„Was ist für Sie das größte Unglück?“ So heißt es in einem Fragebogen, den das Wochenendmagazin
einer großen Tageszeitung jeweils von einer prominenten Persönlichkeit
ausfüllen lässt.
Eine der beeindruckensten
Antworten lautete: „Wenn ich am Grab eines
meiner Kinder stehen müsste.“
Es kann für liebende
Eltern wohl kaum ein größeres Unglück geben, als ein Kind durch den Tod
zu verlieren.
Psychologen sagen, dass
Eltern dann den ärgsten Verlust, den stärksten Abschiedsschmerz
erleiden, den man sich vorstellen kann.
Aber immer wieder gehen
Eltern hinter dem Sarg eines ihrer Kinder her.
Wie oft hat sich diese
Szene im Laufe der Jahrhunderte wiederholt!
Vom Tod eines Kindes
erzählen heute auch die erste Lesung und das Evangelium. Beide Male
handelt es sich um den Sohn einer Witwe. Beide Male wird der junge Mann
aber auch von den Toten erweckt.
In der Lesung geschieht
dies durch den Propheten Elija. Im Evangelium ist es Jesus, der den
verstorbenen Sohn wieder zum Leben ruft.
In biblischer Zeit waren
Söhne zuständig, sich um ihre Mutter zu kümmern, wenn der Vater
verstorben war.
Witwen gehörten zusammen
mit den Waisen zu den am meisten benachteiligten und schutzlosen
Bevölkerungsschichten.
Wenn der einzige Sohn
einer Witwe starb, so bedeutete das für eine Frau in einer Zeit, wo es
noch keine Versicherungen, Rente und dergleichen gab, Leben in großer
Armut; Leben am Rande der Gesellschaft, Leben ohne Hoffnung auf
Versorgung im Alter, geschweige denn auf Nachkommenschaft.
Einer Witwe entreißt der
Tod ihren einzigen Sohn und stürzt sie ins Elend. Auf eine solche
Situation stößt Jesus in Nain.
Dort geleitet man den
Toten bereits zum Grab.
Während er aus der Stadt
herausgetragen wird, geht Jesus in die Stadt hinein.
Am Stadttor begegnen
einander der Zug des Todes und der Zug des Lebens.
Letzterer wird angeführt
von Jesus, dem Botschafter des Lebens.
Als Jesus die Mutter
sieht, bleibt er stehen und tritt näher.
„Er hatte Mitleid mit
ihr“,
sagt der Evangelist.
Diese Feststellung lässt
uns in das Herz Jesu schauen.
Er ist keiner, den das
Schicksal anderer kalt lässt. Er ist keiner, der an Unglück und Leid
vorbeigeht. Er ist keiner der Hartgesottenen und Abgebrühten, die nichts
an sich herankommen lassen und an denen alles abprallt.
Jesus hat Mitleid mit der
Witwe. Er erbarmt sich ihrer. Er hilft ihr.
Er erweckt ihren Sohn zum
Leben und gibt ihn der trauernden Mutter zurück.
Wie viele Väter und
Mütter haben wohl schon ersehnt, das möge für sie selbst hier und jetzt
Wirklichkeit werden?
Wie viele Mütter haben
wohl schon davon geträumt, Jesus käme auch zu ihnen, um ihr Kind wieder
zum Leben zu erwecken?
Oder sie haben bitter
gefragt: Warum hilfst du mir nicht? Warum machst du mein Kind nicht
wieder lebendig?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Wenn es in der Geschichte
von Nain nur um die Erweckung des Toten an dem Stadttor ginge, könnte
man sie beiseiteschieben.
Sie wäre „ein Tropfen auf
einen heißen Stein“ im Kampf um den Tod. Der junge Mann von Nain musste
früher oder später doch wieder sterben, genauso wir die Tochter des
Jairus und Jesu Freund Lazarus.
Worum geht es eigentlich
in diesen Erzählungen?
Mir fällt auf, dass Jesus
bei der Totenerweckung des jungen Mannes von Nain kaum redet.
Es sind nur zwei kurze
Sätze: „Weine nicht!“ Und: „Steh auf!“
„Weine nicht!“
Das ist nicht so sehr ein Befehl und schon gar nicht ein Tadel, sondern
echtes Anteilnehmen.
Jesus sieht die Trauer
dieser Frau. Er lässt sich von ihrer Not im Innersten treffen.
Er lässt sich von ihrem
Kummer berühren. Erbarmen überwältigt ihn.
„Weine nicht!“ – Klingt
in diesem Wort nicht auf, was im letzten Buch der Bibel steht? „Er (Gott) wird alle Tränen von ihren Augen wischen.
Der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine
Mühsal…Seht, ich mache alles neu.“
Das zweite Wort Jesu gilt
direkt dem Toten. Es ist ein Machtwort:
„Steh auf!“ Jesus zeigt
seine Macht. Er hat Macht auch über den Tod.
Jesus selbst erstand zu
neuem, unvergänglichem Leben.
Durch seinen Tod hat er
den Tod überwunden.
Christus ist Sieger über
Sünde, Grab und Tod.
Wer an ihn glaubt, wird
leben, auch wenn er stirbt.
Denn ER ist die
Auferstehung und das Leben!
ER ist der eigentliche
Grund unserer Hoffnung.
Der Glaube bleibt uns
allerdings nicht erspart.
Aber wir glauben nicht
ohne Anhaltspunkte, ohne Hinweise.
Die biblischen
Totenerweckungen sind Zeichen dafür, dass Gott ein Gott des Mitleids
ist, des Erbarmens – und ein Gott des Lebens, ein Gott, der will, dass
wir das Leben haben.
In der Auferweckung des
Gekreuzigten hat Gott sich endgültig als Gott des Lebens offenbart.
Er schenkt uns ein Leben,
das größer ist als unser irdisches Leben.
Diesem neuen und ewigen
Leben gilt im Credo, das wir gleich beten, das letzte Wort.
Lasst uns daraus und aus
der Mitfeier der Eucharistie, der Feier des Todes und der Auferstehung
Jesu, Kraft und Mut, Hoffnung und Zuversicht schöpfen!