Evangelium
Wem wird dann das gehören,
was du angehäuft hast?
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
13bat
einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das
Erbe mit mir teilen!
14Er
erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch
eingesetzt?
15Dann
sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier!
Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im
Überfluss seines Besitzes lebt.
16Und
er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen
Mannes stand eine gute Ernte.
17Da
überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz,
wo ich meine Ernte unterbringen könnte.
18Schließlich
sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und
größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte
unterbringen.
19Dann
werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat,
der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!
20Da
sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben
von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?
21So
geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott
nicht reich ist.
Ein Mann steht zufrieden auf der Bühne
des Lebens.
Rundum abgesichert gegen Schäden aller
Art: Einbruch, Diebstahl, Feuer, Wasser, Hagel, Sturm und Blitz…
Zufrieden sortiert er seine Policen:
Autoversicherung, Haftpflichtversicherung, Hausratversicherung,
Krankenversicherung, Lebensversicherung, Unfallversicherung… „Jetzt
kann ich sorglos leben!“ denkt er zufrieden. – Und stirbt.
Ein anderer hat einen großen
Terminkalender und sagt zu sich: „Alle Termine sind eingetragen, aber
noch sind die Tagung X und die Konferenz Y sowie die Sitzung der
Unterausschüsse und die Treffen des Teams nicht eingeplant. Wo soll ich
sie alle unterbringen?“ – Und er kauft einen größeren Terminkalender
mit Einteilungsmöglichkeiten der Nachtstunden, macht aus Abendessen
Arbeitsessen, aus Wochenenden Klausurtage, disponiert noch einmal um,
trägt alles sorgfältig ein und sagt zu sich selbst: „Nun sei ruhig!
Du hast alles gut eingeplant. Versäume nur nichts!“
Und je weniger er versäumte, umso mehr
wuchs sein Informationsvorsprung. Er konnte überall klug mitreden. Er
stieg im Ansehen und wurde in den Ausschuss Q und in den Vorstand K
gewählt, zweiter und erster Vorsitzenden, Ehrenmitglied…
Und eines Tages war es soweit. Und Gott
sagte: „Du Narr, diese Nacht stehst du auf meinem Terminkalender.“
Bei Joachim Ringelnatz findet sich ein
kleines, freches Gedicht. Es passt zu den Texten dieses Sonntags: „Du
weißt nicht mehr wie Blumen duften, kennst nur die Arbeit und das
Schuften. …So gehen sie hin die schönen Jahre, am Ende liegst du auf der
Bahre und hinter Dir, da grinst der Tod: Kaputtgeschuftet – Vollidiot!“
In einem Zeitungsartikel über den
kürzlich verstorbenen Fußballspieler Uwe Seeler war ein Ausspruch von
ihm zitiert. Der trifft m. E. den Nagel auf den Kopf: „Es ist dieses
Ich, Ich – Mehr, Mehr, es ist diese verdammte Gier, die alles kaputt
macht“
Mag sein, dass Uwe Seeler die
Entwicklung im Profifußball im Blick hatte, die horrenden Summen z.
B. bei Spielertransfers.
Sein Ausspruch von der „verdammten
Gier, die alles kaputt macht“, beschreibt jedoch die Wirklichkeit in
unserer Gesellschaft und Welt leider nur allzu treffend.
-
Die territoriale Gier eines
skrupellosen Machthabers führt Europa in einen furchtbaren Krieg und
bringt so viel Leid ins Leben unzähliger Menschen.
-
Wozu Raffgier und egoistisches
Handeln führen können, das zeigt sich leider auch an anderen Stellen
immer wieder. Wenn die Reichen auf Kosten der Armen leben und die
Wirtschaft nach Regeln funktioniert, die unsere Welt in Gewinner und
Verlierer aufteilt, dann ist das unmenschlich, dann ist das eine
himmelschreiende Ungerechtigkeit.
-
Dass eine Mentalität des
Immer-mehr-haben-Wollens alles „kaputtmachen“ kann, zeigt auch die
Klimakrise und die zunehmende Zerstörung unserer Welt, die Gottes
gute Schöpfung ist. Auch hier schafft es der Mensch, durch Habgier
und Kreisen um sich selbst, seine eigene Lebensgrundlage und die von
Pflanzen und Tieren zu zerstören.
