Eine sehr anschauliche
Erzählung, diese Geschichte vom Zöllner Zachäus.
Gleichzeitig auch sehr
bekannt und uns seit Kindheitstagen vertraut.
So bekannt, dass wir
nichts mehr Neues erwarten.
Aber kennen wir die
Geschichte wirklich?
Ob da nicht doch etwas
drin ist für jeden einzelnen von uns?
Ob da nicht etwas dabei
ist, was mich betrifft, was mich unbedingt angeht?
Oder kann ich mich
vielleicht sogar selbst in der Gestalt des Zachäus wiederfinden?
Da ist also Zachäus,
oberster Zollpächter, sehr reich.
Für die Juden war er ein
Sünder, mit dem niemand Kontakt pflegte.
Er arbeitete mit der
römischen Besatzungsmacht zusammen und war von daher als „unmöglich“
abgestempelt, ein „schwarzes Schaf“ der Gesellschaft. Gleichzeitig
arbeitete er erpresserisch und betrügerisch beim Eintreiben der Zölle
und wirtschaftete in die eigene Tasche. Zachäus war ein Geächteter und
Gemiedener.
Ob wir uns nicht hier
schon in der Geschichte wiederfinden können?
Seine Macht über den
anderen missbrauchen, an den eigenen (finanziellen) Vorteil denken:
Wer von uns ist noch
nicht in diese Versuchung geraten?
Wer von uns kennt nicht
Situationen, dass er von anderen gemieden oder geschnitten worden wäre?
Und erleben wir nicht
immer wieder bei Menschen, dass sie reich sind und alles haben und sich
alles leisten können, aber innerlich leer, unzufrieden und seelisch arm
sind?
Zachäus hört von Jesus,
dass er übers Land zieht, dass er predigt, anders als die
Schriftgelehrten, dass er Kranke heilt, Aussätzige gesund macht, dass er
sich den Sündern zuwendet, mit ihnen sogar Mahl hält und Sünden vergibt.
Er möchte diesen Jesus
sehen! Er möchte diesen Mann, den so viele für einen Propheten halten,
kennenlernen.
Da kommt der Augenblick
der Begegnung.
Jesus zieht auf seinem
Weg nach Jerusalem durch Jericho.
Da Zachäus aber nicht
über die Menschen hinwegschauen kann, die Jesus dicht umdrängen, eilt er
voraus an eine Stelle, an der Jesus vorbeikommen muss, und klettert auf
einen Baum.
Zweierlei kann uns hier
ansprechen:
Erstens: Die Sehnsucht
dieses Zachäus.
Er will Jesus sehen und
ihm begegnen.
Zweitens: Die Mühe die er
sich macht.
Suche ich so Jesus?
Möchte ich ihn immer mehr kennenlernen?
Und was nehme ich auf
mich, mühe ich mich, um zu Jesus zu kommen?
Zachäus wird ausgelacht.
Er denkt: Was macht das schon?
Hauptsache: Er hat den
Blick frei auf Jesus.
Wer oder welche Dinge
verstellen in meinem Leben den Blick auf Jesus?
Bringe ich es fertig,
darüberzustehen und die Hindernisse zu überwinden?
Jetzt geschieht das
Unerwartete für Zachäus:
Jesus bleibt stehen. Er
schaut hinauf. Er spricht ihn mit Namen an.
Und er lädt sich selbst
bei Zachäus ein, um bei ihm Gast zu sein.
Darf ich nicht glauben,
dass Jesus längst auch meinen Namen kennt? Dass er um mich weiß, auch um
meine innere Not?
Ist es nicht tröstlich zu
wissen, dass mein Suchen nicht ins Leere geht, dass zwischen ihm und mir
etwas entstehen und wachsen kann wie Vertrauen und Freundschaft?
Übrigens: der biblische
Name „Zachäus“ heißt: „Gott denkt an mich“!
Zachäus erfährt: Da ist
einer, der an mich denkt. Da ist einer, der mich sieht. Er nimmt mich
wahr. Er schenkt mir Ansehen. Für ihn bin ich wichtig und wertvoll.
