„Wenn jemand mich liebt, wird er
an meinem Wort festhalten. Mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm
kommen und bei ihm wohnen.“
Eine erstaunliche Aussage! Tiefe, unergründliche
Worte!
„Wer mich liebt, hält fest an
meinem Wort. Mein Vater wird in lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm
wohnen.“
Ein Rabbi
überraschte seine Schüler mit der Frage: „Wo wohnt Gott?“ Sie lachten und
sagten: „Was für eine Frage! Die Welt ist doch voll von seiner Herrlichkeit!“ –
Der Rabbi beantwortete seine eigene Frage so: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt!“
–
„Wenn jemand mich liebt, wird er
an meinem Wort festhalten. Mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm
kommen und bei ihm wohnen.“
Wo wohnt Gott?
Eine uralte Frage. Menschen aller Zeiten haben
sie gestellt.
Und vielfältig sind die Antworten: Gott wohnt im
Himmel. Gott wohnt in der Natur. Den alten Völkern haben die Gestirne als
Wohnsitze des Göttlichen gegolten. Auch Berge, Felsen, Quellen, Flüsse, Bäume
... sahen sie als Wohnstätten der Götter.
Tatsächlich ist Gott in seiner
Schöpfung. Aber seine Gegenwart ist nicht auf bestimmte Bereiche beschränkt. „Überall ist er ..., Höhen Tiefen, sie sind sein“, heißt es in einem Lied.
Franziskus schaute in allem Gott.
Und der heilige
Ignatius lehrt, „Gott zu finden in allen Dingen.“ Viel mehr als wir
denken, ist Gott da. Gott ist gegenwärtig und er will uns begegnen und wir
können ihm begegnen. In einem Tagesgebet heißt es: „Gott, du bist da,
deine Gegenwart umhüllt und durchdringt uns wie die Luft, die wir atmen
und ohne die wir nicht leben können“.
„In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“,
sagt Paulus den Athenern auf dem Areopag.
Wo wohnt Gott?
Das alttestamentliche Gottesvolk war
zutiefst von dem Glauben durchdrungen, das Gott mitten in seinem Volk wohnt, -
und dass er in besonderer Weise im Tempel zu Jerusalem zugegen ist.
Dabei aber war man sich bewusst, dass
dieser Tempel den allgegenwärtigen, unermesslichen Gott nicht zu fassen vermag.
Bei der Einweihung des Tempels fragt König Salomo erstaunt:
„Wohnt denn Gott wirklich auf der Erde?“ Und er betet: „Siehe, selbst der Himmel und die Himmel der Himmel
fassen dich nicht, wie viel weniger das Haus, das ich gebaut habe!“ (1 Kön
8, 27)
Beim Propheten Ezechiel spricht
Gott: „Ich werde mitten unter ihnen für immer mein Heiligtum errichten
und bei ihnen wird meine Wohnung sein. Ich werde ihr Gott sein und sie werden
mein Volk sein.“ (37, 26f.)
Und der Prophet Sacharja lässt Gott seinem Volk künden:
„Juble und freue dich, Tochter Zion; denn siehe, ich komme und wohne in
deiner Mitte – Spruch des Herrn.“ (2, 14)
Ähnliches hörten wir auch in der Lesung
aus der Offenbarung des Johannes: Im endzeitlichen Jerusalem steht kein Tempel
mehr, weil Gott, der Herr, selbst sein Tempel ist und das Lamm ist die Leuchte.
In einer Vision schaut Johannes, wie
das neue Jerusalem vom Himmel auf die Erde herabsteigt. Und er hört eine
Stimme vom Thron her rufen: „Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er
wird in ihrer Mitte wohnen und sie werden sein Volk sein. Und er, Gott, wird bei
ihnen sein." (21, 3)
Wo wohnt Gott?
Gott wohnt unter den Menschen. Gott wohnt in
seinem Volk. Er ist ihm ganz nahe. Das ist eine Botschaft, die die Bibel immer
wieder hervorhebt.
Doch heute im Evangelium aus den
Abschiedsreden Jesu wird all das überboten. Da sagt Jesus gleichsam als letztes
Vermächtnis, dass der Vater und er in jedem einzelnen Gläubigen Wohnung nehmen:
„Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort
festhalten. Mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm
wohnen.“
Wir, jede und jeder von uns, Wohnung Gottes! Gott
in uns.
Das ist Frohe Botschaft! Für mich ist das die Froheste aller
Frohbotschaften. Das ist unendlich beglückend. Das ist Quelle der Freude
und der Zuversicht: Gott nicht nur im Himmel, nicht nur in seiner
Schöpfung. Gott nicht nur in einem Haus aus Stein, auch nicht nur in
seinem Volk und in seiner Gemeinde, sondern darüber hinaus in jedem Gläubigen.
Das ist ein nie ganz zu fassendes Geheimnis, eine nie ganz zu begreifende
Wahrheit. Man muss es sich immer wieder vorsagen, meditieren, verkosten,
es ganz tief aufnehmen und es sich immer wieder bewusst machen. Ein
Meditationswort lautet: „Du ströme in mir, ich gebe mich dir!“ Oder noch kürzer:
„Du in mir, ich in dir!“
Der Apostel Paulus spricht an
verschiedenen Stellen seiner Briefe von diesem Geheimnis: „Wisst ihr nicht, dass ihr ein Tempel Gottes seid und dass Gottes
Geist in euch wohnt?“
Wir sind der Tempel Gottes. In
uns wohnt Gottes Geist.
Das ist unsere Berufung! Das ist unsere
Identität. Das ist unsere Würde als Getaufte. Das ist total positiv. Das sollten
wir immer bedenken und nie vergessen. Wir sehen es oft nicht oder viel zu wenig.
