Evangelium
Ist keiner umgekehrt, um
Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
11 Es
geschah auf dem Weg nach Jerusalem: Jesus zog durch das Grenzgebiet von
Samárien und Galiläa.
12 Als
er in ein Dorf hineingehen wollte, kamen ihm zehn Aussätzige entgegen.
Sie blieben in der Ferne stehen
13 und
riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!
14 Als
er sie sah, sagte er zu ihnen: Geht, zeigt euch den Priestern! Und es
geschah: Während sie hingingen, wurden sie rein.
15 Einer
von ihnen aber kehrte um, als er sah, dass er geheilt war; und er lobte
Gott mit lauter Stimme.
16Er
warf sich vor den Füßen Jesu auf das Angesicht und dankte ihm. Dieser
Mann war ein Samaríter.
17 Da
sagte Jesus: Sind nicht zehn rein geworden? Wo sind die neun?
18 Ist
denn keiner umgekehrt, um Gott zu ehren, außer diesem Fremden?
19 Und
er sagte zu ihm: Steh auf und geh! Dein Glaube hat dich gerettet.
Wir alle kennen den Satz:
„Da habe ich aber Schwein gehabt!“ – Vielleicht haben wir ihn
auch schon selbst gesagt. Gewöhnlich denken wir gar nicht viel dabei.
Wir wollen damit einfach nur sagen: „Glück gehabt!“
Der Schriftsteller Rudolf
Otto Wiemer hat zu der Redewendung „Schwein gehabt“ einen provozierenden
Text verfasst mit der Überschrift „Großes Dankgebet“:
„Ich danke dir, Schwein,
das ich gehabt, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft, wem soll ich
sonst danken – für den Zufall, den Planetenaspekt, die günstige
Konstellation, dreimal auf Holz geklopft – für den Verkehrsunfall, den
ich nicht gehabt, weil ich, Schwein gehabt, toi, toi, toi, mit dem
Schrecken davon kam …
Ich danke dir, Schwein,
das ich gehabt, für diesen mit Rumpsteak gefüllten Bauch … für den Wein,
den ich bis auf weiteres zu bestellen gedenke … für die Frau, für ihren
Halbtags-Job, für den Stolz der Familie, die reizenden Kinder, von denen
keins, toi, toi, toi, unter den Bus kam, auch keins mongoloid ist oder
tuberkulös und keins legasthenisch, - für das Bett, toi, toi, toi, kein
Krankenhausbett, dort liegt der Nachbar, Herr Strunz, denn die
Leberzirrhose ging, Schwein gehabt, genau ein Haus weiter. Ich danke
dir, nicht für die Hungersnot, nein, doch dass sie, wenn schon
grassiert, toi, toi, toi, es in achttausend Kilometer Entfernung tut, …
Ich danke dir, Schwein, das ich gehabt, das ich wieder und wieder
gehabt, ich danke dir, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft, wem
soll ich sonst, soll ich sonst danken?“
Liebe Mitchristen!
Da ist ein Zeitgenosse
froh, dass es ihn „nicht erwischt hat“, so wie die vielen armen
Teufel um ihn herum, die Hungernden, die Arbeitslosen, die Kranken, die
Behinderten, ... „Schwein“ gehabt, wie man so sagt. Und das ist
sein „Dankgebet“.
Ganz anders bei
einem 90-jährigen Geburtstag.
Es sind viele Verwandte
da, Enkel und Urenkel. Alle staunen über die 90-jährige Oma und Uroma,
die noch bei recht guter Gesundheit ist und sich lebhaft an der
Unterhaltung beteiligt.
Sie wird gefragt: „Wie
hast du das geschafft, Oma, so alt zu werden?“ – Die Großmutter:
„Dafür muss ich Gott danken. Ich bin froh und dankbar für jeden Tag, den
er mir schenkt.“
Nicht „Schwein gehabt“,
sondern Dankbarkeit gegenüber Gott. Wo erlebt man das noch? Am meisten
wohl bei älteren Menschen. Sie sind froh, wenn sie jeden Morgen noch
aufstehen, die Glieder regen und ihre Sinne gebrauchen können. – Wem
sollen wir danken für die Jahre? Unserer guten Gesundheit, dem
Schicksal, dem Wohlstand, unserer Herkunft, den Genen…?
Noch einmal Rudolf Otto
Wiemer:
„Ich danke dir, Schwein,
das ich gehabt, für den großartigen Stand der Wissenschaft, die
biologische Forschung, die Pillen, die Spritzen, die Rheumatabletten,
toi, toi, toi, für den Fortschritt der Medizin. Ich danke dir, Schwein,
das ich gehabt, ich danke dir, toi, toi, toi, dreimal auf Holz geklopft.
