„Wer
sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
wer
sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“.
Wer
erniedrigt sich gern selbst, freiwillig?
Sind
diejenigen, die das tun, nicht Dummköpfe, religiöse Schwärmer, Menschen
ohne Selbstwertgefühl, Schwache, die ohnehin keine Chance haben,
Menschen, die sich nichts zutrauen und die Verantwortung scheuen,
Menschen, die nicht zu sich selber stehen und sich minderwertig
vorkommen?
Ist es
nicht natürlich, sich zu positionieren, nach oben zu streben, die Nase
vorn haben und etwas gelten zu wollen?
Ist es
nicht ganz normal, vernünftig und gesund, etwas leisten und Anerkennung
finden zu wollen?
Wer
stellt sich schon freiwillig hinten an? Wer ordnet sich gerne unter? Wer
sucht von sich aus den letzten Platz?
„Bescheidenheit“
heißt ein Sprichwort, „ist eine Zier, doch
weiter kommt man ohne ihr.“
Angesehen
ist der Unabhängige und Leistungsstarke.
Gut steht
da, wer sich selbst zu helfen weiß, es zu etwas gebracht hat und sich
viel, vielleicht „alles“ leisten kann.
Unsere
Idole sind Menschen, die den Aufstieg geschafft und Karriere gemacht
haben, Menschen die sich durchgesetzt haben, Konkurrenten übertrumpft,
Rivalen aus dem Feld geschlagen und groß herausgekommen sind, Menschen,
clever, tüchtig, zielstrebig und erfolgreich, oft allerdings auch
kaltblütig, knallhart und rücksichtslos, prominent und erfolgreich auf
Grund guter Beziehungen oder auf Kosten anderer.
Seien wir
ehrlich: Schaffen nicht gerade die Leistungsideologie und der ständige
Konkurrenzkampf viele Ängste in unserer Zeit?
Die Angst
überholt und abgehängt zu werden?
Die
Angst, nicht mehr mithalten zu können, auf der Strecke zu bleiben oder
ausrangiert zu werden?
Die
Angst, krank und pflegebedürftig zu werden?
Die
Angst, zum alten Eisen zu gehören, nicht mehr gebraucht zu werden und
nicht mehr nützlich zu sein?
Wird die
dauernde Wettbewerbssituation nicht zur Wettbewerbsneurose, die das
zufriedene und gesunde Menschsein gefährdet?
Wie
gesagt, an und für sich ist es nicht verwerflich, wenn jemand etwas aus
seinem Leben machen will. Es ist nicht verkehrt, etwas erreichen, etwas
werden und sein zu wollen. Dieses Streben und Verlangen steckt in jedem
gesunden Menschen.
Doch wie
nahe liegt auch die Versuchung, sich über andere zu erheben? Wie nahe
liegt die Gefahr, stolz und überheblich zu werden? Oder von oben herab
auf andere zu schauen, sie zu verachten und zu meiden?
Wie viele
Probleme, Auseinandersetzungen und Streitigkeiten haben darin ihren
Grund, dass sich jemand übervorteilt, nicht genügend beachtet, sich
zurückgesetzt oder übergangen fühlt?
Wie viel
Missgunst, Neid und Eifersucht haben hier ihre Wurzeln?
Wie viele
Familien zerbrechen an internen Machtkämpfen?
Ehrsucht
und Machtsucht können gnadenlos sein, menschliche Beziehungen ruinieren
und großes Unheil anrichten.
„Wer
sich selbst erhöht, wird erniedrigt,
wer
sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“.
Jesus
geht es im heutigen Evangelium nicht um Anstandsunterricht. Es geht ihm
nicht um Tischsitten. Aber er mahnt eindringlich zu rechter
Bescheidenheit und Demut.
Damit
liegt er natürlich nicht im Trend der Zeit, weder damals noch heute. Er
kämmt die gesellschaftliche Wirklichkeit sozusagen gegen den Strich.
Ein
treffendes Beispiel ist die Erzählung vom Pharisäer und vom Zöllner im
Tempel. Der eine stellt sich ganz vorne hin und zählt auf, was er alles
hat und macht und tut. Er präsentiert Gott seine Frömmigkeit, seine
guten Werke, seine religiösen Leistungen. Überheblich und stolz klopft
er sich gleichsam selbst auf die Schultern und schaut dabei voll
Verachtung auf andere herab.
