Evangelium
Sie verließen alles und folgten ihm nach
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Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit,
1als
die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am
See Gennésaret
2und
sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und
wuschen ihre Netze.
3Jesus
stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom
Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
4Als
er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: Fahr hinaus, wo es tief ist, und
werft eure Netze zum Fang aus!
5Simon
antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts
gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen.
6Das
taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu
reißen.
7Und
sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und
ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.
8Als
Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn
ich bin ein sündiger Mensch, Herr!
9Denn
Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische,
den sie gemacht hatten;
10ebenso
auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon
zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte dich nicht! Von jetzt an
wirst du Menschen fangen.
11Und
sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.
Als Christus zum Himmel
aufgefahren war, so erzählt eine Legende, fragten ihn die Engel: „Wie soll es
denn nun auf Erden mit deinem Reich weitergehen?“ – „Ich habe doch meine Jünger
auf der Erde“, antwortete Christus. Da bekamen die Engel zuerst einen großen
Schreck. Sie wurden ganz verlegen und trauten sich nicht so recht mit der
Sprache heraus. – Aber schließlich wagte einer es doch und sagte: „Herr, hast du
denn vergessen, wie schwach, verzagt und unzuverlässig die Menschen sein können?
Und denkst du noch daran: In deinem nächsten und engsten Umkreis hat dich der
eine verraten und der andere verleugnet?“ Erschrocken fragten sie weiter: „Herr,
hast du denn wirklich keinen anderen, keinen besseren Plan?“ Und Christus
entgegnete: „Nein, einen anderen Plan habe ich nicht!“
Liebe Schwestern und Brüder!
Wenn ich auf die Kirchengeschichte
schaue, auf Geschehnisse und Auseinandersetzungen in Diözesen und Gemeinden
heute und auf mein eignes Leben, dann kann ich das Erschrecken und die Bedenken
der Engel ganz gut verstehen und nachvollziehen. Wieviel Schwachheit, wieviel
Unzulänglichkeit und Unzuverlässigkeit beim „Bodenpersonal“ Gottes! –
Andererseits staune ich und kann es kaum glauben: Gott will zu den Menschen
durch Menschen kommen, zu den Sündern durch Sünder.
Doch zunächst sehen wir Jesus am
Ufer des Sees. Eine große Menschenmenge drängt sich um ihn. Jesus kann sich kaum
verständlich machen. So kommt er auf die Idee, in das Boot des Simon Petrus zu
steigen, um dieses sozusagen als Lehrkanzel zu benutzen. Und die Menschen
spüren, dass da einer zu ihnen spricht, der anders ist als die gewohnten
Prediger und Schriftgelehrten. Er ist glaubwürdig. Seine Worte und sein Leben
sind eins. Sie spüren, da spricht einer voll göttlicher Macht.
Wie aufmerksam die vielen Hörer
die Botschaft Jesu aufnehmen und in ihr persönliches Leben hineinwirken lassen,
davon erfahren wir nichts. – Am Ende seiner Predigt fordert Jesus den Petrus
auf: „Fahr hinaus, wo es tief ist, dort werft eure Netze zum Fang aus!“
Wer so redet, zeigt, wie wenig Ahnung er vom Fischfang hat. Petrus hatte mit
seinen Gefährten in den Nachtstunden gefischt. Sie sind viel geeigneter zum
Fischfang als die Stunden am Tag. Trotzdem waren sie erfolglos. Und jetzt? Als
erfahrener Fischer könnte Petrus sagen: „Jesus, du meinst es gut mit mir und mit
uns, doch – bei aller Liebe – von unserem Handwerk verstehst du rein gar
nichts.“
Das aber sagt er nicht. Ob Petrus
sich daran erinnert, dass Jesus erst unlängst seine Schwiegermutter geheilt hat?
Ob er die Macht spürt, die von Jesu Wort und von seiner ganzen Person ausgeht? –
Jedenfalls etwas bewegt ihn, der Weisung Jesu zu folgen, sich darauf einzulassen
und Jesus mehr zu vertrauen als der eigenen Berufserfahrung: „Meister, wir haben
die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich
die Netze auswerfen.“
„Doch auf dein Wort hin“,
sagt Simon Petrus, „weil du es sagst.“ Petrus verlässt sich auf Jesu Wort. Er
lässt sich davon ergreifen und leiten, obwohl es nach menschlichem Ermessen
völlig unsinnig ist bei Tag zum Fischen hinauszufahren. Welch ein Vertrauen!
Und dann geschieht das scheinbar
Unmögliche: ein überraschend reicher Fischfang! Die Netze drohen zu zerreißen
und die Boote wegen der Last fast unterzugehen. Ein Riesenerfolg! – Und Petrus
wird es angst und bang. Er erschrickt angesichts der Fülle. Er erkennt die
Heiligkeit Gottes in Jesus Christus. Seine Göttlichkeit geht ihm auf, rührt ihn
an, durchfährt und überwältigt ihn. Zutiefst betroffen geht er in die Knie,
wirft sich Jesus zu Füßen und bekennt: „Herr, geh weg von mir, denn ich bin
ein sündiger Mensch!“
Völlig unvermittelt begegnet
Petrus dem Geheimnis Gottes. Kann er davor bestehen? Er möchte lieber Abstand,
Distanz. Dann aber hört er die Zusage: „Fürchte dich nicht! Von nun an wirst
du Menschen fangen.“ Er, der ungebildete Fischer wird berufen, in Dienst
genommen. „Fürchte dich nicht!“ Das alte Gotteswort beruhigt und
ermutigt.
Petrus spürt wohl, dass er von
Jesus nicht mehr loskommt. Er wird gewahr, dass in dieser Stunde sein Leben eine
neue Richtung, einen neuen Inhalt bekommt. Er weiß, dass die Nacht zu Ende ist,
in der einer sich mit eigenen Kräften vergeblich abmüht. Der Morgen der
Verheißung ist angebrochen. Von nun an wird er alles drangeben, um nur noch dem
Wort zu dienen, das ihn getroffen und verwandelt hat. Die geheimnisvolle Kraft
Gottes hat Petrus angerührt. Sie erfüllt und trägt ihn. Sie hilft ihm, alles
loszulassen und vertrauensvoll den Weg mit Jesus zu gehen.
Liebe Schwestern und Brüder!
Im Namen der versammelten Gemeinde
betet der Priester im 2. Hochgebet: „Wir danken dir, dass du uns berufen
hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen.“ – Für mich heißt das (und Sie
können es für sich vielleicht ähnlich formulieren): Ich danke dir, dass ich von
dir berufen und in Dienst genommen bin, Deine Freundlichkeit unter die Menschen
zu tragen, den Armen, Kranken und Bedrängten deine Nähe zu bezeugen, der
Versöhnung und der größeren Gerechtigkeit unter den Menschen zu dienen.
Ich bitte dich, schenke allen hier
Versammelten und mir die Kraft des Heiligen Geistes. Er möge uns befähigen, in
all unserer menschlichen Schwachheit und Gebrochenheit unserer Berufung treu zu
bleiben. Hilf uns Werkzeuge des Friedens und Boten, Botinnen deiner Liebe zu
sein. Amen.
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