Wer das
Evangelium dieses Sonntags ohne Bauchschmerzen liest oder hört, muss ein
dickes Fell haben.
Wie Jesus
da mit drei Männern umgeht, die ihm nachfolgen wollen oder sollen, ist
schon sehr eigenartig, anstößig, ja geradezu erschreckend hart, um nicht
zu sagen rigoros und kompromisslos.
Doch
zunächst verhält sich Jesus noch ganz so, wie wir ihn kennen und es von
ihm erwarten: nämlich duldsam, friedlich und gelassen.
Ein
samaritisches Dorf will ihn und die Seinen nicht aufnehmen. Juden und
Samariter standen sich feindlich gegenüber. Man verweigert ihnen die
Gastfreundschaft, weil sie auf dem Weg sind nach Jerusalem.
Da sind
es Jakobus und Johannes, die – wegen ihres aufbrausenden und ungestümen
Wesens – auch „Donnersöhne“ genannt werden, die voll Wut am liebsten
Feuer vom Himmel fallen lassen würden, um dieses Dorf samt seinen
Einwohnern zu vernichten.
Doch
Jesus weist die beiden scharf zurecht. Das feurige Dreinschlagen und der
kurze Prozess, sich rächen und vergelten, sind nicht seine Sache.
Haben
auch die Propheten, z. B. Elija, Gewaltanwendung nicht gescheut, der Weg
Jesu ist ein anderer.
Der
Menschensohn ist nicht gekommen, um zu strafen und zu vernichten,
sondern um aufzurichten und zu retten.
„Selig“
nennt Jesus in der Bergpredigt diejenigen, „die
keine Gewalt anwenden.“
So
gelassen und tolerant Jesus im ersten Teil des Evangeliums hinsichtlich
der feindselig gesinnten Samariter reagiert, so fordernd und radikal
zeigt er sich im zweiten Teil des Evangeliums, wo es um „Nachfolge“
geht.
An drei
Beispielen wird das im heutigen Evangelium deutlich:
Da ist
als erster ein Mann, der von sich aus Jesus folgen will.
Er ist
bereit mit Jesus zu gehen, wohin auch immer.
Ein
hochherziges Angebot von einem, der hochmotiviert ist.
Nun
geschieht das Sonderbare: Jesus freut sich nicht über so viel Idealismus
und Bereitschaft, sondern antwortet ernüchternd: „Die Füchse haben ihre Höhlen und die Vögel ihre Nester,
der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann.“
Jesu
Antwort impliziert die Frage: Kannst du das, willst du das: ganz einfach
leben, ohne Komfort, arm, heimatlos, ständig auf Achse?
Nachfolge
Christi ist keine Traumreise und kein Spaziergang. Nachfolge Christi ist
nichts für Warmduscher und First-Class-Bucher. Von wegen Gemütlichkeit,
Wellness, 5 Sterne Hotel.
Wir sind
nur Gast auf Erden. Wir sind Pilger. Unsere Heimat ist im Himmel. Das
vergessen wir oft, machen uns sesshaft, richten uns ein und halten fest.
Den
zweiten Mann fordert Jesus selbst auf, ihm zu folgen.
Dieser
ist auch bereit, bittet aber um Aufschub. Er würde vorher gern noch
seinen Vater begraben.
Keine
Nebensache, vielmehr eine sittliche Pflicht im Judentum damals, und auch
heute noch ein Werk der Barmherzigkeit. Wer von uns hätte da nicht
Verständnis?
Jesus
jedoch duldet kein Zögern, kein „Aber“ und kein „Erst noch“.
„Lass
die Toten ihre Toten begraben. Du aber geh und verkünde das Reich
Gottes!“
Nicht
wahr, da muss man schon schlucken, wenn man das hört!
Aber
Jesus geht es nicht darum, menschliche Pietät in Frage zu stellen. Ihm
geht es darum, klar zu machen, was Priorität hat.
