Evangelium
Wem wird dann das gehören,
was du angehäuft hast?
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
13bat
einer aus der Volksmenge Jesus: Meister, sag meinem Bruder, er soll das
Erbe mit mir teilen!
14Er
erwiderte ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbteiler bei euch
eingesetzt?
15Dann
sagte er zu den Leuten: Gebt Acht, hütet euch vor jeder Art von Habgier!
Denn das Leben eines Menschen besteht nicht darin, dass einer im
Überfluss seines Besitzes lebt.
16Und
er erzählte ihnen folgendes Gleichnis: Auf den Feldern eines reichen
Mannes stand eine gute Ernte.
17Da
überlegte er bei sich selbst: Was soll ich tun? Ich habe keinen Platz,
wo ich meine Ernte unterbringen könnte.
18Schließlich
sagte er: So will ich es machen: Ich werde meine Scheunen abreißen und
größere bauen; dort werde ich mein ganzes Getreide und meine Vorräte
unterbringen.
19Dann
werde ich zu meiner Seele sagen: Seele, nun hast du einen großen Vorrat,
der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink und freue dich!
20Da
sprach Gott zu ihm: Du Narr! Noch in dieser Nacht wird man dein Leben
von dir zurückfordern. Wem wird dann das gehören, was du angehäuft hast?
21So
geht es einem, der nur für sich selbst Schätze sammelt, aber bei Gott
nicht reich ist.
Wenn jemand in einer
Unterhaltung seine Familie über den grünen Klee hinaus lobt und erzählt
wie gut, harmonisch und liebevoll alle miteinander umgehen, dann wird
manchmal von einem Gesprächsteilnehmer die Frage gestellt: „Habt ihr
schon geteilt?“ – Denn nach einer Testamentseröffnung scheiden sich
nicht selten die Geister. Wenn es ums Erbe geht, kommt es immer wieder
vor, dass sich selbst liebe und friedfertige Menschen in die Haare
geraten. Dann kann es sein, dass wegen angeblicher Ungerechtigkeit oder
scheinbarer Benachteiligung langjährige Freundschaften auseinandergehen
und Familienbande aufgekündigt werden.
Auf diese Erfahrung kommt
Jesus im heutigen Evangelium zu sprechen. Da spricht ihn „einer aus
der Volksmenge“ an und bittet ihn vermittelnd und schlichtend in
einen Erbstreit mit seinem Bruder einzugreifen. Jesus jedoch weist
dieses Ansinnen zurück. Er lehnt es ab als Nachlassverwalter und
Erbschlichter aufzutreten.
Warum
ist er nicht dazu bereit, wo er doch sonst gern für die Zukurzgekommenen
Partei ergreift und Menschen in Not zu Hilfe eilt? Warum, das erklärt
Jesus, indem er eine Geschichte erzählt: das Gleichnis vom reichen
Kornbauer.
Auf den Feldern eines
reichen Mannes, der bereits mit vielen Gütern gesegnet ist, steht eine
große Ernte. Die Fülle bringt ihn ernsthaft in Bedrängnis: Wohin damit?
Wo die Riesenmengen unterbringen? Ernte und Vorratskammern stehen in
keinem Verhältnis. Das Geschäft expandiert. Die Lösung sieht er im
Abreißen und Erweitern. Größere Scheunen müssen her. Er entschließt sich
zu umfassenden Neubaumaßnahmen. Und schwelgt schon im Vorhinein im
Wohlgefühl des zukünftigen Lebensgenusses: „Seele, nun hast du einen
großen Vorrat, der für viele Jahre reicht. Ruh dich aus, iss und trink
und freu dich!“
Im Gleichnis nennt Jesus
diesen Mann einen Narr.
Doch was ist so
närrisch an ihm?
Hätte er die Ernte vielleicht auf dem Feld verkommen lassen sollen? Was
liegt näher als größere Scheunen zu bauen? Was liegt näher, als der
Traum, dann ein sorgenfreies Leben führen zu können? Handelt er nicht
ganz sinnvoll, zweckmäßig und vorausschauend?
Nein,
sein großer Irrtum ist zu meinen: damit habe er ausgesorgt, darauf könne er sein Leben bauen. Das ist töricht. Denn alles kann
von einem Moment auf den anderen zusammenbrechen: Diagnose Krebs,
unheilbar, tödlicher Unfall, Herzinfarkt oder sonst ein Unglück oder
Schicksalsschlag. Wie oft erfahren wir derartiges! Und verdrängen es
doch wieder ganz schnell!
