Exerzitien mit P. Pius

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Danken aber wem?

(Predigt zum Erntedankfest 2020)

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Sie alle haben bestimmt schon den Satz gehört: „Da habe ich aber Schwein gehabt!“ – Vielleicht haben wir ihn auch schon selbst gesagt. Gewöhnlich denken wir gar nicht viel dabei. Das sagt man halt so.

 

Das hat den christlichen Schriftsteller Rudolf Otto Wiemer veranlasst, folgenden provozierenden Text zu verfassen:

 

Überschrift: „Großes Dankgebet“

„Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft, wem soll ich sonst danken – für den Zufall, den Planetenaspekt, die günstige Konstellation, dreimal auf Holz geklopft – für den Verkehrsunfall, den ich nicht gehabt, weil ich, Schwein gehabt, toi, toi, toi, mit dem Schrecken davon kam…

Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, für diesen mit Rumpsteak gefüllten Bauch… für den Wein, den ich bis auf weiteres zu bestellen gedenke… für die Frau, für ihren Halbtags‑Job, für den Stolz der Familie, die reizenden Kinder, von denen keins, toi, toi, toi, unter den Bus kam, auch keins mongoloid ist oder tuberkulös und keins legasthenisch, - für das Bett, toi, toi, toi, kein Krankenhausbett, dort liegt der Nachbar, Herr Strunz, denn die Leberzirrhose ging, Schwein gehabt, genau ein Haus weiter. Ich danke dir, nicht für die Hungersnot, nein, doch dass sie, wenn schon grassiert, toi, toi, toi, es in achttausend Kilometer Entfernung tut,… Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, das ich wieder und wieder gehabt, ich danke dir, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft, wem soll ich sonst, soll ich sonst danken?“

 

Liebe Mitchristen!

Da ist ein Zeitgenosse froh, dass es ihn „nicht erwischt hat“, so wie die vielen armen Teufel um ihn herum, die Hungernden, die Arbeitslosen, die Kranken, die Behinderten... „Schwein“ gehabt, wie man so sagt. Und das ist sein „Dankgebet“.

 

Ganz anders bei einem 90-jährigen Geburtstag.

Es sind viele Verwandte da, Enkel und Urenkel. Alle staunen über die 90‑jährige Großmutter, die noch bei recht guter Gesundheit ist und sich lebhaft an der Unterhaltung beteiligt.

Sie wird gefragt: „Wie hast du das geschafft, Oma, so alt zu werden?“ – Die Großmutter: „Dafür muss ich Gott danken. Ich bin froh und dankbar für jeden Tag, den er mir schenkt.“

 

Nicht „Schwein gehabt“ , sondern Dankbarkeit gegenüber Gott. Wo erlebt man das noch? Mir kommt vor hauptsächlich und ganz ausdrücklich eher bei alten Leuten. Sie sind froh, wenn sie jeden Morgen noch aufstehen, die Glieder regen und ihre Sinne gebrauchen können. – Wem sollen wir danken für die Jahre? Unserer guten Gesundheit, dem Schicksal, dem Wohlstand, unserer Herkunft, den Genen…?

 

Noch einmal Rudolf Otto Wiemer:

„Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, für den großartigen Stand der Wissenschaft, die biologische Forschung, die Pillen, die Spritzen, die Rheumatabletten, toi, toi, toi, für den Fortschritt der Medizin. Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, ich danke dir, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft. Wem soll ich sonst danken?“

 

Ja, wem sollen wir danken?

Das Evangelium erzählt die Begegnung von zehn Aussätzigen mit Jesus. Hoffnungslose Fälle, ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Gesunden, dahinvegetierend in Erdhöhlen, lebendig so gut wie tot. Diese zehn haben unwahrscheinliches Glück. Sie werden gesund. Sie werden dem Leben wieder gegeben. Sie dürfen zurückkehren in ihr Haus, zu ihrer Familie, zurückkehren in ihren Beruf und in ihr alltägliches Leben.