Der
Zöllner steht ganz hinten. Er weiß, dass er nichts zu bringen und zu
bieten hat, dass er vor Gott mit leeren Händen steht. Demütig klopft er
an seine Brust und betet: „Gott sei mir Sünder
gnädig!“
„Selbsterhöhung“
ist Hochmut vor Gott; Verachtung anderer Menschen, Mangel an
Selbsterkenntnis.
„Selbsterniedrigung“
ist Demut, ist wissen, dass ich Geschöpf bin vor dem Schöpfer, dass ich
nichts aus mir selber bin und habe und dass ich immer angewiesen bin auf
Gottes Barmherzigkeit.
In dem
Wort „Demut“ steckt das Wort „Mut“.
Demut ist
der Mut zur eigenen Wahrheit, Mut, sich zu sich selbst zu bekennen.
Wo dieser
Mut fehlt, da müssen Lüge, Prahlerei und Stolz in die Bresche springen.
Demütig
ist der Mensch, der weiß, dass dieses Leben mit all seinen Möglichkeiten
Geschenk ist.
Demütig
ist der Mensch, der noch bitten und danken kann.
Demütig
ist der Mensch, der weiß, wie liebe-bedürftig, gabe-bedürftig,
gnade-bedürftig er ist.
Das macht
gütig und großzügig, liebevoll und barmherzig auch anderen gegenüber.
Entscheidend bei Gott ist nicht der Platz, den sich jemand mit seinen
Ellenbogen erkämpft, mit Strebertum oder Knickerigkeit ergattert hat und
den er ausweisen kann durch Titel, Prestige, Positionen, einem
akademischen Grad, durch ein teures Auto oder exotische Urlaubsziele.
Am Tisch
Gottes gibt es all diese Rangordnungen nicht.
Am Tisch
Gottes werden möglicherweise Unzählige Platz finden, um die wir einen
Bogen machen, mit denen wir uns nicht gern abgeben, die für uns Luft
sind, die wir abstempeln, abschreiben, abschieben und verachten.
Was groß
und reich macht bei Gott, was Gewicht hat und zählt in seinem Reich,
worauf es ankommt, wenn ich einen Platz bekommen will am Gastmahl des
ewigen Lebens, ist Liebe und Hingabe, dienende Liebe und liebende
Hingabe nach dem Beispiel Jesu, der den untersten Weg gewählt und den
niedrigsten Platz eingenommen hat:
in
der Menschwerdung:
„Er war
wie Gott, hielt aber nicht daran fest wie Gott zu sein, sondern
entäußerte sich…“
bei
der Taufe im Jordan:
Er, der
Sündenlose, stellt sich in die Reihe der Sünder.
bei
der Fußwaschung:
„Begreift
ihr, was ich euch getan habe?... Wenn ich, euer Herr und Meister,… Ich
habe euch ein Beispiel gegeben…“
am
Kreuz:
Da war
draußen vor der Stadt zwischen zwei Verbrechern sein Platz.
Im Blick auf die Eucharistie
ruft der heilige Franziskus seinen Brüdern zu: „Seht die Demut Gottes!“
Dann fordert er sie auf: „Demütigt auch ihr
euch! Und behaltet nichts von euch für euch selbst zurück, damit euch
ganz aufnehme, der sich euch ganz hingibt.“
„Im Anschauen SEINES Bildes, im hören SEINES Wortes, im Folgen SEINER
Weisung, im Leben nach SEINEM Beispiel, im Gehen SEINES Weges…, da
werden wir verwandelt in SEIN Bild“.
Wir
werden ihm immer ähnlicher. Wir nehmen immer mehr seine Konturen an.
Wir
kommen immer mehr in seine Spur. Wir werden immer mehr eins mit ihm.
Da ist
liebende Verbundenheit, lebendige Beziehung, innige Gemeinschaft mit
IHM.
Da ist
Leben in seiner Gesinnung und Handeln aus seinem Geist. Und da ist
reiche Frucht.
Und nach
der Zeit dürfen wir hoffen, den Platz bereit, an seinem Tisch zu finden.
Und die Einladung zu hören:
„Komm,
du guter und getreuer Knecht! Nimm teil an der Freude deines Herrn! |