Wem soll ich sonst danken?“
Ja, wem sollen wir
danken?
Das heutige Evangelium
erzählt die Begegnung von zehn Aussätzigen mit Jesus. Hoffnungslose
Fälle, ausgestoßen aus der Gemeinschaft der Gesunden, dahinvegetierend
in Erdhöhlen, lebendig so gut wie tot. Diese zehn haben
unwahrscheinliches Glück. Sie werden gesund. Sie werden dem Leben wieder
gegeben. Sie dürfen zurückkehren in ihr Haus, zu ihrer Familie,
zurückkehren in ihren Beruf und in ihr alltägliches Leben.
Aber nur einer von ihnen kehrt
zu Jesus zurück, nur einer von ihnen verwandelt sein Glück in Dank. Er
wirft sich vor Jesus nieder und gibt Gott die Ehre. Jesus fragt: „Wo
sind die anderen neun?“ 9 zu 1: eine denkbar schlechte Quote!
Und dieser eine ist ausgerechnet auch noch ein Samariter!
Auch die neun anderen sind
froh, wieder gesund zu sein, ganz bestimmt! Sie sind glücklich, wieder
dazu zu gehören, wieder am Leben teilnehmen zu dürfen.
Doch sie betrachten ihre
Heilung wie einen Zufall, den sie einstecken, um dann ihres Weges zu
ziehen. – Der Samariter sieht seine Heilung mit anderen Augen. Sie ist
für ihn nicht selbstverständlich. Er staunt darüber, dass Gott ihm das
Leben neu geschenkt hat. Er blickt von dem, was er empfangen hat, hin zu
dem, der es ihm geschenkt hat.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Denken und Danken hängen
zusammen. Denken – auch nur einen Augenblick – ist der erste Schritt zum
Danken. Was haben wir, das wir nicht empfangen haben?
Doch wem sollen wir danken?
Dem Zufall, dem Schicksal, unserer gesunden Natur …?
„Gott sei Dank“, sagen
wir oft unüberlegt dahin. Meistens ist es nur eine Floskel. Doch selbst
in dem spontan und oberflächlich Dahingesagten schwingt noch eine
Erinnerung daran mit, dass das Leben weiter und tiefer reicht als alle
Erklärungen.
Im 16. Jahrhundert lebte
in Rom ein einfacher Kapuzinerbruder, Felix von Cantalice. Die
Kirche hat ihn sogar heiliggesprochen. Zu Lebzeiten nannte ihn freilich
niemand Felix. In ganz Rom war er bekannt als der „Bruder Deo gratias“,
als der „Bruder Gott sei Dank“. Und das deshalb, weil er bei jeder
Gelegenheit „Deo gratias“ sagte. Wenn er einen Gruß erwiderte, für eine
milde Gabe dankte, eine freudige Überraschung erlebte, immer war seine
Antwort: „Deo gratias“.
Wir haben uns angewöhnt, nur
noch über das Außergewöhnliche zu staunen – und dafür vielleicht auch zu
danken. Für das Alltägliche, für das Selbstverständliche, für das
Schlichte haben wir den Blick verloren. – Es ist eine Frage des
Hinschauens und Wahrnehmens. Jeden Tag – immer wieder neu – gibt es
Grund genug zum Danken. Die Welt ist voll von großen und kleinen
Freuden. Die Kunst besteht darin, sie zu sehen. Wer sensibel dafür ist,
dass er – Tag für Tag – reichlich beschenkt wird, der kann eigentlich
gar nicht anders, als dankbar zu sein. Ja, ich habe tausend Gründe, um
zu danken.
Und noch etwas geschieht,
liebe Mitchristen, wenn wir dem Danken Raum geben und wenn sich mehr und
mehr eine „Kultur der Dankbarkeit“ entfaltet: Wir sehen, wie das Jammern
und Klagen verstummt, wie die Zuversicht wächst und wie sich die Freude
breit macht.
Sich in Dankbarkeit üben,
erhöht die Zufriedenheit.
Dankbarkeit macht das
Leben reich.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wir feiern jetzt Eucharistie.
Es ist die große Dankfeier der Kirche. Wir danken für das Werk der
Erlösung. Wir danken für Gottes große Erlösungstat in Jesus Christus.
In der Tat „es ist
würdig und recht, dir, Herr, heiliger Vater, allmächtiger, ewiger Gott,
immer und überall zu danken.“
Nicht nur „Schwein
gehabt“, sondern „Deo gratias! Dank sei Gott!“ Ja, „lasst uns danken,
dem Herrn, unserem Gott!“
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