„Halt! Stopp!“ mögen Sie, liebe
Schwestern und Brüder, jetzt innerlich rufen: „Genug an
Problemanzeigen! Genug Bedrohungsszenarien!“ – Wie verständlich!
Schließlich haben wir Sommer, Ferienzeit, Urlaubszeit. Mal abschalten,
sich erholen, einfach mal die Seele baumeln lassen. – Es sei Ihnen von
Herzen gegönnt.
Allerdings, liebe Mitchristen, das
heutige Evangelium stellt sich diesem inneren Bedürfnis ein wenig quer.
Denn es kommt mit einer Ermahnung daher: „Gebt acht! Hütet euch vor
jeder Art von Habgier!“
Nun, an und für sich handelt ja der
Superreiche ganz vernünftig und vorausschauend, wenn er seine übergroßen
Erträge zu sichern sucht. Ein kluger Mann baut vor.
Aber ich weiß nicht, ob es Ihnen
aufgefallen ist? – Wenn der reiche Mann spricht, dann führt er
ausschließlich einen Monolog. Alle seine Gedanken kreisen um ihn selbst
und um seinen Besitz. In seinem ichbezogenen und von Gewinnstreben
geprägten Denken scheint es keinen Platz für andere Menschen und auch
nicht für Gott zu geben. – Den Sinn seines Lebens sieht er allein darin,
sich materielle Sicherheiten zu verschaffen, die er später genießen
will.
Doch in das Selbstgespräch des
erfolgreichen Großgrundbesitzers dringt Gottes hartes Wort: „Du Narr!
Heute, noch in dieser Nacht...“ Auf gut deutsch: Du Dummkopf! Dumm
und töricht ist er, weil sein ganzer Wohlstand den plötzlichen Tod nicht
verhindern kann und all sein profitorientiertes egoistisches Streben ins
Leere läuft.
„Heute noch“, liebe Mitchristen,
das kann ein Schlaganfall sein, ein Herzinfarkt, ein Autounfall und
vieles mehr. Sie wissen es selbst.
Liebe Schwestern und Brüder!
Der heilige Ignatius hat bei den
30-tägigen Exerzitien eine Übung. Darin empfiehlt er, das Leben einmal
von seinem Ende her in den Blick zu nehmen. Und so – von hinten her
betrachtet – Bilanz zu ziehen, zu sortieren, zu gewichten und Leben neu
zu ordnen.
Wie möchte ich – rückblickend in meiner
letzten Stunde – gelebt haben? Für wen möchte ich dagewesen sein und
mich eingesetzt haben?
„Da fragt man seine Arbeit, für wen
sie nütze ist? Und da fragt man die Freizeit, ob sie auch Freiheit
geschenkt hat? Da fragt man nach der Liebe und nach der Treue. Man fragt
ob man seinen Kindern in die Augen sehen kann? Und welche Gewissheiten
am Ende bleiben.“ (Johanna Haberer)
Für die Übung braucht es keine großen
Exerzitien. Vielleicht genügt ein fernsehfreier Abend, ein stiller
Geburtstag, ein Jubiläum, wo wir uns vorstellen: Dieser Tag, was, wenn
das der letzte wäre?
Wenn heute Schluss wäre, hier und jetzt,
hätte mein Leben dann die Form, die es in meinen Augen haben sollte? Ist
die Richtung spürbar, die ich meinem Leben gerne geben würde? Sind die
Akzente, die mir wichtig sind, erkennbar? Mag ich es, könnte ich es so
lassen, wie es jetzt gerade ist? – Und dann fragen wir uns, was dringend
zu ändern wäre – an den Dingen um mich herum; an dem, was ich tue; und
an mir selbst.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wie wär’s, vielleicht ist gerade jetzt
auch die Ferienzeit geeignet, diesen Fragen Raum und Zeit zu geben.
Zwei Dinge jedenfalls sind klar: Gott ist
uns sehr nahe. Wir sind von ihm nicht weiter entfernt als einen Atemzug,
unseren letzten. Und zweitens: Das letzte Hemd hat keine Taschen. Was am
Schluss bleibt und zählt ist die Liebe. Dieses Wissen gibt unserem Leben
Wahrheit, Weisheit – und allem Ende zum Trotz – Auftrag und Weite.
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