Wer sich
auf Jesus einlässt, der darf ihm nichts anderes vorziehen.
Wer mit
dem Reich Gottes zu tun haben will, der darf nicht geteilt sein. Zu
meinen „erst mal die Sachen erledigen, die mir wichtig sind,
dann vielleicht, schaun´ wir mal…“ Das geht in Jesu Augen nicht. Das
wird nichts. Diese Einstellung taugt nicht.
„Sucht zuerst das Reich Gottes“,
sagt Jesus an anderer Stelle.
Der
Apostel Paulus wird später von sich sagen: „Seinetwegen (um Jesu
willen) habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu
gewinnen und in ihm zu sein….Ich vergesse, was hinter mir liegt und
strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt. Das Ziel vor Augen jage
ich nach dem Siegespreis: der himmlischen Berufung, die Gott uns in
Jesus Christus schenkt.“ (Phil 3, 8.13 - 14)
Ein
dritter Mann erklärt sich wiederum von sich aus bereit, in die Nachfolge
Jesu einzutreten. Zuerst aber will er noch von seiner Familie Abschied
nehmen. Verständlich, oder?
Doch auch hier ist Jesus unnachgiebig.
„Keiner,
der die Hand an den Pflug legt und zurückschaut, taugt für das Reich
Gottes.“
Jesus
erwartet eine Nachfolge ohne Wenn und Aber, keine Halbheiten, ganz oder
gar nicht.
Er
fordert von denen, die seinen Weg mitgehen wollen Entschiedenheit, so
wie er selbst seinen Weg hinauf nach Jerusalem entschlossen in den Blick
nimmt und ihn entschieden geht (siehe Lk 9, 51), obwohl dort Leid, Kreuz
und Tod auf ihn warten.
Wie die
drei Männer aus dem Evangelium reagiert haben, was sie gemacht und wie
sie sich verhalten haben, wird nicht überliefert.
Haben sie
es gewagt, alles auf eine Karte zu setzten, sich ganz und ohne Vorbehalt
auf Jesus einzulassen, oder doch nicht? War anderes für sie vorrangig,
dringlicher, wichtiger? Wir wissen es nicht.
Jedenfalls, liebe Schwestern und Brüder, die Berufungsworte Jesu im
Evangelium klingen eher wie Jünger-abweisungs-sprüche, denn als
Einladung und Werbung. Und man kann schon fragen: Ist das noch der
gütige, verständnisvolle und barmherzige Heiland?
Warum hat
Jesus gutwillige Menschen derart vor den Kopf gestoßen? Stehen seine
radikal erscheinenden Forderungen nicht im Widerspruch zu dem Jesus, wie
wir ihn kennen, der das geknickte Rohr nicht bricht und den klimmenden
Docht nicht auslöscht und der wie ein gütiger Arzt Verständnis hat für
die Armen und Kranken und ein Herz für die Ausgestoßenen und die Sünder?
Seien wir
ehrlich: Die Worte Jesu, seine Bedingungen für die Nachfolge, die
Radikalität seiner Forderungen machen uns zu schaffen. Und es ist auch
nicht damit getan, ihren Geltungsbereich einzuschränken z: B. auf die
Wandermissionare in der frühen Kirche, die Wüstenväter im 3. und 4.
Jahrhundert, oder Mönche und Nonnen heute.
Es ist
wohl kein Zufall, dass bei den Berufungsszenen weder Ort, noch Zeit,
noch Namen genannt werden. Es geht also nicht um „damals“, sondern
darum, heute die Hindernisse zu erkennen, die der Nachfolge Jesu im Weg
stehen.
Wer Jesus
nachfolgt – und dazu sind wir alle berufen – dem wird einiges zugemutet,
aber auch viel zugetraut.
Jesus
verspricht dem, der ihm nachfolgt, kein gemachtes, warmes Nest, sprich
Sicherheit und Geborgenheit.