Sehen Sie:
In seiner Lebensrechnung macht der reiche Kornbauer einen großen Fehler.
In seiner Selbstsicherheit übersieht er das Sicherste in seinem Leben:
den Tod, der jäh und unvermittelt eintreten kann und allem menschliche
Planen ein abruptes Ende setzt.
Armer reicher Mann!
Was kann von all dem, was er angehäuft, gehortet und gespeichert hat
mitnehmen? Nichts! Das Totenhemd hat keine Taschen. Die Idee, zu teilen
oder gar zu verschenken, was ihm an Gutem im Überfluss zugekommen war,
fällt ihm nicht ein. Er sieht die Lösung einzig im Vergrößern der
Vorratsräume, im Ansammeln und Horten.
Doch mitnehmen ins
Jenseits können wir keine Scheunen und keine Paläste, keine Brillanten
und kein Geld, weder Besitz noch Reichtum. Wir können nur mitnehmen,
womit wir das Herz gefüllt haben. In den Himmel gehen wir mit der Liebe
ein, die wir gegeben und empfangen haben.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Was zählt ist nicht, was
wir hier auf Erden erreicht, erworben und verdient haben. Was zählt ist
nicht, was wir uns haben alles leisten können. Profit, Prestige und
Positionen – all das ist „Windhauch“, wie die alttestamentliche Lesung
aus dem Buch Kohelet sagt – all das kann sehr schnell zerrinnen und
zunichtewerden – all das ist zerbrechlich und vergänglich und wird
spätestens durch den Tod relativiert.
Dem Ansammeln von
Schätzen hier auf der Erde stellt Jesus eine andere Art von Reichtum
gegenüber: den Reichtum vor Gott. „Sammelt euch Schätze im Himmel!“.
Wie das geht, reich werden vor Gott, das hat Jesus selbst vorgelebt:
durch die Zuwendung zu den Armen und zu denen, die am Rand der
Gesellschaft stehen, durch die Vergebung von Schuld, durch die
bedingungslose Annahme des Nächsten, durch die Liebe zu den Feinden,
durch Hilfsbereitschaft und Solidarität.
Der Kornbauer wäre vor
Gott reich geworden, wenn er seine Schätze und vor allem seinen
Überfluss mit anderen geteilt hätte. So aber ist er vor Gott arm
geblieben, weil er nur an sich gedacht hat, weil er sein Herz nicht für
die Bedürfnisse anderer geöffnet hat.
Liebe Mitchristen!
Das heutige Evangelium
gibt viele Fragen auf:
Was an Besitz und
Vermögen ist notwendig – und wo beginnt der Überfluss?
Was dient der legitimen
Sicherung und Vorsorge – und wo nimmt die Habgier ihren Anfang?
Und vor allem: Was zählt
wirklich und letztendlich? Was zählt bei Gott? Was macht uns vor ihm
reich?
Zum Schluss noch eine Geschichte,
die der Denkweise des reichen Kornbauern gar nicht unähnlich ist:
Ein junger Student kam zu Philipp Neri, um ihm seine
Lebenspläne zu schildern.
Er wolle Rechtsanwalt
werden, berichtete er. Alle Leute würden sagen, er sei geeignet für
diesen Beruf. – „Und dann?“ fragte Philipp Neri.
Die Antwort: Er wolle als Rechtsanwalt sich einen
Namen machen, Erfolg haben, dann heiraten und sich ein Haus bauen. –
Wieder antwortete Philipp Neri: „Und dann?“
Dann wolle er am Gericht in Rom Karriere machen, einen
hohen Posten erreichen, ein reicher, angesehener und einflussreicher
Mann sein. – Philipp Neri insistierte: „Und dann?“
Dann wolle er sich eines Tages mit einer hohen Pension
zur Ruhe setzen. – Philipp ruhte nicht mit seinem stereotypen: „Und
dann“?
Da blieb dem jungen Studenten nichts anderes als die
Antwort:
„Dann, ja dann, werde ich wohl eines Tages sterben
müssen.“
Philipp Neri zog den Kopf des jungen Mannes nah an
sich heran und flüsterte ihm leise ins Ohr: „Und dann?“
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