Evangelium
Sollte Gott seinen
Auserwählten, die zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen?
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Aus
dem heiligen Evangelium nach Lukas
In jener Zeit
1sagte
Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und
darin nicht nachlassen sollten:
2In
einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen
Menschen Rücksicht nahm.
3In
der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam
und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!
4Und
er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar
Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht;
5weil
mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht
verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
6Der
Herr aber sprach: Hört, was der ungerechte Richter sagt!
7Sollte
Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu
ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern?
8Ich
sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch
der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?
Liebe Schwestern und
Brüder!
Dieses Evangelium ist eine
Einladung Jesu zum ausdauernden, um nicht zu sagen, zum „unverschämten“
Beten: So lange beten, bis Gott uns hilft. Ihm so lange auf den Wecker
fallen, bis er tut, was wir von ihm verlangen. – Und er wird es tun,
unverzüglich, so sagt Jesus. Denn Gott wird seinen Auserwählten, die Tag
und Nacht zu ihm schreien, zu ihrem Recht verhelfen…
Aber, liebe Schwestern und
Brüder, stimmt das überhaupt?
Machen wir nicht ganz oft
die genau gegenteilige Erfahrung?
Da beten und beten wir
immer und immer wieder um etwas – und es passiert überhaupt nichts. Da
tragen wir unsere Anliegen vor Gott hin, Tag und Nacht – und keines
dieser Anliegen geht in Erfüllung! Was ist da los? Ist es nicht genug
mit unserem Gebet? Hat Gott uns nicht gehört? Hört er uns überhaupt?
Hört er uns zu?
Nun, liebe Schwestern und
Brüder,
wenn Gott uns nicht hilft,
trotz unseres Gebets, vielleicht müssen wir dann auch mal fragen, ob wir
um das RECHTE beten? Um etwas, bei dem Gott auch wirklich mitmachen kann
– weil es gut ist. Und ob wir mit unseren Bitten keinem anderen schaden.
Von Oscar Wilde stammt der Satz:
„Wenn Gott die Menschen strafen will, dann erhört er ihre Gebete.“
– Ich glaube, da steckt eine ganze Menge Wahrheit drin. Denn wie oft
sind unsere Wünsche ziemlich dumm und kurzsichtig und sehr egoistisch.
Wie oft denken wir bei unseren
Gebeten nur an uns selbst – und nicht an die anderen? Wie oft geht es da
nur um unsere eigenen Vorstellungen, aber nicht um das, was vielleicht
Gott einem Menschen schenken will, nicht um das, was Gott in seiner Güte
für uns vorgesehen hat?
Wie oft höre ich, dass Eltern
mit vielen, langen Gebeten Gott bestürmen, dass ihre Kinder dieses oder
jenes machen sollen – damit sich die Wünsche der Eltern erfüllen – und
die Eltern zufrieden sind. – Aber mit dem, was die Eltern sich so
wünschen für ihre Kinder, wären die Kinder ja vielleicht ein Leben lang
unglücklich – weil für die Kinder etwas ganz anderes, das Richtige wäre.
Oder weil Gott selbst dieser Kinder zu etwas ganz anderem berufen hat.
Oder da betet der eine
Ehepartner darum, dass sich der andere doch endlich ändert, damit die
Ehe wieder besser wird und wieder Friede einzieht in die Familie. –
Aber vielleicht muss sich der andere ja gar nicht ändern, sondern
vielleicht müsste sich derjenige, der da betet, ändern … seine
Vorstellungen von Ehe – seine Erwartungen an andere.
Und da können wir noch
jahrelang darum beten, dass die Hungernden satt werden und die Kriege
aufhören – solange WIR SELBST nicht endlich anfangen zu teilen – und
solange WIR nicht anfangen für den Frieden in den eigenen Häusern zu
sorgen.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Vielleicht kann Gott in der
Welt vieles nicht ändern, weil wir uns nicht ändern – und weil wir
selbst dabei nicht mitmachen.
Vielleicht soll ich Gott ja
helfen, damit ein Gebet erhört wird, aber ich bekomme das gar nicht mit,
weil wieder einmal so sehr mit mir selbst beschäftigt bin, weil ich zu
bin, besetzt, gar keine Antenne dafür habe.