Zachäus steigt vom Baum
herab und nimmt Jesus freudig auf.
Er ist überglücklich.
Welche Ehre bedeutet das für ihn!
Zugleich aber ist er tief
betroffen. Er findet sich von Jesus durchschaut und doch angenommen. Er
weiß, da ist einer, der kennt mich, der weiß um mein Versagen um meine
Fehler, meine Sünden, mein Leben fern von Gott, aber er verdammt mich
nicht, er meidet mich nicht, er weist mich nicht ab.
Im Gegenteil: Er sieht
mich, er ruft mich, mit Namen sogar.
Er kennt meine geheime
Not und meine unerfüllte Sehnsucht.
Und er sucht mich nicht
weniger als ich ihn. Er nimmt mich an.
Vielleicht erfährt
Zachäus zum ersten Mal in seinem Leben Liebe.
Meine Sie nicht auch, liebe
Schwestern und Brüder, dass Jesus auch zu uns, zu jedem einzelnen von
uns, immer wieder die tröstlichen Worte spricht: „Komm herab! Komm zu mir! Lass dich ein mit mir und lass
mich eintreten bei dir! Ja, lass dich finden in deiner Verlorenheit,
lass dir jenes Heil schenken, das dir die Welt mit all ihren Reichtümern
nicht geben kann“!
Die Frommen sind
entsetzt. Die Menge ist aufgebracht.
Empört rufen sie: „Bei einem Sünder ist er eingekehrt!“
Wie oft regen wir uns auf
über die Fehler anderer!
Wie oft lassen wir nichts
Gutes an ihnen!
Wie oft sind wir auf der
Suche nach Sündenböcken!
Wie schnell stempeln wir
ganze Menschengruppen ab
und machen sie zu
„schwarzen Schafen“!
Wie leicht urteilen und
verurteilen wir!
Jesus durchbricht ein
Tabu. Er bricht aus dem Freund-Feind-Denken aus.
Er kennt keine
Diskriminierung, sondern nur Solidarisierung.
Gegen allen Hass setzt er
die Liebe! Gegen alle Verteufelung setzt er Vertrauen, gegen
Verketzerung Zuwendung und Zuneigung.
„Für Menschen wie ihn
bin ich gekommen. Verlorene wie ihn will ich suchen!“
„Ich bin nicht
gekommen zu richten, sondern um zu retten!“
„Erschienen ist die
Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes!“
Zachäus wird nicht aus
seinem Lebensmilieu herausgerufen.
Er kann Zöllner bleiben.
Aber er ist bereit, einen neuen Lebenswandel zu führen. Er verspricht
zurückzuerstatten und mit den Armen zu teilen. Er will wiedergutmachen
und erkennt seine soziale Verantwortung für die Notleidenden!
Was wäre aus Zachäus
geworden, wenn auch Jesus ihn seine Verachtung hätte spüren lassen, ihn
ausgeschimpft und ein Donnerwetter auf ihn losgelassen hätte?
Johannes Paul II. hat
einmal gesagt:
„Der
charakteristischste Zug in Gottes Wesen ist nicht seine Gerechtigkeit,
Weisheit oder Allmacht, obwohl diese Eigenschaften zu seinem Wesen
gehören. Nein, der markanteste Grundzug in Gottes Wesen, die Eigenschaft
schlechthin, ist sein Erbarmen!“
Wenn Gott so gütig ist,
dürfen wir dann hart und rücksichtslos sein? Wenn Gott verzeiht, dürfen
wir dann nachtragen und Vergebung verweigern?
„Seid barmherzig, wie
euer Vater im Himmel barmherzig ist!“
„Selig die
Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden!“
Eine sehr anschauliche
Erzählung. Gleichzeitig sehr bekannt.
Aber ist nicht doch etwas
darin für mich, für uns, was mir etwas sagt, was mich anspricht? Und
passt diese Begegnungsgeschichte nicht wunderbar ins zu Ende gehende
Jahr der Barmherzigkeit?
Wir wollen noch einen
Moment in Stille darüber nachdenken!