Es gibt
Fragen, die kann man beiseite schieben, sie überdecken, verdrängen. Dann
kommen sie mit neuer Wucht und Dringlichkeit hervor.
Zum
Beispiel: Worauf kommt es an? Was zählt wirklich? Wofür lohnt es sich zu
leben und am Ende gar zu sterben?
Oder:
Wofür mühe ich mich ab? Wozu der ganze Ärger, Stress? Wozu der Frust und
die Sorgen?
Oder: Was
habe ich von dem, was ich sammle, horte, besitze? Was von all dem hat
Bestand? Was im Leben hat wirklich Wert?
„Windhauch“
urteilt Kohelet. „Alles ist Windhauch.“
„Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“
heißt es in einem Kirchenlied.
Kohelet
hat eine sehr aktuelle Botschaft gerade für uns heute:
Nehmt
eure Arbeit, euren Besitz, eure Karriere, nehmt Erfolg, Ruhm und Ansehen
nicht zu wichtig! Schönheit schwindet, Jugend vergeht, Ruhm ist
vergänglich, Reichtum zerfällt.
Kohelet
relativiert, was vielen von uns heute so bedeutsam ist:
die
eigenen Aktivitäten, die Leistung, die Effizienz, unser Schaffen und
Machen, unser Hasten und Rennen, das Besitzdenken und Gewinnstreben.
Habgier, Neid, übertriebenen Ehrgeiz.
„Windhauch, alles nur Windhauch!“
Kohelet
beschwört geradezu die Nichtigkeit der Welt.
Er
entlarvt als vergänglich, was sich so wichtig gebärdet und uns oft
dermaßen fesselt und in Beschlag nimmt, dass es uns über den Kopf
wächst, uns die Luft nimmt oder den Schlaf raubt.
Mag sein,
dass der Prediger Kohelet eine pessimistische Sicht von der Welt und vom
Leben hat. Mag sein, dass er vereinseitigt und zuspitzt. Und doch ist es
gut, uns seine Sicht – wenigstens von Zeit zu Zeit – in Erinnerung zu
rufen.
Denn der
Alltag drängt uns immer wieder in die andere Richtung.
Da
stecken wir in die Tretmühle der täglichen Aufgaben, Pflichten und
Sorgen. Da stöhnen wir im Hamsterrad über den Druck des dauernden
Sollens und Müssens. Da gehen wir auf in dem, was zu tun, zu machen, zu
schaffen, zu leisten, zu gewinnen und zu verdienen ist und am Ende gehen
wir darin unter.
Natürlich
gibt uns die Arbeit, die Leistung, der Verdienst usw. auch ein Gefühl
von Selbstwert. Keine Frage!
Doch
hängen Menschen nicht oft – wie mit unsichtbaren Saugnäpfen – am Erfolg,
am Geld, am Besitz?
Allerdings wer beherrscht und besitzt wen? Der Mensch die Güter? Oder
umgekehrt: Besitzen und beherrschen die Güter den Menschen? Wie leicht
wird aus einem Besitzenden ein Besessener!
Auf das,
was Kohelet als „Windhauch“ bezeichnet, Windhauch in all seinen
vielen Variationen, sind unsere Sinne und ist unsere Aufmerksamkeit oft
allzu sehr ausgerichtet. Und das erweist sich als fatal für unser Leben,
besonders wenn wir es bewusst vor Gott und mit Gott leben wollen.
Wer seine
Aufmerksamkeit ganz den Dingen und Ereignissen um sich herum und ihrer
Bedeutung für sich selbst widmet, der lebt sehr schnell außengesteuert.
Er wird mehr gelebt, als dass er lebt. Er funktioniert nur noch oder
kreist um sich selbst.
Die Folge
kann sein und ist häufig: Gott gerät aus dem Blick.