Vielleicht braucht Gott ja
gerade mich, um einem anderen bei einer Problemlösung zu helfen, aber
ich habe gerade keine Lust. Oder ich höre gar nicht, weil ich selbst
wieder am „Beten“, sprich: am Reden bin. So dass Gott mich gar nicht
erreicht. Und dann???
Liebe Schwestern und
Brüder!
„Gott ist gewiss für alle da, aber
nicht für alles.“ – Als ich neulich diese Aussage las, da dachte
ich: Das stimmt! „Gott ist gewiss für alle da, aber nicht für alles.“
– Und weiter dachte ich mir: So manches muss Gott auch wirklich
gar nicht machen, weil wir es ja ganz gut selbst machen könnten, wenn
wir es wirklich wollten.
Und manches wird Gott beim
besten Willen gar nicht erfüllen können, weil er einem anderen Menschen
ja vielleicht mit meinem Wunsch schaden würde… Wenn mein Gebet
eigentlich keine FÜR-bitte war, sondern eher eine GEGEN-bitte, gegen
jemanden gerichtet. In der Tat: „Gott erfüllt nicht all unsere
Wünsche, aber all seine Verheißungen“ (Dieter Bonhoeffer)
Dazu gehört, dass Gott Frieden
schenkt – aber das geht nur mit Menschen, die selbst friedfertig sind
und auch Frieden stiften wollen.
Gott schenkt sicher
Barmherzigkeit – aber da können nur die annehmen, die selbst barmherzig
sein können. Denn die anderen können ja nichts mit der Barmherzigkeit
anfangen.
Und Gott wird Recht schaffen –
aber nur jenen, denen das Recht genommen und zerbrochen wurde. Die
anderen, die schon ihr Recht haben, oder nur auf ihr Recht pochen, die
können sich ganz gut selbst helfen. – Was sollte er ihnen denn noch
schenken?
Vielleicht denke Sie jetzt:
Wenn das so ist – und wenn Gott so ist – können wir dann das Beten nicht
gleich bleiben lassen?
Nein, wir sollen es nicht
bleiben lassen, sondern wir müssen dran bleiben am Beten – wenn es sein
muss Tag und Nacht – weil Gebet die Welt verändert.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Große Beterinnen und Beter
waren und sind immer Menschen, von denen Frieden ausgeht. Menschen, die
Versöhnung suchen und schenken. Menschen, die tatsächlich die Welt
verändern, weil Gott SIE verändern konnte – eben in ihrem Beten, in
ihrer Zwiesprache mit Gott, in ihrer inneren Ausrichtung auf Gott.
Aber das gelingt wohl nur
dort, wo Beten nicht einfach die Aneinanderreihung von Wünschen und
Sorgen ist, nach dem Motto: Lieber Gott, mach mal, lass mal und tu mal,
und wo wir nicht pausenlos ein Gebet an das andere reihen und unser
Gebetspensum abhaken, sondern wo beten wie das Sprechen mit dem besten
Freund bzw. der besten Freundin ist.
Und dazu gehört, dass wir Gott
auch zu Wort kommen lassen!
Das geht aber nur, wenn
wir beim Beten auch mal STILLE halten.
Wenn wir nicht dauernd ein
Gebet an das andere, eine Litanei an die andere, einen Rosenkranz an den
anderen hängen, sondern auch mal einen Rosenkranz lang stille halten
können, damit in dieser Stille Gott uns auch mal ansprechen kann, Stille
halten, damit wir zu hören vermögen, was Gott zu uns und in uns spricht.
Denn nur wer auch mal auf Gott
hört im Gebet, bei dem „passiert“ was, da verändert sich etwas. Weil nur
im Hören, im Gehorsam, Gottes Wort in uns eindringen und in uns Fleisch
annehmen kann, so dass wir zu Menschen Gottes werden.
Denn nur wenn wir Menschen
Gottes sind, also verwandelte Menschen, dann wird auch unsere Welt
verwandelt, dann wird auch unsere Welt zu Gottes Welt.
Und dann geschehen vielleicht
tatsächlich Wunder – dort, wo wir aufrichtig beten – und dabei nicht nur
an uns selbst denken, sondern vor allem an unsere Welt – und wenn wir
auch mal hören, was Gott uns zu sagen hat!
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