Evangelium
Marta nahm ihn gastlich auf. –
Maria hat den guten Teil gewählt
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Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
38kam
Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf.
39Sie
hatte eine Schwester, die Maria hieß. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und
hörte seinen Worten zu.
40Marta
aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte:
Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein
überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
41Der
Herr antwortete: Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.
42Aber
nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht
genommen werden.
Liebe Schwestern und Brüder,
Ein weiser Mann wurde einmal
gefragt, wie er es fertigbringe, in allen Situationen die Ruhe zu bewahren, und
was er mache, dass er immer so gesammelt sein könne.
Er antwortete:
„Wenn ich stehe, dann stehe
ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich sitze, dann sitze ich,
wenn ich esse, dann esse ich,
wenn ich spreche, dann spreche
ich.“
„Aber das tun wir doch auch.
Was tust du darüber hinaus noch?“ fragten ihn die Leute.
Er antwortete:
„Wenn ich stehe, dann stehe
ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich sitze, dann sitze ich,
wenn ich esse, dann esse ich,
wenn ich spreche, dann spreche
ich.“
„Aber das tun wir doch auch“
sagten die Leute.
„Nein, das tut ihr nicht“,
sagte der weise Mann.
„Wenn ihr sitzt, dann steht ihr
schon,
wenn ihr steht, dann lauft ihr
schon,
wenn ihr lauft, dann seid ihr
schon am Ziel.“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn wir dieses Wort überdenken,
dann liegt das Geheimnis der Ruhe und Sammlung darin, immer nur eine Sache zu
tun – und die ganz. Und die Wurzel der inneren Unruhe liegt darin, immer zwei
Dinge gleichzeitig zu tun:
Frühstücken und Zeitung lesen,
Autofahren und Radio hören,
sich unterhalten und ins Fernsehen
schauen,
lernen und Musik hören,
einschlafen und schon den nächsten
Tag planen,
kranksein und grübeln,
erzählen und auf die Uhr schauen,
zuhören und die Gäste bedienen.
In Wirklichkeit gibt es keinen
Menschen auf der Welt, der zwei Dinge gleichzeitig tun kann, zwei Aufgaben
zugleich gerecht werden kann. – Natürlich, man kann mehrere Sachen gleichzeitig
machen, organisieren, managen. Das funktioniert schon. Aber die volle
Konzentration auf eines fehlt. Man bleibt bei allem ein Stück weit an der
Oberfläche, man kommt nirgends in die Tiefe. Und man verzettelt sich, wird hin
und hergerissen, unruhig. Und dann wird man noch schneller, noch hektischer,
noch gestresster.
Und man geht selbst dabei leer
aus, denn man ist in sich selbst zerrissen, voll innerer Unruhe, angespannt. Und
muss dann diese Leere und Unruhe, diese innere Klage, den Schrei des eigenen
Herzens, das leer ausgeht, gewaltsam unterdrücken und zudecken mit Worten wie
„Verantwortung, Aufgabe, Plicht“.
Liebe Schwestern und Brüder!
Ganz im Innern ist die Marta darum
aggressiv gegen die Maria, weil sie sehr wohl spürt, dass sie selbst auch den
Teil wählen möchte, den Maria gewählt hat, aber sie kann das nicht.
Wenn sie sitzt, dann steht sie
schon, wenn sie steht, dann geht sie schon, wenn sie geht, dann… Sie wäre gern
gleichzeitig in der Küche und im Wohnzimmer. Aber das geht nicht.
Jesus sagt: „Nur eines ist
notwendig.“ Eines nur ist von dir gefordert. Maria hat sich entschieden. Und
das, was sie gewählt hat, soll ihr nicht genommen werden. Du kannst Gott in
allem begegnen und ihn in allen Dingen finden, auch am Kochtopf. Aber was du
tust, das tue ganz, das tue ungeteilt. Lass dich ganz darauf ein. Denn Gott ist
kein Gott der Unruhe und des Vielerlei, sondern ein Gott der Sammlung und des
Friedens.
Wenn du krank bist, erlaube dir
krank zu sein,
wenn du schläfst, erlaube dir zu
schlafen,
wenn du arbeitest, dann sei ganz
bei der Sache,
wenn du sprichst, sei ganz bei
dem, mit dem du sprichst.
Du kannst in der Arbeit Gott
finden,
du kannst in der Krankheit Gott
finden,
du kannst ihn überall finden, wo
du in die Tiefe gehst,
nur nicht zwischendrin und an der
Oberfläche,
nicht auf dem Sprung, nicht
zwischen Tür und Angel,
nicht mit halbem Ohr, zerteilt und
innerlich zerrissen.
Darum sagt die große Theresia von
Avila: „Wenn Fasten, dann Fasten, wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn.“
Und darum verstehen wir dieses
Evangelium falsch, solange wir meinen, hier verurteile Jesus einfachhin die
Arbeit und spreche die Beschaulichkeit heilig. – Was er in Wahrheit verurteilt,
weil es zum Schaden ist, ist das unruhige, hin und hergerissene, das geteilte
Herz.
Und darum ist, wenn wir in unserem
Leben als Christen und Glaubende nicht weiterkommen, wenn uns die Unruhe quält
und zermürbt, vielleicht der erste Schritt, das wir lernen, uns zu entscheiden,
zu wählen, was wir wirklich wollen.
Und die Frohe Botschaft dieses
Evangelium heißt dann: Du brauchst zwei oder noch mehr Dinge gleichzeitig tun.
Du darfst wählen. Denn du darfst Jesus beim Wort nehmen: „Eines nur ist
notwendig.“ – Gebe Gott, der ein Gott des Friedens ist und nicht der Unruhe,
dass wir das eine Notwendige erkennen und wählen! |