Man lebt
mehr Gott abgewandt als ihm zugewandt. Man sondert sich ab von der
Quelle des Lebens und schöpft aus Zisternen, die den Hunger und Durst
nach Leben nicht wirklich stillen.
Die
Mahnung des Kohelet, sein kritischer Zwischenruf kann uns heilsam
aufschrecken!
Was ist
wichtig? Was ist unwichtig? Bedeutsam mag uns dieses und jenes
erscheinen. Es ist vielleicht nicht ganz und gar Windhauch. Aber ist es
das Höchste? Ist es das Letzte?
Kohelet
kann uns helfen, dass wir uns nicht im Oberflächlichen und Vorläufigen,
im Zweit- und Drittrangigen verlieren, dass wir Nebensächliches nicht
zur Hauptsache unseres Lebens machen.
Es geht
um die rechte Rangordnung der Dinge. Es geht darum, die Prioritäten
richtig zu setzen.
Erstwichtig ist Gott! In ihm – und nur in ihm – ist endgültiges Glück
und ewige Seligkeit. Er allein ist letzter Halt. „Solo dios basta“,
bekennt Theresa von Avila.
Steht
Gott für mich an erster Stelle? Zeigt sich das und merkt man das in
meinem Leben, in meinem Alltag?
Jesus hat
in vielen Gleichnissen die Botschaft des Kohelet übersetzt und gedeutet.
„Du Narr“,
lässt er heute im Evangelium (Lk 12, 16 - 21) zu dem reichen Kornbauer
sagen, „noch in dieser Nacht wird man dein Leben von dir
zurückfordern“.
Auch hier
im Gleichnis: Reichtum, Vorrat, Vorsorge, Gewinnmaximierung, noch
größer, noch mehr – doch alles ist Windhauch!
Vor den
Gefahren des Reichtums hat Jesus häufig gewarnt.
Zum
Beispiel: „Was nützt es einem Menschen, wenn er
die ganze Welt gewinnt, aber Schaden nimmt an seiner Seele?“ (Lk 9, 25)
„Ihr
könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“ Mt 6, 24
Wie
dem reichen Kornbauern, sagt Jesus heute im Evangelium, „geht es jenen, die nur für sich selbst Schätze sammeln,
aber vor Gott nicht reich sind.“
Wenn ich
heute sterbe, was wird dann bleiben? Wie und wofür möchte ich dann
gelebt haben? Womit wird der Herr mich beschäftigt finden, wenn der Tod
an meine Tür klopft?
Vor Gott
zählt anderes als Erfolg, Besitz und Reichtum, nämlich Barmherzigkeit
und Liebe, Glauben und Vertrauen.
Der
Volksmund weiß: „Das Totenhemd hat keine Taschen.“
„Wir nehmen nichts mit“,
hat meine Mutter oft gesagt.
Niemand
nimmt etwas mit. Aber die guten Werke können wir vorausschicken. Und was
bleibt ist die Liebe.
„Ach
wie flüchtig, ach wie nichtig ist des Menschen Leben.“
All
unser Hasten und Rennen, der Lärm und die Unrast, das Raffen und
Klammern, das Hamstern und Horten – Windhauch,
nichts als Windhauch!
„Halt an! Wo läufst du hin?“
fragt Angelus Silesius.
Offensichtlich ist es immer wieder heilsam und wichtig, innezuhalten,
still zu werden, sich zu besinnen, in sich hineinzuhören, um die leisen
Impulse des Herzens wahrzunehmen.
Worum
geht es mir? Was treibt mich um?
„Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb, nehmen mich gefangen, jagen mich…“ heißt
es in einem neuen geistlichen Lied.
Was
bleibt? Wofür lohnt es sich, sich einzusetzen, Kraft zu investieren?
Wofür lohnt es sich zu leben?
„Was bleibt“,
so heißt ein Buchtitel von Jörg Zink, „stiften
die Liebenden.“
Nur die
Liebe zählt und alles, was ich aus Liebe erbete und tue. |