Evangelium
Ist keiner umgekehrt, um
Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
11 Es
geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von
Samárien und Galiläa.
12 Als
er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen.
Sie blieben in der Ferne stehen
13 und
riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
14 Als
er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es
geschah: Während sie hingingen, wurden sie rein.
15 Einer
von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte
Gott mit lauter Stimme.
16 Er
warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser
Mann war ein Samaríter.
17 Da
sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun?
18 Ist
denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
19 Und
er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
Viele moderne geistliche Lieder, die vor fünfzig Jahren komponiert und
gern gesungen wurden, sind längst vergessen. Ein Lied hat sich gehalten.
Jeder kennt es. Landauf landab wurde und wird es noch in Ferienlagern,
bei Freizeiten, Kinder- und Schulgottesdiensten gesungen. Es ist
sozusagen ein Evergreen: „Danke für diesen
guten Morgen…“
Das Lied
ist 1961 entstanden. Es stammt von dem Freiburger Theologen, Kantor und
Organist Martin Schneider. 2017 ist er im Alter von 86 Jahren
verstorben. Sein Lied hat Eingang ins evangelische Gesangbuch gefunden
und in etliche Regionalteile des neuen Gotteslobs. „Danke“ ist sogar
eines der wenigen geistlichen Lieder, das es (in den 60-er Jahren) in
die Plattencharts und Hitparaden geschafft hat. 1963 erhielt das Lied
den ersten Preis der Evangelischen Akademie Tutzing.
Die
Melodie ist schlicht. Der Beliebtheit tat das und tut das keinen
Abbruch. Auch der Text ist einfach. Für manche Theologen und
Literaturwissenschaftler zu einfach? Die katalogartig aufgezählten
Gründe zum Danken haben jedoch viele Menschen angesprochen und ihnen
Worte und Töne für eine gesungene Danksagung gegeben.
Die
Gründe und Anlässe, dankbar zu sein, sind viele.
Und so
erfuhr das Lied unzählige Textvariationen. Man könnte die Liste noch
erweitern und das Danken zur Endlosschleife ausdehnen. Offensichtlich
spüren und merken viele Menschen, wie gut es tut, Gott einfach „danke“
zu sagen.
Und wofür?
– Das ist bedenkenswert: Für den guten Morgen – den neuen Tag – für gute
Freunde – für die Arbeitsstelle – das kleine Glück – die Musik – für ein
gutes Wort – und dass ich Gott meine Sorgen anvertrauen kann – dass ich
in seiner Hand bin – dass ich dem Feind verzeihen kann, dass Gott mich
leitet – dass er mir seinen Geist schenkt – dass er die Menschen liebt –
und sein Heil grenzenlos ist, – und sogar: danken, dass ich danken kann.
Ja, arm, wer nicht mehr dankt, arm, wer nicht mehr danken kann!
Mit Sicherheit
war 1961 das Danken ebenso wenig selbstverständlich wie heute – auch
wenn damals noch bei jedem Kind stereotyp nachgefragt wurde: Hast du
auch danke gesagt?
Aber
damals wie heute haben wir Grund zu danken, zu danken für vieles, was
nicht selbstverständlich ist. Aber halten wir nicht vieles für allzu
selbstverständlich und vergessen wir darum nicht allzu oft zu danken?
Liebe
Schwestern und Brüder!
Damit
stehen wir mitten im heutigen Evangelium (Lk 17, 11 - 19). Es trägt in
den Bibelausgaben gewöhnlich die Überschrift: „Der dankbare
Samariter.“ – Zu recht! Denn nur dieser kommt zurück, um zu danken.
Er allein dankt Jesus für seine Heilung. Und Jesus fragt: „Wo sind
die übrigen neun?“ Neun zu eins: eine denkbar schlechte Quote! Und
der eine ist auch noch ein Ausländer, ein Nicht-recht-Gläubiger. Doch
nur er hört die Worte: „Steh auf und geh, dein Glaube hat dir
geholfen.“
Was in
den anderen neun vor sich ging, wissen wir nicht.
Ob die
Freude an ihrer heilen Haut, an ihren gesunden Gliedern so groß war,
dass sie an nichts anderes mehr dachten?
Oder ob
bereits neue Wünsche, Sehnsüchte, Vorhaben auf dem Weg zurück zur
Familie, zur Arbeit und in die Gesellschaft für sie so wichtig und
vorrangig waren, dass sie alles andere vergasen, auch das Danken? –
Vielleicht haben sie das alles auch für ganz normal und
selbstverständlich hingenommen: Und warum soll man für etwas, das
selbstverständlich ist, danken?
Liebe
Mitchristen!
Ist das
nicht eine schleichende Gefahr und eine permanente Versuchung in unserem
Leben, vieles zu selbstverständlich zu nehmen? Diese
Selbstverständlichkeit und Gedankenlosigkeit führt früher oder später
bewusst-unbewusst hin zu dem Grundübel – ich möchte es Dankvergessenheit
nennen.
Dankvergessenheit
– es gibt sie auf vielfache Weise:
Nehmen
wir vieles nicht allzu normal und selbstverständlich, was ganz und gar
nicht selbstverständlich ist: dass wir gesund sind, dass wir täglich
aufstehen können, dass wir unsere Glieder regen und unsere Sinne
gebrauchen können, dass wir sehen, hören, riechen können – und uns
bewegen, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, zu essen und zu trinken,
und dass es uns schmeckt und bekommt.
Besuchen
wir doch einmal ein Krankenhaus, die Pflegestation eines Altenheimes
oder ein Heim für Behinderte? Oder denken wir einfach nur mal zurück, wo
wir selbst krank waren, um zu erkennen, wie wenig selbstverständlich es
ist, gesund zu sein, einigermaßen wenigstens gesund zu sein, – dass wir
ein Zuhause haben, dass es Menschen gibt, mit denen wir zusammenleben,
die uns gut sind, bei allen Macken und Fehlern, die letztlich jeder hat.
Doch sagen Sie es selbst:
Sind Freundschaft, Liebe und Vertrauen selbstverständlich? Oder
Hilfsbereitschaft, Güte, Verzeihen? Sind sie nicht ein Geschenk? Ist
nicht alles, was wir sind und haben, letztlich Gabe, Geschenk, Gnade?
Vor allem
auch SEINE Liebe, SEINE Güte, SEINE Treue und SEIN Erbarmen?
So stellt
das heutige Evangelium uns auch die wichtige Frage: Danken wir für das
unfassbare Geschenk der Gnade, der Erwählung, der Erlösung. Danken wir
für die Gemeinschaft der Glaubenden, für die Kirche, in er Jesus – trotz
aller Sünden und Skandale – lebt und wirkt? – Nehmen wir das alles nicht
manchmal auch viel zu selbstverständlich? Dass wir Christen sind,
getauft, angenommen, erlöst, geliebt, in Gottes Hand – berufen zur
ewigen Gemeinschaft und Vollendung mit ihm?
Liebe
Schwestern und Brüder!
Unseren
zentralen Gottesdienst, die heilige Messe, nennen wir Eucharistie, das
heißt Danksagung und Lobpreis. Hier feiern wir das Lebenswerk Jesu
Christi, seine Erlösungstat, seinen Tod, seine Auferstehung, seine
Herrlichkeit und Wiederkunft – wie wir ja nach der Wandlung als
„Geheimnis unseres Glaubens“ gemeinsam beten und bekennen. So kehren wir
immer wieder zu Gott zurück und bringen Lob und Dank, Anbetung und Ehre,
IHM, von dem alles Gute kommt und unser Heil und unsere Erlösung.
|