EVANGELIUM
Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Matthäus
In jener Zeit sprach Jesus zu
seinen Aposteln:
7Geht
und verkündet: Das Himmelreich ist nahe.
8 Heilt
Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus! Umsonst habt
ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben.
9 Steckt
nicht Gold, Silber und Kupfermünzen in euren Gürtel.
10Nehmt
keine Vorratstasche mit auf den Weg, kein zweites Hemd, keine Schuhe, keinen
Wanderstab; denn wer arbeitet, hat ein Recht auf seinen Unterhalt.
11Wenn
ihr in eine Stadt oder in ein Dorf kommt, erkundigt euch, wer es wert ist, euch
aufzunehmen; bei ihm bleibt, bis ihr den Ort wieder verlasst.
12Wenn
ihr in ein Haus kommt, dann wünscht ihm Frieden.
13Wenn
das Haus es wert ist, soll der Friede, den ihr ihm wünscht, bei ihm einkehren.
Ist das Haus es aber nicht wert, dann soll der Friede zu euch zurückkehren.
14Wenn
man euch aber in einem Haus oder in einer Stadt nicht aufnimmt und eure
Worte nicht hören will, dann geht weg, und schüttelt den Staub von euren
Füßen.
Das soeben gehörte
Evangelium hatte für den jungen Franziskus in seinem Suchen und Fragen
eine große, ja entscheidende Bedeutung.
Als er es während einer
Messfeier in der kleinen Portiunkulakapelle hörte, ging er hinterher in
die Sakristei und fragte den Priester, ob er ihm dieses Evangelium
erklären könne. Als dieser es getan hatte, klatschte Franziskus in die
Hände und sagte: „Das ist es, was ich will, das verlange ich zu tun
aus ganzem Herzen!“
Sofort und mit frohem
Herzen setzte er, so gut er konnte, das Gehörte und Erkannte in die Tat
um. Thomas von Celano kommentiert: „Er war ja
kein tauber Hörer des Evangeliums.“
Was sagt uns heute dieses
Evangelium?
Wie können wir es auf uns
hin deuten und anwenden?
Mir fällt als erstes
auf:
Es sind Fischer und
Zöllner, die Jesus sendet, Menschen wie du und ich. Menschen mit
Schwächen, mit bisweilen ungestümem Temperament, nicht frei von Angst;
Menschen, weder besonders tugendhaft, noch besonders gescheit, allesamt
Laien, keine Schriftgelehrten, keine theologischen Experten. Da ist
nichts Professionelles. Anscheinend sind andere Dinge wichtiger.
Als zweites klingt mir
noch das „Geht“ in den Ohren:
„Geht!“
Es klingt wie ein Fanfarenstoß. Geht zu den Menschen!
Das heißt: Wartet nicht
bis die Leute zu euch kommen! Geht zu ihnen hin! Seid offen für das, was
die Menschen bewegt, für ihre Fragen und Sorgen, ihre Nöte und Ängste,
ihre Hoffnungen und Freuden!
Nicht „Komm-her-“,
sondern „Geh-hin-Seelsorge“!
Als drittes fällt mir
auf:
Jesus schickt die Jünger
zu zweit aus.
Sie sollen einander
unterstützen, miteinander die Lasten ertragen,
Strapazen aushalten,
gemeinsam Krisen meistern und Gefahren bestehen.
Zu zweit kann man sich
auch austauschen, Probleme besprechen, sich gegenseitig anspornen.
Gemeinsamkeit verleiht Stärke und Kraft.
Mindesten zwei:
das heißt, meines Erachtens auch: es geht um gelebte
Gemeinschaft. Sie sollen nicht nur durch Worte predigen, sondern durch
ihr Beispiel. Es soll anschaubar werden, wie es geht, miteinander Leben
und Glauben zu teilen, Liebe zu üben, Geduld zu haben, verzeihen zu
können.
Das sagt uns: Christen,
und erst recht Ordenschristen, sind keine Einzelkämpfer, keine Solisten.
Tuchfühlung ist angesagt, sich einhaken, Solidarität,
Geschwisterlichkeit, Weggemeinschaft.
Der Versuchung zum
Alleingang gilt es auch heute zu widerstehen.
Das Gemeinsame suchen, im
Gespräch bleiben, gemeinsam Wege suchen, einander stützen und stärken.
Als viertes fällt auf:
Die Jünger sollen nichts
mitnehmen. Nur das Allernotwendigste. Warum das? Ich denke, die Jünger
sollten erfahren, wie es ist, sich ganz auf die Güte der Menschen zu
verlassen und letztlich auf die Vorsehung Gottes zu vertrauen. Es gibt
überall gute Menschen. Und vor allem: Gott ist gut!
„Nehmt nichts mit!“
- Für mich heißt das:
Geh so zu den Menschen,
so wie du bist. Sei einfach! Sei einfach! Sei du selbst!
Gib dich selbst! Sag, was du glaubst! Sprich von deinen Erfahrungen! Da
brauchst du keinen Doktortitel, keine Propagandamittel, keinen unnötigen
Ballast. Das alles ist es nicht und bringt es nicht.
Weniger kann mehr sein.
Weniger an Sachen, Hilfsmittel, Institution, Bürokratie. Mehr an
Freiheit, Unabhängigkeit, Beweglichkeit. Weniger an Haben, mehr an Sein.
Ob das nicht auch für die Kirche heute und auch für die Orden eine
Zielvorgabe ist?
