Nur einer von zehn
Aussätzigen, die geheilt worden sind, kehrt zurück, um Gott zu danken.
Jesus fragt betroffen: „Wo sind die übrigen
neun?“
„Undank ist der
Welten Lohn“.
Wir alle kennen das Sprichwort.
Dahinter steckt
Erfahrung, oft bittere Erfahrung. Anscheinend hat Jesus diese Erfahrung
auch gemacht.
Eine jüdische
Geschichte erzählt:
Eines Tages beschloss
Gott, alle Tugenden zu einem Fest einzuladen. Viele kamen, große und
kleine. Sie trafen sich, freuten sich und unterhielten sich munter
miteinander. – Da bemerkte der Gastgeber zwei wunderschöne Damen, die
sich offenbar nicht kannten. Er führte sie zusammen und stellte sie
einander vor. „Die Wohltätigkeit“ und „die Dankbarkeit“.
Beide schauten sich völlig erstaunt an:
Seit die Welt bestand,
begegneten sie sich zum ersten Mal. Dankbarkeit ist offensichtlich eine
seltene Tugend ist.
Eine Familie hatte die
schöne Gewohnheit,
vor dem Essen gemeinsam zu beten. – Eines Tages aß man anlässlich einer
Familienfeier in einem Gasthaus zu Mittag. – Als alle sich anschickten,
die Hände zu falteten, wollte das jüngste Kind nicht mittun. „Willst
du heute Gott nicht danken für das Essen“, fragte der Papa. „Heute brauchen wir das doch nicht“, sagte der Kleine,
„heute bezahlen wir doch.“
Unsere Alltagssprache
zeugt vom schwierigen Umgang mit dem Danken. „Dank“ schuldet man und zu
„Dank“ ist man verpflichtet.
„Schuld“
und „Verpflichtung“ im Zusammenhang mit Dank zeigt, wie schwer
das Danken manchmal fällt.
„Wie sagt man?“
wurden wir als Kinder gefragt, wenn wir etwas geschenkt bekamen, aber zu
danken vergessen hatten.
Was macht eigentlich
das Danken so schwer?
-
Können wir vielleicht besser klagen
und jammern als danken?
-
Können wir besser kritisieren und
protestieren als danken?
-
Sehen wir eher alles negativ? Ist
unser Danken destruktiv?
-
Oder
sind wir vielleicht zu eigenmächtig und zu stolz, um noch dankbar
sein zu können? Schreiben wir alles uns selber zu: der eigenen
Tüchtigkeit, der eigenen Leistung, der eigenen Kraft Meinen wir,
alles uns selber zu verdanken?
-
Oder
nehmen wir vieles zu selbstverständlich? Nahrung und Kleidung,
Gesundheit und Arbeit, Liebe und Treue, Freundschaft und Vertrauen?
Doch was ist schon selbstverständlich? Der gesunde Schlaf, guter
Appetit, eine funktionierende Verdauung? Die gebügelte Wäsche, der
gedeckte Tisch, die schönen Blumen? Die regelmäßige Müllabfuhr, die
ärztliche Versorgung, das saubere Wasser? Dass ich atme, dass ich
lebe? Dass ich meine Glieder regen und bewegen kann?
-
Oder
sind wir oft einfach zu gedankenlos und unaufmerksam? Gehen an
vielem Gutem und Schönem achtlos vorbei? Blind für die Gaben, die
uns jeden Tag zukommen? Übersehen das kleine Glück und die
alltäglichen Freuden?
-
Oder
leben wir zu ruhelos, zu hektisch und gehetzt, um überhaupt noch
innehalten, uns besinnen und danken zu können?
-
Oder
prägt uns überwiegend Unzufriedenheit und überzogenes
Anspruchsdenken? Wir fordern ein, wir klagen ein, wir pochen auf
unser Recht, wir holen raus, was rauszuholen ist. Wo
aber der Mensch nur aus dieser Haltung lebt, verliert das Leben den
Geschenkcharakter. Wo
sich Unzufriedenheit breit macht, ist kein Raum für Dankbarkeit. Da
hat Danken keine Chance.
Jeder Tag
hat Anlässe zur Freude und Erfahrungen, die uns dankbar stimmen können.
Vergessen wir nicht die kleinen Dinge wahrzunehmen: den erfreulichen
Telefonanruf, ein nettes Wort, das Lachen eines Kindes, das Scheinen der
Sonne, die Farben des Herbstes, das Zwitschern eines Vogels, den
abendlichen Sternenhimmel. Oder
eine wohltuende Begegnung, ein gutes Gespräch, schöne Musik, ein
fröhliches Lied.
Von einer alten,
weisen Frau,
die sehr glücklich lebte und eine große Lebensgenießerin war, wird
erzählt, dass sie das Haus nie verließ, ohne sich eine Hand voll Bohnen
einzustecken. Sie tat dies nicht, um die Bohnen zu kauen. Nein, sie nahm
sie mit, um so die schönen Momente des Lebens bewusster wahrzunehmen.
Für jede Kleinigkeit,
die sie erlebte – z.B. einen fröhlichen Schwatz auf der Straße, ein
köstliches Brot, einen Moment der Stille, das Lachen eines Menschen,
eine Tasse Kaffee, eine Berührung des Herzens, einen schattigen Platz in
der Mittagshitze –, für alles, was die Sinne und das Herz erfreute, ließ
sie eine Bohne von der rechten in die linke Jackentasche wandern.
Manchmal waren es gleich zwei oder drei. – Am Abend saß sie dann zu Hause
und zählte die Bohnen aus der linken Jackentasche. Sie zelebrierte diese
Minuten. So führte sie sich vor Augen, wie viel Schönes ihr an diesem
Tag widerfahren war und freute sich.
Wer spürig und sensibel
dafür ist, dass er Tag für Tag beschenkt wird, der kann eigentlich gar
nicht anders, als dankbar zu sein.
Dankbarkeit ist der
Schlüssel zur Lebensfreude.
Vielleicht sollten wir
nicht vergessen, dass das Wort Danken mit denken zu tun hat. Danken ist
„positives Denken“.
Undank verschließt das
Herz.
Dank öffnet es für
Gott und die Menschen.