Na ja, es ist ja nicht direkt üblich,
dass Zöllner oder sogar Oberzöllner Tagebuch schreiben. Aber warum
nicht? Andere haben es auch getan. Und ich verlange ja nicht, dass man
ein Bühnenwerk oder einen Film daraus macht. – Aber heute war ein Tag,
den ich auskosten muss, der nicht vergehen darf. Warum? Weil jetzt mein
eigentliches Leben beginnt. Ich weiß zwar, man darf nicht auf Tabor
bleiben, so schön es da oben ist, man muss hinunter und muss das, was
Tabor zu Tabor gemacht hat, da unten im nüchternen Alltag verwirklichen.
Ich muss mir noch einmal meine
Situation an jenem Morgen bewusst machen. Es war am Tag nach dem Sabbat.
Tags zuvor wollte ich den Sabbat heiligen und am Gottesdienst
teilnehmen. Viele Leute waren schon unterwegs. Zwischen einfachen Leuten
auch die Pharisäer und Schriftgelehrten mit ihrem kostbaren Outfit mit
den langen Quasten und Gebetsriemen. Sobald jemand mich erkannte,
wechselte er die Straßenseite oder rückte sichtbar von mir ab. Niemand
wollte gleichzeitig mit mir in die Synagoge eintreten und dann ließen
sie mich einfach stehen und rückten so zusammen, dass eindeutig zu sehen
war, sie wollten nichts mit mir zu tun haben.
Komisch, gerade an diesem Sabbat fiel
mir das auf, sonst berührte es mich kaum. Ich war ja sozusagen ein
Abtrünniger, einer, der mit dem Feind nicht nur gemeinsame Sache macht,
sondern sogar noch für sich Vorteile heraus schlägt und sich
unrechtmäßig bereichert, die Armen unter den Landsleuten noch ärmer
macht. So hatte ich mich schon daran gewöhnt, ausgegrenzt zu werden und
irgendwie verstand ich es auch, wenn ich auch die Isolation schmerzlich
empfand. Aber ich sagte mir, man kann nicht alles haben, und raffte
zusammen, soviel ich konnte, um mich zu entschädigen.
Aber an diesem Sabbat konnte ich
einige Gespräche wahrnehmen und weil sie so erregt waren, sogar
verstehen. Es ging um einen Jesus von Nazareth, den die einen für einen
Propheten hielten, andere für einen Hochstapler, während die einfacheren
Leute in ihm einen zumindest guten Menschen sahen, wenn nicht sogar
einen Engel, denn so viele hatte er schon geheilt von verschiedenen
Krankheiten. Das Töchterchen eines Hauptmanns soll er sogar dem
Totengräber gleichsam von der Schaufel geholt haben. Und einige
berichteten schadenfroh, dass Jesus den Vornehmen tüchtig die Meinung
sagte, dass er in einer Gegenüberstellung sogar den Zöllner besser
davonkommen ließ als den Pharisäer. Erstaunlich war auch, dass Matthäus,
einer meiner untergeordneten Kollegen seinen Beruf sogar an den Nagel
hängte und ihm nachfolgte, wie ich hörte.
Also kurz gesagt, als ich tags darauf
erfuhr, dass er auf dem Weg nach Jericho sei, da war ich wild
entschlossen, ich muss ihn sehen. Ich will sehen, wer er ist. Aber wie
sollte ich das anstellen? Ich, der kleine Knirps, wie sollte ich ihn da
in der großen Menschenmenge erkennen können und helfen wird mir sicher
niemand, im Gegenteil, ich würde eher weggeschubst und beschimpft oder
verhöhnt. Aber ich muss ihn sehen!
Also musste ich mir was einfallen
lassen. Und es fiel mir etwas ein. Die Straße war gesäumt mit Bäumen. So
stieg ich schnell entschlossen, bevor mich jemand hindern konnte, auf
einen der Maulbeerfeigenbäume und wartete. Ich wartete mit Herzklopfen.
Und eigentlich wusste ich nicht, was dann. Ich wusste auch nicht
wirklich, was ich erwartete und was mich so drängte, dass ich ihn sehen
muss.
Ich hatte meinen Beobachtungsposten
gut gewählt, es schien nicht aufzufallen, jedenfalls ließ man mich in
Ruhe. Und da kamen sie. Es waren etwa ein Dutzend einfacher Leute um die
Gestalt herum, die das Zentrum zu sein schien. Und außerdem natürlich
ein Rattenschwanz neugieriger Menschen hinter ihnen und solche, die die
Straße säumten.
Da, das muss er sein. Plötzlich, ich
traue meinen Augen und Ohren nicht. Er bleibt genau unter meinem Baum
stehen, blickt herauf und ich bin nicht ganz sicher, ob da nicht ein
bisschen ein schelmischen Lächeln in seinen Augen ist, als er heraufruft
zu mir „Zachäus, komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem
Haus bleiben“.
In meinem Hirn sprangen die Gedanken
„Wie, was?“, aber inzwischen hatte mein Herz schon zum Sprung angesetzt
und die Beinen führten ihn aus. Und als ich vor Ihm stand, fand ich
keine Worte, ich strahlte ihn nur an. Und Er verstand mich ohne Worte.
Die Freude schnürte mir die Kehle zu, aber eben, Er verstand mich.
Wenn einem Augen anblicken wie die
Seinen, ist alles andere schlicht nebensächlich. Das empörte Gemurmel
der Leute, die sich aufregten, weil Er sich bei mir eingeladen hat, was
kümmert es mich. Das waren Augen, die alles Unverletzte, alles Edle in
mir, das ich verschüttet hatte, aufdeckten, lebendig machten, die den
„Sohn Abrahams“, der ich war, in mir entdeckten und vom Schutt
befreiten. Es war nur noch eines wichtig, diesen Augen zu entsprechen,
ihre Zustimmung zu finden und mein ganzes, verfehltes Leben lag offen
vor mir.
Ich ergriff die Chance, ich musste den
ungerechten Mammon loswerden. Und ich wusste auch wie. Und es war mir
nicht genug. Ich wollte das Glück, plötzlich angesehen zu sein,
ausströmen lassen an alle, die ich betrogen hatte und drüber hinaus an
alle Armen. Mit niemand auf der Welt würde ich tauschen! Ich ließ mich
finden und fand das Heil.
ER ist mein Reichtum, mein Alles! Das
musste ich schriftlich festhalten. Schalom, schalom!
(nach Sr. Christine Koretic)