Exerzitien mit P. Pius

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"Heimgang"

(Predigt bei einer Trauerfeier)

„Wenn man stirbt, muss man dann Angst haben? Wie geht das – Sterben?“ fragt das Kind. – Die Mutter fragt zurück: „Wie geht das, wenn du abends plötzlich deine Augen nicht mehr aufhalten kannst, auf dem Sofa einschläfst und morgens in deinem Bettchen aufwachst?“ – „Dann hast du mich auf die Arme genommen und vom Wohnzimmer in mein Bett getragen“ - strahlt das Kind.

„Siehst du“, erklärt die Mutter, „so ähnlich ist das mit dem Sterben. Wenn man zu schwach oder zu krank geworden ist, um noch auf der Erde leben zu können, fallen die Augen zu wie einem tiefen Schlaf, auf dem man auf der Erde nicht mehr aufwacht. – Dann nimmt uns Gott in die Arme und trägt uns aus dieser Welt nach Hause, in den Himmel. Da gehen uns dann die Augen auf wie noch nie in diesem Leben, und wir merken, wie lieb Gott uns hat.“

 

„Wenn man stirbt, muss man dann Angst haben?"

Einen Tag bevor Frau N. ins Krankenhaus kam, habe ich sie noch einmal zu Hause besucht. Sie hat auf eigenen Wunsch gebeichtet, d.h. das Sakrament der Versöhnung empfangen. Anschließend haben wir uns noch unterhalten.

Thema war, wie es bei ihr weitergeht. Ihr Wunsch: Krankenhaus, Palliativstation. Und wenn im Hospiz ein Platz frei wird, dann dorthin wechseln.

Thema war aber auch das Sterben. Und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie Angst davor hatte. Ganz im Gegenteil. Sie war bereit. Sie war bereit, aus dieser Welt hinüberzugehen, heimzugehen.

Ich weiß nicht, ob ich sie in diesem Gespräch trösten, sie ermutigen, ihr Hoffnung geben konnte. Eines weiß ich: Ich selbst ging gestärkt nach Hause zurück.

 

Erneut habe ich Frau N. erfahren als eine zutiefst gläubige, eng mit Gott verbundene, in der Gegenwart Gottes lebende Frau, verwurzelt und geborgen in einem ganz großen Gottvertrauen, so dass ich dachte: davon kannst du dir eine Scheibe abschneiden.

 

„Wenn man stirbt, muss man dann Angst haben?"

Ich finde es interessant und vielsagend, dass wir als gläubige Christen, wenn es um Sterben und Tod geht, von „heimgerufen werden“ und von „heimgehen“ sprechen. – Das tat übrigens auch unsere Verstorbene in besagtem Gespräch. Nun ist sie „heimgegangen“, am Schluss für mich doch überraschend, schneller als ich dachte.

 

„Heimgegangen!“

Liebe Schwestern und Brüder, wenn man es so sieht, gläubig sieht, dann liegt – bei aller Trauer und bei allem Schmerz – auch Hoffnung und Zuversicht über dieser Stunde des Abschieds, Hoffnung für einen Menschen, der aus der Kraft des Glaubens gelebt hat, der in der Gemeinschaft der Kirche beheimatet war und auf ein – zwar nicht immer leichtes – aber doch erfülltes Leben in ihrem Beruf, für die Familie und für andere zurückblicken kann.

 

Und so dürfen wir, liebe Angehörige, vertrauen, ja gewiss sein, dass das Leben Ihrer Gattin, Mutter, Oma und Uroma, ihrer Schwester und Verwandten, bei Gott angekommen ist, dass ihr irdischer Weg sein Ziel gefunden hat – im Licht und im Frieden bei Gott. – Frau N. hat darauf vertraut und daran geglaubt, dass es ein Jenseits gibt, dass es den Himmel gibt, und dass sie dort erwartet wird.

Herr N. hat mir erzählt, dass er seine Frau im Krankenhaus gefragt hat: „Denkst Du an Jesus?“ Und sie sagte: Ja. Dann hat er sie gefragt: „Denkst Du an das Paradies?“ Da hat sie gestrahlt!

