Jesus war ein guter Erzähler. Er hat Geschichten
erzählt, die man nicht vergisst. Er hat sie dem Leben abgelauscht oder auf eine
Weise erfunden, dass jeder begreift, was gemeint ist.
So eine Geschichte mitten aus dem Leben und
überaus beeindruckend ist auch die Beispielerzählung vom Pharisäer und vom
Zöllner. Auch wer sich nicht in der Bibel auskennt, wer nicht im Evangelium
liest, kennt sie und kennt die beiden unterschiedlichen Gestalten,
Kontrastgestalten, die darin die Hauptrolle spielen.
Jesus erzählt dieses Gleichnis „einigen, die
von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten“,
also eine pharisäische Haltung an den Tag legen.
Für seine Zuhörer unfassbar kommt der Zöllner gut
weg, der Pharisäer eher schlecht. Der Zöllner ging gerechtfertigt nach Hause,
der andere aber nicht. Für die Zuhörer Jesu unfassbar, weil man vor den
Pharisäern Achtung hatte, zu ihnen aufschaute.
Für uns heute klingt „Pharisäer“ wie ein
Schimpfwort. Damals war es ein Ehrenname. Pharisäer waren gottesfürchtige
Männer.
Sie waren sehr fromm, sie nahmen ihren Glauben
wirklich ernst. Ja, sie taten mehr als sie mussten, mehr als vorgeschrieben war
an Fasten, Opfern, Almosen, guten Werken, Tempelsteuer usw.
Pharisäer galten als Inbegriff der vollkommenen
Hingabe an Gottes Gebote.
Zöllner dagegen waren fragwürdige Gestalten. Sie
übten einen anrüchigen Beruf aus, weil sie mit der römischen Besatzungsmacht
zusammenarbeiteten, vor allem aber weil sie das Volk ausbeuteten und erheblich
in die eigene Tasche wirtschafteten und dabei oft sehr reich wurden. Eben darum
waren sie bei allen gehasst und verachtet.
Die Frage drängt sich auf:
Was hat der Pharisäer eigentlich so falsch gemacht, dass er vor Gott keinen
Gefallen findet?
Man kann ihm nichts
vorwerfen und er selber hat sich auch nichts vorzuwerfen. Er fühlt sich frei von
Schuld. Und zweifelsohne hat er beachtliche Leistungen vorzuweisen.
Nun, in dem Gleichnis wird der Pharisäer auch gar
nicht wegen seiner guten Werke getadelt. Jesus missachtet ihn nicht wegen seines
einwandfreien und korrekten Lebenswandels. Jesus beschönigt auch nicht das
betrügerische Verhalten des Zöllners. Er billigt keineswegs dessen Weise Geld zu
machen.
Jesus geht es um die rechte Haltung vor Gott.
Der Pharisäer dankt zwar Gott und kreist doch nur
um sich selbst. Er preist sich und seine Leistungen. Er gibt mit seinen
Verdiensten vor Gott an und er verurteilt den Zöllner.
Er klopft sich selbst auf die Schulter und
verachtet in gleichem Maße die, die nicht so in der Frömmigkeit zu Hause sind
wie er und nicht das schaffen und machen und bringen, was er vermag.
Der Pharisäer präsentiert seine guten Werke vor
Gott, legt sie wie in einem Schaufenster aus, er beweihräuchert sich selbst und
zeigt gleichzeitig auf die bösen und schlimmen anderen.
Man spürt förmlich wie
stolz, wie überheblich, wie selbstgerecht er auf die anderen herabschaut und sie
mit Verachtung straft.
Pharisäer und Zöllner.
Ich denke, jeder Mensch trägt beide Gestalten in
sich. Den Pharisäer in mir entdecke ich immer wieder, wenn ich mich über andere
stelle, wenn ich mich besser, gescheiter, frömmer dünke als andere ...
Und den Zöllner?
An dieser Stelle spüre ich eine große Sehnsucht,
nicht ständig perfekt, korrekt und tadellos sein zu müssen, die Sehnsucht nicht
immer alles können und recht machen zu müssen, die Sehnsucht auch einmal schwach
sein zu dürfen und trotzdem mich angenommen zu wissen.
Der Zöllner wird angenommen, weil er mit leeren
Händen vor Gott hintritt, weil er sich nichts einbildet, niemanden verurteilt,
sondern seine Armseligkeit erkennt und bekennt, seine Schuld demütig vor Gott
eingesteht und einfach um Verzeihung bittet.
Reumütig schlägt er an seine Brust und bittet Gott um sein Erbarmen.
„Gott, sei mir Sünder gnädig!“
Wer seine Bedürftigkeit wahrnimmt, wer seine
Armut und Not bekennt, wer seine leeren Hände Gott hinhält, wird reich
beschenkt.
„Gott liebt deine Armut, nicht deinen Glanz,
deine Leere und nicht deine Erfolge.“
Amen
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