In einem Eisenbahnabteil
fährt eine Mutter mit einem etwa dreijährigen Kind. Es schläft, von
ihrem Mantel umhüllt, in ihrem Arm. Plötzlich rührt es sich, wacht auf.
Die Mutter reicht ihm ein Stück Brot. Da blickt es strahlend auf. „Danke“ sagt es zur Mutter. Dann kuschelt es sich wieder in ihren
Arm und knabbert an dem Brot, und kostet es aus als wäre es ein Stück
Liebe.
Die kleine Geschichte
macht deutlich, was „Brot“ für den Menschen bedeuten kann. Brot ist
unser alltägliches Nahrungsmittel. Aber es ist mehr als einfach ein
Nahrungsmittel: Brot – das ist Leben! Wir leben von ihm. Indem das Brot
sich verzehren lässt, spendet es Leben. Darum ist Brot ein Symbol für
Leben.
Gleichzeitig wird im Brot
ein Grundgesetz des Lebens deutlich: dass nämlich einer vom andern lebt,
dass Brot geteilt werden muss. – Ich finde, das schönste, was man mit
Brot machen kann, ist, es in Gemeinschaft miteinander zu teilen und
gemeinsam zu essen.
Haben Sie schon einmal
erlebt, wie dieses Teilen verbindet?
Zum Beispiel auf einer
langen Wanderung, wenn man Rast macht? Oder nach einer Bergbesteigung
auf dem Gipfel, wenn alle hungrig am Ziel ankommen? Dann den Rucksack
auspacken, das Brot hervorholen, dann das Brot miteinander teilen, das
verbindet.
Brot zu teilen ist
Inbegriff von Gemeinschaft, von Freundschaft, ja von Liebe.
Für das Kind im
Eisenbahnabteil war das Brot ein Stück Liebe, die Liebe seiner Mutter! –
Wer mit einem anderen sein Brot teilt, sagt ohne Worte: „Ich teile
ein Stück meines Lebens mit dir!“ – In gewissem Sinn verteilt er mit
dem Brot sich selbst.
Liebe Schwestern und
Brüder!
Ist es, so betrachtet,
nicht sehr verständlich, warum Jesus gerade Brot zum Zeichen seiner
Gegenwart in der Eucharistie wählt?
Er war „ein Mensch wie
Brot“! – Sich selbst hergeben, sich verteilen wie Brot, das war die
Art wie Jesus gedacht, gehandelt und gelebt hat. Er verschenkte sich
ganz an die Menschen: seine Zeit, seine Kraft, seine Fähigkeiten, seine
Liebe.
Jesus war ein Mensch für
andere. Das kleine Wörtchen „für“ ist in seinem Leben ein
Hauptwort. Schließlich verschenkte er sich selbst bis zur letzten
Konsequenz, für uns, aus Liebe.
„Ich bin das Brot des
Lebens.“
So war Jesus – ein Mensch
wie Brot.
Im Brot der Eucharistie
verteilt er sich auch heute an uns. Indem er sich uns schenkt, will er
uns das Leben geben.
In dem Brot, das wir
empfangen, will Gott sich selbst, seinen Geist und seine Kraft, seine
Liebe und seine Güte in uns einspeisen, will uns Nahrung sein auf
unserem Weg.
In dem Brot, das wir
empfangen, will sich Gott selbst uns mit-teilen, will uns sein Mit-sein,
sein Mit-gehen erfahren und spüren lassen.
Im Brot der Eucharistie
will Gott unseren Lebenshunger, unsere Leere, unsere Sinnlosigkeit
füllen mit seinem Leben, mit seinem Sinn, mit seinem Heil.
„Ich bin das Brot des
Lebens“,
das ist die Antwort Jesu auf unseren Lebenshunger. Wer zu ihm in
Beziehung tritt, wer an ihn glaubt, wer auf ihn vertraut, dessen
Lebenshunger wird erfüllt, der gewinnt das wahre Leben.
Der Mensch kann seine
wahre Erfüllung nicht in dem finden, was die Welt bietet, sondern nur in
Gott allein.
„Gott nur genügt. Wer
ihn hat, dem fehlt nichts“,
sagt Theresa von Avila.
In der Eucharistie will
Gott uns täglich neu das Leben geben.
Zugleich liegt darin aber
auch ein Anspruch, eine Herausforderung: Jesus lädt uns ein, indem wir
ihn empfangen, indem er unsere Nahrung wird, ebenfalls „Menschen wie
Brot“ zu werden:
Gesinnt zu sein wie er
gesinnt war, lieben wie er geliebt hat, und aus seinem Geist zu leben:
„Menschen wie Brot“, Menschen, die sich an andere verschenken;
Menschen, die keine Angst haben, sich von der Not der Mitmenschen „verzehren“ zu lassen; Menschen, die durch ihre Hingabe Gemeinschaft
stiften.
„Als Brot für viele
Menschen hat uns der Herr erwählt. Wir leben füreinander und nur die
Liebe zählt“,
heißt es in einem Lied.
In unserer Gesellschaft
folgen die meisten der Parole:
„Jeder ist sich selbst
der Nächste.“
Aufstieg, Erfolg,
Prestige, mehr verdienen, mehr haben, das Erreichte festhalten – nur ja
nicht teilen! –
Merken die Menschen
nicht, dass ihre Einsamkeit genau daher rührt, dass keiner sein Leben
mit anderen teilen will? Alle bleiben einander fremd und in der Tiefe
allein.
Das Gleichnis des Brotes
steht gegen den Trend unserer Zeit. Aber es enthält die Antwort auf ihre
Nöte.
Wagen wir es – wie Jesus,
das kleine Wörtchen „für“ zu einem Hauptwort unseres Lebens zu
machen!
Wagen wir es – wie Jesus,
„Menschen wie Brot“ zu sein und damit Kraft- und Lebensquelle und
Hoffnung für viele.
Denn „als Brot für viele Menschen hat uns der Herr erwählt.
Wir leben füreinander
und nur die Liebe zählt“