Aber nur einer von ihnen kehrt zu Jesus zurück, nur einer von ihnen verwandelt sein Glück in Dank. Er wirft sich vor Jesus nieder und gibt Gott die Ehre. Jesus fragt: „Wo sind die anderen neun?“  9 zu 1: eine denkbar schlechte Quote! Und dieser eine ist ausgerechnet auch noch ein Samariter!

 

Auch die neun anderen sind froh, wieder gesund zu sein, ganz bestimmt! Sie sind glücklich, wieder dazu zu gehören, wieder am Leben teilnehmen zu dürfen. – Doch sie betrachten ihre Heilung wie einen Zufall, den sie einstecken, um dann ihres Weges zu ziehen. – Der Samariter sieht seine Heilung mit anderen Augen. Sie ist für ihn nicht selbstverständlich. Er staunt darüber, dass Gott ihm das Leben neu geschenkt hat. Er blickt von dem, was er empfangen hat, hin zu dem, der es ihm geschenkt hat.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Denken und Danken hängen zusammen. Denken – auch nur einen Augenblick – ist der erste Schritt zum Danken. Was haben wir, das wir nicht empfangen haben? Doch wem sollen wir danken? Dem Zufall, dem Schicksal, unserer gesunden Natur…?

 

„Gott sei Dank“, sagen wir oft unüberlegt dahin. Meistens ist es nur eine Floskel. Doch selbst in dem spontan und oberflächlich Dahingesagten schwingt noch eine Erinnerung daran mit, dass das Leben weiter und tiefer reicht als alle Erklärungen.

 

Im 16. Jahrhundert lebte in Rom ein einfacher Kapuzinerbruder, Felix von Cantalice. Die Kirche hat ihn sogar heiliggesprochen. Zu Lebzeiten nannte ihn freilich niemand Felix. In ganz Rom war er bekannt als der „Bruder Deo gratias“, als der „Bruder Gott sei Dank“. Und das deshalb, weil er bei jeder Gelegenheit „Deo gratias“ sagte. Wenn er einen Gruß erwiderte, für eine milde Gabe dankte, eine freudige Überraschung erlebte, immer war seine Antwort: „Deo gratias“.

 

Wir haben uns angewöhnt, nur noch über das Außergewöhnliche zu staunen – und dafür vielleicht auch zu danken. Für das Alltägliche, für das Selbstverständliche, für das Schlichte haben wir den Blick verloren. – Es ist eine Frage des Hinschauens und Wahrnehmens. Jeden Tag – immer wieder neu – gibt es Grund genug zum Danken. Die Welt ist voll von großen und kleinen Freuden. Die Kunst besteht darin, sie zu sehen. Wer sensibel dafür ist, dass er – Tag für Tag – reichlich beschenkt wird, der kann eigentlich gar nicht anders, als dankbar zu sein. Ja, ich habe tausend Gründe, um zu danken.

 

Und noch etwas geschieht, liebe Mitchristen, wenn wir dem Danken Raum geben und wenn sich mehr und mehr eine „Kultur der Dankbarkeit“ entfaltet: Wir sehen, wie das Jammern und Klagen verstummt, wie die Zuversicht wächst und wie sich die Freude breit macht.

Sich in Dankbarkeit üben, erhöht die Zufriedenheit.

Dankbarkeit macht das Leben reich.

 

Liebe Schwestern und Brüder!

Heute feiern wir das Erntedankfest. Wir tun es in einer Zeit, in der Menschen sich schwer tun mit dem Danken. Ein Grund ist die Gedankenlosigkeit, ein anderer die Selbstverständlichkeit und ein weiterer das überzogene Anspruchsdenken.

 

Doch unser Leben, unsere Gesundheit, unser Wohlstand, auch eine gute Ernte sind nicht selbstverständlich. Gott ist letztlich der Geber aller Gaben und der Ursprung von allem Guten. Und so ist es in der Tat „würdig und recht“, wie wir in der Eucharistiefeier, der großen Dankfeier der Kirche, beten:

„In Wahrheit ist es würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott, immer und überall zu danken.“

Ja, „lasst uns danken, dem Herrn, unserem Gott!“

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