Er
verlangt, sich gegebenenfalls aus allen Bindungen herausrufen zu lassen,
loslassen zu können, nicht an Vergangenem zu hängen, sondern entschieden
nach vorn, in die Zukunft zu schauen.
Da
relativiert sich alles. Da verlieren selbst die heiligsten Bindungen und
Verpflichtungen, etwa der Familie gegenüber, ihre Bedeutung.
Damit
gibt Jesus auch uns drei wichtige Kriterien des Christsein in die Hand:
Loslassen-Können, Entschiedenheit und radikales Vertrauen.
Gewiss
ruft uns Gott nicht jeden Tag zu „Großtaten“ der Nachfolge auf. Wohl
aber ruft er uns immer wieder auf, nach seinem Willen zu fragen und je
nach Situation und so gut wir können, ihn zu erfüllen.
So
gesehen kann auch Christsein im Alltag, wenn wir es ernst nehmen und auf
Gottes Wort wirklich hören und es in der Tat befolgen, wenn wir Jesu
Beispiel konsequent nachahmen und seinen Weg entschieden mitgehen,
manche Überwindung kosten, manchen Verzicht, manches Opfer.
Wer Jesus
nachfolgen will, muss mehr und mehr darauf verzichten, bürgerlich zu
denken und zu hoffen. Er muss lernen gegen den Strom zu schwimmen und
sein Fähnchen nicht in den Wind zu hängen.
Wer in
die Nachfolge Jesu eintreten und Jünger und Jüngerin werden möchte, muss
sich klar werden, worauf er und sie sich einlässt, dass es letztlich um
alles oder nichts geht.
„Ein
bisschen Nachfolge“ – gewissermaßen auf Probe – Nachfolge mit tausend
Wenn und Aber, mit allen möglichen und unmöglichen Ausflüchten, das geht
nicht. Jedenfalls ist das nicht im Sinne Jesu wie ihn das Evangelium uns
zeigt.
Nachfolge
Christi gibt es nicht zum Nulltarif.
Nachfolge
Christi ist immer auch mit Prüfungen verbunden. Nachfolge Christi ist
immer auch Kreuzesnachfolge, bewusster und entschlossener Weg nach
Jerusalem.
Die Frage
ist, ob auch wir uns dazu entschließen können?
Wie ernst
ist es mir damit, Jesus nachzufolgen?
Wie ernst
ist es mir mit dem Hören und Befolgen seines Wortes?
Wie ernst
ist es mir mit dem Leben nach seinem Beispiel?
Frage ich
in allen Entscheidungen nach dem Willen Gottes?
Wo gehe
ich doch eher den bequemen Weg, die breite Straße?
Wo bedarf
es bei mir der Umkehr aus Gleichgültigkeit und Mittelmäßigkeit, aus
Oberflächlichkeit und Halbheit?
Was
sollte oder müsste ich im Schauen auf Jesus, im Gehen seines Weges und
in der Treue zu seinen Weisungen aufgeben, lassen, loslassen? Wo
Prioritäten setzen?
Stehen
wir nicht immer wieder in der Gefahr, im Alltag mit all seinen Sorgen
und Mühen auf- bzw. unterzugehen und das eine Notwendige
hintanzustellen, es zu vernachlässigen oder gar ganz zu vergessen?
Das sind
Fragen, die täglich neu zu beantworten sind, ein ganzes Leben lang, um
in SEINER Spur zu bleiben, um IHM immer ähnlicher zu werden und immer
mehr wie ER und mit IHM zu leben.
Gott gebe
uns Kraft und Mut zu einer großherzigen, vorbehaltlosen und
vertrauensvollen Nachfolge unseres Herrn Jesus Christus, der uns geliebt
und sich für uns hingegeben hat. Seine unbegreifliche Liebe und Hingabe
feiern wir in jeder heiligen Messe. |