Vor
einigen Jahren erschien in einer amerikanischen Zeitschrift folgende
Annonce:
„Gesucht werden: abenteuerbereite, harte Männer für eine Expedition im
äußersten Norden von Alaska.
Geboten werden: Strapazen in Menge, wenig Geld und Komfort, dazu Gefahr
für Leib und Leben.“
Hunderte
meldeten sich und folgten dem Angebot.
Auch Gott
sucht Menschen und wirbt um sie. Gott braucht Menschen. Denn er hat sein
Heilswerk Menschen anvertraut.
„Sie verließen alles und folgten Jesus“,
heißt es wiederholt bei den Berufungen der ersten Jünger im Neuen
Testament.
Gott ruft
und sucht und braucht auch heute noch Menschen, die sich engagieren und
in Dienst nehmen lassen, Menschen, die nichts scheuen, sondern alles
wagen.
Die
Annonce Gottes ist nie verstummt.
Und doch,
liebe Schwestern und Brüder, Sie wissen es so gut wie ich, dass wir
hierzulande bittere Erfahrungen machen:
Immer
mehr Pfarreien, die keinen eigenen Priester mehr haben, immer größere
pastorale Räume und Seelsorgebezirke.
Schwesternstationen werden aufgelöst und Klöster aufgehoben.
Immer
weniger sind es, die einen geistlichen Beruf ergreifen.
Der
Mangel wird immer spürbarer und dramatischer.
Es sind
zu wenige, die heute als Priester, als Ordensmann und Ordensfrau oder in
einem anderen kirchlichen Berufen zur Verfügung stehen. – Was können wir
tun?
Natürlich
sind kirchliche Berufe nicht machbar. Jede Berufung geht letztlich von
Gott aus. Sie ist ein Geschenk. Er, der Herr, wählt Menschen aus, ruft
und sendet sie. Von ihm müssen wir die geistlichen und kirchlichen
Berufe erbitten.
Das Gebet
ist das erste und wichtigste.
Jedes
andere Bemühen um geistliche Berufe, jede Berufepastoral der Diözesen
und Orden muss getragen sein von einer breiten Grundströmung des Betens.
Und
gerade heute am Weltgebetstag der geistlichen Berufe gilt das Wort Jesu:
„Bittet um Arbeiter für die Ernte!“
Wir
dürfen in dieser Hinsicht den Herrn kühn beim Wort nehmen. Vielleicht
beten wir viel zu wenig in diesem wichtigen Anliegen. Vielleicht trauen
wir unseren eigenen Aktionen und Initiativen viel mehr zu als dem Gebet.
Und es
gibt nicht nur den Weltgebetstag, sondern auch den monatlichen Gebetstag
für geistliche Berufe. Jeder Christ und die ganze Gemeinde ist
aufgerufen zu beharrlichem Beten in diesem wichtigen Anliegen.
Liebe
Schwestern und Brüder!
Berufe
der Kirche, das geht uns alle an!
Berufe
der Kirche, das ist nicht nur Sache von wenigen Zuständigen und
Verantwortlichen!
Berufe
der Kirche, das muss Anliegen jeder Gemeinde und Herzensanliegen jedes
einzelnen sein.
Berufe
der Kirche, das ist unser aller Verantwortung. Sind wir uns dieser
Verantwortung bewusst?
Was
können wir außer dem Gebet noch tun?
Es
scheint, dass in vielen Familien und Gemeinden das Klima fehlt, in dem
solche Berufe wachsen können.
Kirchliche Berufe fallen ja nicht vom Himmel, sondern wachsen von unten
aus den Gemeinden, in den Familien, in kirchlichen Gruppen.
Ist das
Leben in unseren Familien so, dass aus ihnen Priester- und Ordensberufe
hervorgehen können? Oder herrscht da nicht weitgehend eine geistliche
Dürre, religiöse Abstinenz?
Ist das
Leben in unseren christlichen Gemeinden so, dass da ein Boden ist und
ein Klima, wo kirchliche Berufe gedeihen können?
Ist das
Leben in den Orden und geistlichen Gemeinschaften so, dass es Menschen
anziehend und erstrebenswert finden?
Leben wir
im Kloster unser Charisma so überzeugend und glaubwürdig, dass junge
Menschen auf den Gedanken kommen können, wie wir und mit uns leben zu
wollen?
Berufungen wachsen nicht im luftleeren Raum und im Treibhaus.
Sie
wachsen in der Regel (Ausnahmen bestätigen die Regel) in christlichen
Familien heran, in engagierten, lebendigen Kirchengemeinden und im
Kontakt mit Klöstern oder einzelnen Ordensfrauen und Ordensmännern, von
denen etwas ausgeht, ausstrahlt und übergreift.
Nur wo
bewusst, lebendig und authentisch der Glaube gelebt wird, wachsen Berufe
der Kirche. Da ist der Mutterboden, auf dem die Samenkörner der Berufung
aufgehen können.
Vielleicht ist der Priestermangel viel mehr als wir ahnen eine Folge der
Verdunstung des Glaubens, der Entchristlichung unserer Gesellschaft und
eines dramatischen Rückgangs des kirchlichen Lebens.
Könnte es
sein, dass Priestermangel und Gläubigenmangel miteinander zu tun haben?
Ich bin
jedoch fest davon überzeugt:
Die
Annonce Gottes ist nicht verstummt.
Gott ruft
und sucht und wirbt auch heute um Menschen, die sich ganz auf ihn
einlassen, sich in seine unmittelbare Nachfolge begeben und sich von ihm
in Dienst nehmen lassen.
Gefragt
sind Frauen und Männer, die Zeugnis geben von der Hoffnung, die sie
trägt, vom Vertrauen, das sie prägt, von der Sehnsucht, die sie bewegt,
von Gott der zu uns steht und mit uns geht.
Gefragt
sind Menschen, die erfüllt sind von der Sorge Christi um die Menschen
und ihr Heil, Menschen, die bereit sind, ganz für Gott und ganz für die
Menschen da zu sein.
Sicher,
die Welt braucht Politiker und Bankiers; sie braucht Ärzte und
Handwerker, sie braucht Wissenschaftler und Bauarbeiter; sie braucht
Verkäuferinnen und Erzieherinnen.
Die Welt
braucht aber auch Menschen, die nach der Seele des Menschen fragen,
geistliche Menschen, die darauf achten, dass die Seelen nicht
verdursten.
„Man kann“
nach einem berühmten Wort von Antoine de Saint Exupery „nicht immer
nur von Politik und Bilanzen, von Kühlschränken und Kreuzworträtseln
leben.“
Der
Mensch braucht mehr als Hallenbad und Trimm-dich-Pfad.
Gefragt
sind Menschen, die aus den Bächen der Ewigkeit Schalen des Lichtes und
des Lebens tragen, Menschen, die nicht für sich selber leben, sondern
ganz Gott gehören und den Menschen, Hirten und Hirtinnen, Gefährten und
Gefährtinnen des Leides und der Hoffnung, Menschen, erfüllt von einer
letzten radikalen Leidenschaft für Gott und sein Reich.
Gott
braucht Menschen. Gott vertraut sein Heilswerk Menschen an. Gott will
durch Menschen zum Menschen kommen.
Berufe
der Kirche: das ist unser aller Verantwortung.
Diese
Verantwortung können wir nicht nach oben oder an Experten delegieren.
Eine gute
Sache wäre es, wenn dieses Anliegen mehr und mehr das Herzensanliegen
eines jeden Christgläubigen würde und seinen Widerhall fände im Gebet
nicht nur heute an diesem Tag!
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