, erhöht die Zufriedenheit. Dankbarkeit
macht das Leben reich.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Heute feiern wir das
Erntedankfest. Wir tun es in einer Zeit, in der die Menschen sich schwer
tun mit dem Danken. Ein Grund ist die Gedankenlosigkeit. Gehen wir nicht
viel zu gedankenlos und unaufmerksam durch das Leben, übersehen so viel
Gutes und Schönes und vergessen das Danken? Ein anderer Grund, der uns
am Danken hindert, ist die Selbstverständlichkeit. Nehmen wir nicht
vieles allzu selbstverständlich? Doch sagen Sie es selbst: Was ist schon
selbstverständlich? Ein weiterer Grund ist das überzogene
Anspruchsdenken. Der moderne Mensch meint, dieses oder jenes unbedingt
haben zu müssen, er fordert ein, stellt Ansprüche.
Doch unser Leben, unsere
Gesundheit, unser Wohlstand, auch eine gute Ernte sind nicht
selbstverständlich. – Gott ist letztlich der Geber aller Gaben und der
Ursprung von allem Guten.
Und so ist es in der Tat
„würdig und recht“ – wie wir in der Eucharistiefeier, der großen
Dankfeier der Kirche, beten:
„In Wahrheit ist es
würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.“
Ja, „lasst uns danken,
dem Herrn, unserem Gott!“ |