Evangelium
Der Zöllner ging
gerechtfertigt nach Hause zurück, der Pharisäer nicht
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Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
9erzählte
Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und
die anderen verachteten, dieses Gleichnis:
10Zwei
Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein
Pharisäer, der andere ein Zöllner.
11Der
Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich
danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber,
Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.
12Ich
faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen
Einkommens.
13Der
Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine
Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete:
Gott, sei mir Sünder gnädig!
14Ich
sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere
nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber
selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
„Der Zöllner kehrte als
Gerechter nach Hause zurück, der Pharisäer nicht.“
Was wäre, wenn die beiden
sich vor ihrem Weg nach Hause zufällig noch am Tempeleingang getroffen
hätten?
Wolfgang Raible, ehemals
Krankenhauspfarrer in Stuttgart, hat sich mal in die beiden eingefühlt
und die Geschichte weitergedacht.
Demzufolge hätte der
Zöllner das Gespräch so beginnen können:
Zöllner: „Du hast zwar sehr
leise gesprochen, aber – obwohl ich ziemlich weit hinten stand – habe
ich dein Gebet doch gehört. Ehrlich gesagt: Ich bin erschrocken über
deine selbstgerechten Worte. Warum redest du so?“
Pharisäer: „Warum soll ich
nicht so reden? Ich habe doch nichts anderes getan als Gott für mein
Leben gedankt!“
Zöllner: „Hast du das
wirklich? Bist du nicht um dich selbst gekreist und hast deine eigenen
Leistungen gerühmt – ich tue, ich faste, ich spende…? – Mir kam es so
vor, als würdest du ein Selbstgespräch führen, dir immer wieder auf die
Schulter klopfen und sagen: Was bin ich denn für ein anständiger
Mensch!“
Pharisäer: „Darf man sich
denn nicht darüber freuen, dass man ein ordentliches Leben führen, dass
man Gutes tun kann?“
Zöllner: „Natürlich darfst
du zufrieden auf das schauen, was dir gelingt, was du aufgrund deiner
Talente oder deiner Lebensumstände alles zuwege bringst. – Aber warum
musst du dich mit mir vergleichen? Mich klein machen, um selbst groß zu
erscheinen?“
Pharisäer: „Stimmt es denn
nicht, dass ihr Zöllner alle kleine oder große Gauner seid, dass ihr die
Leute übers Ohr haut und in die eigene Tasche wirtschaftet? – Man wird
doch wohl noch sagen dürfen, was gut und was schlecht ist!“
Zöllner: „Klar, mein
Berufsstand genießt kein großes Ansehen – und es gibt sicher viele
Betrüger in unseren Reihen. – Aber kennst du mich persönlich, um dir ein
solches Urteil über mich zu erlauben? Was weißt du denn von meiner
Lebensgeschichte, von meinem Schicksal, von meinen Versuchen, mit Gott
und den Menschen ins Reine zu kommen?“
„Der Zöllner kehrte als
Gerechter nach Hause zurück, der Pharisäer nicht.“
Was wäre, wenn die beiden
zu Hause noch einmal in Ruhe über ihr Gespräch am Tempeleingang
nachdenken würden? Wenn sie ehrlich ihr Leben anschauen würden? Dem
Pharisäer könnten folgende Gedanken durch den Kopf gehen:
Pharisäer: „Eigentlich hatte
der Zöllner ja recht. Ich habe bei meinem Gebet im Grunde genommen nur
mir selbst gedankt und auf meine Leistungen hingewiesen. Etwas mehr
Bescheidenheit und Demut würde mir sicher nicht schaden. – Dass ich mich
mit dem Zöllner verglichen, meine Vorzüge gerühmt und ihn verächtlich
gemacht habe – das war auch nicht fair. – Und dagegen, dass ich ihn mit
allen Zolleinnehmern in eine Schublade gesteckt habe, wehrt er sich zu
Recht. – Gott danken, nicht vergleichen, auf Pauschalurteile verzichten
– das wären doch gute Vorsätze…“
Aber auch der Zöllner
dachte noch einmal an das Gespräch am Tempeleingang zurück und kam zu
folgendem Ergebnis:
Zöllner: Ich war ja ganz schön
mutig, als ich dem Pharisäer ins Gewissen geredet habe. Allerdings muss
ich aufpassen, dass ich nicht in genau dieselben Fehler verfalle, wie er
– dass ich nicht überheblich werde, dass ich mich nicht mit ihm
vergleiche und mich für besser halte, dass ich nicht alle Pharisäer in
einen Topf werfe und sie als selbstgerechte, scheinheilige Heuchler
abstemple. Ich hoffe, dass ich mir uns Gott so wie heute immer wieder
eingestehen kann: Ich mache Fehler, ich werde schuldig, ich bin ein
Mensch, der auf Barmherzigkeit, Vergebung und Wohlwollen angewiesen ist.
Ich bin oft nicht so, wie ich sein könnte, aber ich bitte um die Kraft
zu einem ehrlichen, aufrechten Leben.“
„Der Zöllner kehrte als
Gerechter nach Hause zurück, der Pharisäer nicht.“
Was wäre, wenn bei ihrem
nächsten Tempelbesuch beide als gerechte – als dankbare, bescheidene und
sensible Menschen wiederkämen?
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