Auch bei den Mystikern finden wir die Aussage:
Gott wohnt in uns. Meister Eckehard sagt z.B.: „Ich bin des so gewiss
wie ich lebe, dass nichts mir so nahe ist wie Gott.“ Es gibt einen
Gefährten, der uns von Geburt an begleitet, Gott, tief innen in unserer Seele.
Augustinus sagt: Gott ist uns näher als
wir uns selbst.
Edith Stein greift dieses augustinische
Wort auf und formuliert in einem ihrer Gebete: „Du,
näher mir als ich mir selbst und innerer als mein Innerstes, göttliches Licht,
heiliger Geist, ewige Liebe.“
Angelus Silesius hat in
seinem Cherubinischen Wandersmann den Vers: „Halt an! Wo läufst du hin? Der
Himmel ist in dir! Suchst du Gott anderswo, du fehlst ihn für uns für.“
Der Himmel ist in dir! Gott ist in dir! Suche
Gott in dir!
In einem Gedicht von Theresa von Avila spricht
Gott:
Wenn dein Sehnen Mich nicht findet,
dann such nicht dort und such nicht hier; gedenk, was dich im Tiefsten bindet,
und, Seele, suche Mich in dir.
Du bist Mein Haus und Meine Bleibe,
bist Meine Heimat für uns für.
Ich klopfe stets an deine Tür,
dass dich kein Trachten von Mir treibe.
Und meinst du, Ich sei
fern von hier, dann ruf Mich und du wirst erfassen, dass Ich dich keinen Schritt
verlassen: und, Seele, suche Mich in dir.
Gott sagt
zum Menschen: „Du bist mein Haus und meine
Bleibe, bist meine Heimat für und für.“ Und: „Suche
mich in dir!“.
Gott ist ganz nahe. Er ist
uns wirklich näher als wir uns selbst.
H. Nouwen
erzählt in einem Buch, wie er sieben Monate zu Gast war in einem amerikanischen
Trappistenkloster. Zu Beginn dieser Zeit bat er den Abt um ein
Meditationswort. Der Abt sagte ihm: „Meditieren
Sie diese Zeit hindurch das Wort: Ich bin die Herrlichkeit Gottes.“ Und er fügte hinzu:
„Sie sind der
Ort, den Gott sich zur Wohnung erwählt hat. Und das geistliche Leben besteht in
nicht mehr und nicht weniger als in dem Versuch, ihm den Raum zu schaffen, in
dem sich seine Herrlichkeit offenbaren kann.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir das
glauben könnten: „Ich bin die
Herrlichkeit Gottes“.
In mir wohnt die
Herrlichkeit des dreifaltigen Gottes. Das wäre beseligend. Das würde alle Angst
vertreiben. Das könnte unser Herz weit machen und froh.
Bei
Johannes Tauler findet sich das Wort: „Wer sehen
könnte, wie im Seelengrund Gott wohnt, den würde dieses Gesicht selig machen.“
Die Frage
ist: Was können wir tun,
dass wir des Wohnens Gottes in uns, der Herrlichkeit Gottes in uns, immer mehr
innewerden?
Was können wir tun,
dass diese Kostbarkeit uns beseligt und dass wir darin aufleben?
Ein erstes:
Wir können uns dessen betend immer wieder erinnern! Betend, meditierend uns der
Gegenwart Gottes in uns, seines Wohnens in uns innewerden. Innewerden,
welches Licht in uns ist – unter aller Verhüllung und Überlagerung, bei aller
Unordnung, die da manchmal herrscht und aller Armseligkeit. „Göttliches
Licht, heiliger Geist, ewige Liebe! Du, näher mir als ich mir selbst, innerer
als mein Innerstes“ Innewerden, dass tief in meinem Wesensgrund Gottes Geist, Gottes Kraft,
Gottes Gnade eingesenkt ist und mich erfüllt, durchdringt, belebt und beseelt.
Glauben, dass Gott in
mir ist, sich bewusst einüben in die Gegenwart Gottes. Gott ist gegenwärtig.
Leben in der Gegenwart Gottes.
Ein zweites:
Wenn Gott selbst in mir wohnt, wenn Christus in mir Wohnung genommen hat, wenn
ich Tempel des heiligen Geistes bin, sollte dann nicht auch Gottes Liebe und
sein Friede in mir wohnen, mich immer mehr prägen, formen und bestimmen, aber
dann auch ausstrahlen, dass ich wie ein Fenster durchscheinend werde und Gottes
Liebe, Gottes Licht, Gottes Friede weitergebe.
Ein drittes: Tempel Gottes bin nicht nur ich. Auch der neben mir, der Bruder, die Schwester
ist Tempel Gottes. Auch in ihm wohnt Gottes Geist. Auch sie ist Wohnort der
Liebe Gottes. Auch die, die mich nervt; auch der, den ich nicht so gut leiden
kann; auch die Lästige und Unausstehliche; auch der Unsympathische, mit dem ich
Mühe habe; auch der, auf den ich schon allergisch reagiere, wenn ich ihn nur
sehe und den ich am liebsten zum Mond schießen würde.
Versuchen zu
lieben! Die Liebe üben, Geduld haben, auch wo’s schwer fällt. Verzeihen, sogar dort, wo
ich nicht schuld bin.
„Wenn ihr nur die liebt, die
euch lieben, welchen Lohn wollt ihr dafür erhalten. Tun das nicht auch die
Heiden?“
Vergessen wir nicht:
Es ist Liebe zu Gott, wenn wir die Schwester, den Bruder lieben.
Und: „Wo die Güte und die Liebe, da ist Gott.“
Ubi caritas et amor, deus
ibi est. |