„Nehmt nichts mit!“ - Für mich heißt das auch: Komm nicht protzig daher! Pflege nicht dein
eigenes Image! Profilier dich nicht selbst! – ER muss wachsen! Sein
Reich, seine Herrschaft, sein Wort die Herzen der Menschen erreichen. –
Reichtum und Macht, Prestige und Prunk, Ehrsucht und Erfolgshunger sind
keine Kategorien des Evangeliums. Das alles kann sogar zur Fessel für
die Botschaft werden.
Ein weiterer Aspekt in
der Aussendungsrede Jesu ist das Bleiben!
Jesus schickt die Seinen
nicht nur los mit leichtem Gepäck. Sie sollen auch mit ihrer Unterkunft
und Verköstigung zufrieden sein. Sie sollen bleiben, wo sie Quartier
gefunden haben. Es könnte sonst Neid und Eifersucht und manches Gerede
entstehen wegen des Wechselns in bequemere Unterkünfte. Sie sollen sich
nicht heute hier und morgen dort mit dem Besten verwöhnen lassen. Sie
sollen keine Ansprüche stellen. Sie sollen zufrieden sein mit dem, was
sie vorfinden und was gute Menschen ihnen geben.
Noch etwas ist
bedeutsam im heutigen Evangelium, nämlich: „Heilt die Kranken! Treibt Dämonen aus!“
Es fällt auf, dass die
Jünger von Jesus nicht nur den Auftrag zur Verkündigung erhalten. Sie
sollen die Gottesherrschaft nicht nur mit Worten ausrufen, Jesus gibt
ihnen vielmehr auch die Vollmacht, Kranke zu heilen und Dämonen
auszutreiben. – Die Dämonen, die Abergeister, haben viele Gesichter:
Süchte, Zwänge, Ängste, so vieles, worunter Menschen leiden. Und
manchmal ganz entsetzlich leiden.
Sehen Sie: Es geht Jesus
nicht nur um das Seelenheil, sondern um den ganzen Menschen, um das Heil
für Seele und Leib. Und das war und ist Sendung und Auftrag der Kirche
bis heute. – Es geht auch heute noch darum, die Menschen heil zu machen,
sie zu befreien, von dem, was sie bedrückt, fesselt, krank und kaputt
macht. – Es geht darum für die Menschen da zu sein. Eine Kirche, die
nicht dient, dient zu nichts. Das gleiche gilt auch und erst recht für
die Orden und geistlichen Gemeinschaften.
Ein weiterer Aspekt im
heutigen Evangelium: der Friedensgruß!
Die Jünger sollen, wenn
sie in ein Haus kommen, den Frieden wünschen. Auch diese Weisung hat der
hl. Franziskus wörtlich genommen und seine Brüder immer wieder dazu
aufgefordert.
Dieser Friedensgruß ist
mehr als eine Höflichkeit. Er ist Gabe, Gottesgabe. Auch dieser Gabe
gegenüber kann man offen sein oder abweisend, dankbar für dieses
Geschenk oder sich verschließen.
Noch etwas fällt mir
auf:
Jesus weiß: nicht überall
werden die Boten mit offenen Armen empfangen. Jesus sieht das ganz
realistisch. Die Jünger werden auch – wie er selbst – auf Ablehnung
stoßen und Hass erfahren. „Haben sie mich verfolgt, dann werden sie
auch euch verfolgen.“ – Da, wo solches geschieht, sollen sie sich
nicht aufreiben und keine Zeit vertun, sondern sollen einfach
weiterziehen und den Staub von den Füßen schütteln. Vielleicht kommt die
Zeit später, vielleicht kommt die Zeit nie. Gott weiß es.
Sie sollen die Frohe
Botschaft mit ganzer Kraft verkünden, säen, säen und nochmals säen.
Jeder soll die Botschaft vernehmen. Alle sind eingeladen, den Glauben
kennen zu lernen. Aber keinem darf er aufgezwungen werden. Die Frohe
Botschaft soll nicht aufgedrängt werden. Mit Druck und Zwang bringt man
den Menschen Gott nicht näher. – Ob und wie das Reich Gottes Fuß fasst,
liegt in der Freiheit des Menschen. Gott respektiert diese Freiheit.
Annahme oder Ablehnung entzieht sich letztlich der Verfügung und dem
„Machen“ des Jüngers. Die Aussaat ist unser, die Ernte ist des Herrn.
Ein letztes fällt mir
auf:
„Umsonst habt ihr
empfangen, umsonst sollt ihr geben!“
Umsonst, gratis. In
gratis steckt das lateinische Wort gratia, d.h.: Gnade. Wichtig ist, zu
erkennen, dass ich selbst Empfangender bin, Beschenkter. Das macht
demütig. Und zu erkennen, wie sehr ich beschenkt bin, wie groß die Gabe,
die Gnade ist, das macht noch demütiger. Und es macht dankbar.
„Umsonst habt ihr
empfangen, umsonst sollt ihr geben!“
Nichts ist uns gegeben
nur für uns selbst, sondern zum Weitergeben, und zwar wie wir es vom
Geber aller Gaben empfangen haben, gratis, umsonst.
„Umsonst habt ihr
empfangen, umsonst sollt ihr geben!“
Empfangen und Geben, das
prägt und bestimmt ganz auch unser Leben.
Wir können nicht immer
nur geben. Wir müssen auch schöpfen und aufnehmen. Nur der Beschenkte
kann ein Schenkender sein:
Vielleicht können auch
die Exerzitien wieder Brunnentage sein, wo wir Licht und Kraft, Freude
und Zuversicht schöpfen. Das wünsche ich uns allen, um dann auch wieder
weitergeben zu können, was wir selbst empfangen haben, gratis, freudig,
großzügig, wie Ihr Gründer…………… und unser Ordensvater, der hl.
Franziskus. Amen
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