Evangelium
Wer sich selbst erhöht, wird
erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden
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Aus dem heiligen Evangelium nach
Lukas
1Jesus
kam an einem Sabbat in das Haus eines führenden Pharisäers zum Essen. Da
beobachtete man ihn genau.
7Als
er bemerkte, wie sich die Gäste die Ehrenplätze aussuchten, erzählte er ihnen
ein Gleichnis. Er sagte zu ihnen:
8Wenn
du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz
ein! Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als
du,
9und
dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir
sagen: Mach diesem hier Platz! Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten
Platz einnehmen.
10Vielmehr,
wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein
Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für
dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
11Denn
wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird
erhöht werden.
12Dann
sagte er zu dem Gastgeber: Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, lade
nicht deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn
ein; sonst laden auch sie dich wieder ein und dir ist es vergolten.
13Nein,
wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein.
14Du
wirst selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir
vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.
Im heutigen Evangelium stellt
Jesus so ziemlich alles auf den Kopf, was unter uns üblich ist. – Jesus ist im
Haus eines einflussreichen Pharisäers zum Essen eingeladen, in einem Haus also,
in dem es recht vornehm zugeht.
Doch was Jesus in dieser
exklusiven Gesellschaft beobachtet, erweckt seinen Widerspruch: Man drängelt
sich um die besten Plätze. Jeder glaubt, ein bisschen prominenter zu sein als
der andere, ein wenig höher zu stehen, einen besseren Platz beanspruchen zu
können. Man ist reich, angesehen, gehört zu den besseren Kreisen und ist sich
dessen wohl bewusst. Ein Zirkus der Eitelkeiten.
Noch etwas missfällt Jesus: Hier
ist die gute Gesellschaft ganz unter sich. Der Gastgeber kann sicher sein; von
all den Leuten, die hier sind, werde ich eine Gegeneinladung bekommen. Das
gehört zum guten Ton. So bleibt das Karussell der vornehmen Partys jedenfalls in
Schwung.
Mitten in der vornehmen Fete
ergreift Jesus das Wort, Und was er sagt, wird den Leuten kaum sonderlich
gefallen haben: „Wenn du mittags oder abends ein Essen gibst, so lade nicht
deine Freunde oder deine Brüder, deine Verwandten oder reiche Nachbarn ein;
sonst laden auch sie dich ein, und alles wieder ausgeglichen. Nein, wenn du ein
Essen gibst, dann lade Arme, behinderte, Lahme und Blinde ein! Wohl dir, denn
sie können es dir nicht vergelten…“
Versuchen Sie mal, sich eine
solche Szene hier in N. N. vorzustellen! Es wird Ihnen nur schwer gelingen. Eine
solche Tischrede wäre schier undenkbar.
Und ich selber muss mich ja auch
fragen, wie ich z.B. mit dem Obdachlosen oder Tippelbruder umgehe, der an meiner
Haustür oder an der Klosterpforte klingelt.
Ja, in diesem Evangelium steckt
Sprengstoff!
Da wollen zum Beispiel zwei junge
Leute heiraten. Die Eltern sind strikt dagegen. Der junge Mann oder die junge
Frau, so sagen sie, passt doch nicht in unsere Kreise. So etwas gibt es auch
heute noch. Das kommt so oder ähnlich immer wieder vor.
Für Jesus gibt es keine besseren
Kreise. Für ihn hat jeder Mensch gleiche Würde. Ein Elitedenken, das hochnäsig
auf andere herabschaut, wäre für ihn unmöglich.
Denn für ihn ist jeder Mensch Sohn
und Tochter Gottes. Und das ist für ihn nicht nur eine fromme Floskel. Diese
Überzeugung prägt sein ganzes Verhalten. Darum begegnet er allen Menschen mit
Achtung und Respekt. Mehr noch: mit Liebe. Den Kleinen und Schwachen gilt seine
Aufmerksamkeit ganz besonders. Nicht umsonst wird er „Freund der Zöllner und
Sünder“ genannt.
Auf einmal erweist sich
menschliche Prominenz als ein Stück angemaßt und brüchig. Und es leuchtet etwas
von der Würde der kleinen Leute auf, von der Würde jedes Menschen: will jeder
unbegreiflich wertvoll ist. – Würden wir das Evangelium ernst nehmen, könnten
wir es ernst nehmen, es gäbe meines Erachtens eine wahre Revolution! Aber eine
wohltuende, möglicherweise.
Nicht auszudenken, wie leicht und
beschwingt unser Leben werden könnte, wären das alles nicht nur Worte, sondern
wäre das unsere tiefste Überzeugung, die unser Verhalten und unseren Lebensstil
durch und durch prägt.
Was könnte das für ein Leben sein:
Keine Angst mehr, was denn die anderen von mir denken! Keine Fassaden, kein
Imponiergehabe mehr! Weg mit all diesem Krampf! Es ist doch wirklich Krampf
weithin, oder, dieser Wettstreit um die ersten Plätze? Wieviel Gieren, Geizen,
Neiden! Wieviel Missgunst und Eifersucht! – Was wäre das anders für ein Leben!
Und dann könnte plötzlich auch die
zweite Hälfte des Evangeliums wahr werden. Lahme und Blinde wären eingeladen,
die kleinen Leute und niemand müsste Angst um sein kostbares Prestige haben. Was
wäre das für ein Leben, unbefangen und geschwisterlich…
Doch die Verhältnisse, die sind
nicht so. Aber könnten wir nicht doch Schritt für Schritt damit anfangen,
menschliche Achtung zu praktizieren vor den Menschen, die uns begegnen? Nicht
nur äußerlich, sondern von innen her.
Ein Schüler kommt zum Rabbi und
fragt: „Früher gab es doch Menschen, die Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen
haben. Warum gibt es das heute nicht mehr?“ Der Rabbi gibt zu Antwort: „Weil
sich heute niemand mehr so tief bücken will.“ |