Die Aussendung der Apostel bzw. auch von
72 „anderen“ – man darf wohl annehmen Jüngern und Jüngerinnen –
ist in den Evangelien mehrfach und in verschiednen Varianten
überliefert.
Die Sendung der Seinen zu den Menschen,
das Weitersagen und Weitertragen der Heilsbotschaft ist ein
Herzensanliegen Jesu.
Aber wie geschieht diese Sendung?
Worauf legt Jesus Wert?
Als erstes fällt mir auf:
Es sind Fischer und Zöllner, die Jesus
sendet, Menschen wie du und ich. Menschen mit Schwächen, mit bisweilen
ungestümem Temperament, nicht frei von Angst; Menschen, weder besonders
tugendhaft, noch besonders gescheit, allesamt Laien, keine
Schriftgelehrten, keine theologischen Experten. Da ist nichts
Professionelles. Anscheinend sind andere Dinge wichtiger.
„Die Ernte ist groß.“
Und der Auftrag, die frohe Botschaft in alle Welt zu tragen, ergeht an
alle Jünger und Jüngerinnen, an alle Christen.
Als zweites klingt mir noch das „Geht“
in den Ohren:
„Geht!“
Es klingt wie ein Fanfarenstoß. Geht zu den Menschen!
Das heißt: Wartet nicht bis die Leute zu
euch kommen! Geht zu ihnen hin! Seid offen für das, was die Menschen
bewegt, für ihre Fragen und Sorgen, ihre Nöte und Ängste, ihre
Hoffnungen und Freuden!
Als drittes fällt mir auf:
Jesus schickt die Jünger
zu zweit, paarweise aus.
Sie sollen einander unterstützen, sollen
miteinander die Lasten ertragen, Strapazen aushalten, Krisen meistern
und Gefahren bestehen.
Zu zweit kann man sich auch austauschen,
Probleme besprechen, sich gegenseitig anspornen. Gemeinsamkeit verleiht
Stärke und Kraft.
Mindesten zwei:
das heißt auch: es geht um gelebte Gemeinschaft.
Sie sollen nicht nur durch Worte
predigen, sondern durch ihr Beispiel.
Es soll anschaubar werden, wie es geht,
miteinander Leben und Glauben zu teilen, Liebe zu üben, Geduld zu haben,
verzeihen zu können.
Das sagt uns:
Christen sind keine Einzelkämpfer, keine Solisten.
Tuchfühlung ist angesagt, sich einhaken,
Solidarität, Geschwisterlichkeit, Weggemeinschaft.
Der Versuchung zum Alleingang gilt es
auch heute zu widerstehen.
Das Gemeinsame suchen, im Gespräch
bleiben, einander stützen und stärken.
Als viertes fällt auf:
Die Jünger sollen nichts mitnehmen. Nur
das Allernotwendigste.
Ich denke, die Jünger sollten erfahren,
wie es ist, sich ganz auf die Güte der Menschen und letztlich auf die
Vorsehung Gottes zu verlassen.
„Nehmt nichts mit!“
Für mich heißt das:
Geh so zu den Menschen! So wie du bist.
Sei einfach! Sei du selbst! Gib dich
selbst!
Sag, was du glaubst! Sprich von deinen
Erfahrungen!
Da brauchst du keinen Doktortitel, keine
Propagandamittel, keinen unnötigen Ballast.
Das alles ist es nicht und bringt es
nicht.
Weniger kann mehr sein.
Weniger an Sachen, Hilfsmittel,
Institutionen, Bürokratie.
Mehr an Freiheit, Unabhängigkeit,
Beweglichkeit.
Weniger an Haben, mehr an Sein.
„Nehmt nichts mit!“
Für mich heißt das auch:
Komm nicht protzig daher! Pflege nicht
dein eigenes Image! Profilier dich nicht selbst!
ER muss wachsen! Sein Reich, Seine
Herrschaft, Sein Wort soll die Herzen der Menschen erreichen.
Reichtum und Macht, Prestige und Prunk,
Ehrsucht und Erfolgshunger sind keine Kategorien des Evangeliums.
Das alles kann sogar zur Fessel für die
Botschaft werden.
Fünftens: Grüßt niemand unterwegs
Das ist ganz merkwürdig, dass sie keinen
Menschen grüßen sollen.
Ist das nicht unhöflich?
Doch das „Grüßen“ unterwegs ist im Orient
nicht nur der kurze Gruß und der Wunsch für einen guten Tag.
Orientalische Begrüßungen können Stunden dauern.
Gemeint ist: Verplempert keine Zeit,
schwätzt nicht ewig mit dem und jenem und jedem. Lasst euch nicht
aufhalten!
Grüßen sollen sie freilich, immer
wenn sie in ein Haus kommen. Dann sollen sie als erstes sagen:
„Friede diesem Haus!“
Sechstens: Bleibt!
Jesus schickt die Seinen nicht nur los
mit leichtem Gepäck.
Sie sollen auch mit ihrer Unterkunft und
Verköstigung zufrieden sein.
Sie sollen bleiben, wo sie Quartier
gefunden haben.
Es könnte sonst Neid und Eifersucht und
manches Gerede entstehen wegen des Wechselns in bequemere und
komfortablere Unterkünfte.
Sie sollen sich nicht heute hier und
morgen dort mit dem Besten verwöhnen lassen.
Siebtens: Heilt die Kranken!
Es fällt auf, dass die Jünger von Jesus
nicht nur den Auftrag zur Verkündigung erhalten.
Sie sollen die Gottesherrschaft nicht nur
mit Worten ausrufen, sondern Jesus hat ihnen auch die Vollmacht gegeben,
Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben.
Es geht dem „Heiland“ nicht nur um
das Seelenheil, sondern um den ganzen Menschen, um das Heil für Seele
und Leib.
So gesehen ist durchaus etwas Richtiges
dran, wenn von einer therapeutischen Seelsorge die Rede ist.
Christlicher Glaube ist nicht nur
moralisch und asketisch, sondern auch und sogar vor allem mystisch,
diakonisch und therapeutisch.
Es geht auch heute darum, die Menschen
heil zu machen, sie zu befreien, von dem, was sie bedrückt, fesselt,
krank und kaputt macht.
Die Dämonen, die Quälgeister, die
„Abergeister“ (wie Fridolin Stier übersetzt), haben viele Gesichter.
Als letztes fällt mir auf:
Jesus ist Realist.
Er weiß, nicht überall werden die Boten
mit offenen Armen empfangen.
Die Jünger werden auch auf Ablehnung
stoßen und Hass erfahren.
Da, wo solches geschieht, sollen sie sich
nicht aufreiben und keine Zeit vertun, sondern einfach weiterziehen.
Vielleicht kommt die Zeit später,
vielleicht kommt die Zeit nie.
Gott weiß es.
Sie sollen die Frohe Botschaft mit ganzer
Kraft verkünden.
Säen, säen und nochmals säen.
Jeder soll die Botschaft vernehmen.
Alle sind eingeladen, den Glauben kennen
zu lernen.
Aber keinem darf er aufgezwungen werden.
Die Frohe Botschaft soll nicht
aufgedrängt werden.
Mit Druck und Zwang bringt man den
Menschen Gott nicht näher.
Ob und wie das Reich Gottes Fuß fasst,
liegt in der Freiheit des Menschen. Gott respektiert diese Freiheit.
Annahme oder Ablehnung entzieht sich
letztlich der Verfügung und dem „Machen“ des Jüngers.
Unsere Aufgabe ist die Aussaat. Wachstum
und Ernte ist Sache des Herrn. |