Das zu hören, hat mich tief beeindruckt.

 

Liebe Trauergemeinde, Schwestern und Brüder,

auch wir Christen trauern beim Verlust eines lieben Menschen, aber wir trauern nicht, wie die, die keine Hoffnung haben. Denn für uns ist der Tod nicht Ende, sondern Wende, kein Schlusspunkt, sondern alles verheißender Doppelpunkt. Unser Leben endet nicht in einer Sackgasse. Am Schluss steht keine hohe unüberwindliche Mauer. Der Tod ist für uns Christen vielmehr Pforte, Tor, Durchgang, Hinübergang, Heimkehr. – Diese Wahrheit des Glaubens bekräftigt ein Gebet der Kirche. Da heißt es: „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ (Präfation für Verstorbene I)

 

Liebe Trauergemeinde, Schwestern und Brüder!

Ich finde es schön und bemerkenswert, dass die Trauerfeier von Frau N. auf den heutigen Tag fällt und dass wir ihren irdischen Leib heute zu Grabe tragen, heute, am 4. Oktober. Heute feiert die Kirche nämlich das Fest des heiligen Franziskus. Und Franz von Assisi hat, als er im Sterben lag, seinem berühmten Sonnengesang noch eine Strophe hinzugefügt. Und so wie er in den anderen Strophen die Sonne, den Mond und die Sterne, Wasser, Feuer und Erde als Bruder bzw. Schwester anspricht, so nennt er auch den Tod Bruder. „Laudato si, o mi signore, gelobt seist du, mein Herr, für unseren Bruder, den Tod.“ Fröhlich ging er ihm entgegen und hieß ihn willkommen: „Sei willkommen, mein Bruder Tod!“

 

Der Grund für diese Art des Sterbens, des Heimgangs – ohne alle Angst – der Grund scheint in einem Wort an seinen Arzt auf: „Mut, Bruder Arzt, sag es mir nur, dass der Tod sehr nahe ist. Er wird mir die Pforte zum Leben sein.“ – Der Tod wird mir die Pforte zum Leben sein. Das war auch die Hoffnung, ja ich möchte sagen, die gläubige Gewissheit von unserer lieben Verstorbenen.

 

Und so glauben wir, dass Frau N. ihr Leben nicht beendet, sondern vollendet hat, dass es seine Vollendung gefunden hat in der Liebe und im Leben bei Gott, wo es keine Tränen mehr gibt, keine Trauer, keine Klage, keinen Schmerz, wo nichts mehr schwer ist, sondern alles leicht. Und alles Licht und Glück und Freude.

 

Vom heiligen Augustinus stammen die Worte: „Aus Gottes Hand empfing ich mein Leben. – Unter Gottes Hand gestaltete ich mein Leben. – In Gottes Hand gebe ich mein Leben zurück.“

Diese Aussage des großen Kirchenlehrers gilt meines Erachtens voll und ganz auch für unsere liebe Verstorbene. Wir dürfen sie in Gottes guten Händen aufgehoben und am Herzen Gottes geborgen wissen. – Welch hoffnungsvolle und trostreiche Botschaft! Unser Leben läuft nicht ins Leere. Es hat ein Ziel. „Wir wandern“, wie es in einem Lied heißt, „der ewigen Heimat zu“.

 

„Wenn man stirbt, muss man dann Angst haben?"

Eigentlich nicht. Denn wenn der Tod unsere Augen schließt, dann werden wir in ein helles Licht gehen, ein Licht, von dem unser Sonnenlicht nur ein Schatten ist.

 

In einem Gedicht heißt es:

„Wir treten aus dem Schatten – bald in ein helles Licht.

Wir treten durch den Vorhang – vor Gottes Angesicht.

Wir legen ab die Bürde – das müde Erdenkleid;

Sind fertig mit den Sorgen – und mit dem letzten Leid.

Wir treten aus dem Dunkel – nun in ein helles Licht.

Warum wir’s Sterben nennen? – Ich weiß es nicht.“

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