EVANGELIUM
Der Menschensohn ist gekommen, um sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele
+Aus
dem heiligen Evangelium nach Markus
In jener Zeit
35 traten
Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, zu ihm und sagten: Meister, wir
möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.
36 Er
antwortete: Was soll ich für euch tun?
37Sie
sagten zu ihm: Lass in deinem Reich einen von uns rechts und den andern links
neben dir sitzen.
38Jesus
erwiderte: Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den
ich trinke, oder die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?
39Sie
antworteten: Wir können es. Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr werdet den Kelch
trinken, den ich trinke, und die Taufe empfangen, mit der ich getauft werde.
40Doch
den Platz zu meiner Rechten und zu meiner Linken habe nicht ich zu vergeben;
dort werden die sitzen, für die diese Plätze bestimmt sind.
4 1Als
die zehn anderen Jünger das hörten, wurden sie sehr ärgerlich über
Jakobus und Johannes.
42Da
rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher
gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die
Menschen missbrauchen.
43Bei
euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will,
der soll euer Diener sein,
44und
wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.
45Denn
auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen,
sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.
Seit einiger Zeit höre ich immer
wieder die Worte „Sich positionieren“ und „sich profilieren“.
Wer sich nicht positioniert und
profiliert, wer nicht selbstbewusst auftritt und sich ins rechte Licht rückt,
wer nicht glänzt und hervorragt, fällt durch das Leistungsraster. Er oder sie
bleibt in der grauen Alltagsmasse stecken.
Auch das heutige Evangelium
berichtet von einem Versuch, sich zu positionieren und zu profilieren.
Die Situation ist folgende: Jesu Einzug in Jerusalem steht bevor. Seine Jünger rechnen damit, dass dann die
Stunde des großen Triumphes schlägt. Und da wollen die beiden Brüder, Jakobus
und Johannes sich schon mal die einflussreichsten Posten, sichern.
Ihr sehnlichster Wunsch: im
Königreich Jesu die Ehrenplätze rechts und links von ihm einnehmen zu dürfen.
Kann man den beiden böse sein?
Ist es nicht legitim, nach vorne zu streben? Ist der Wille zur Macht nicht ein
Urtrieb des Menschen? Wer sitzt nicht gerne in der ersten Reihe?
Auch das Verhalten der anderen
Jünger ist verständlich.
Sie sind sauer auf die beiden
Brüder. Sie ärgern sich.
Reagieren wir nicht oft ähnlich?
Geltungsdrang und Machtstreben
einerseits – Missgunst, Neid und Eifersucht andererseits. Wie menschlich es doch
schon bei denen zuging, die wir als Apostel, Märtyrer und große Heilige
verehren!
Und Jesus? Wie reagiert er auf
das Erfolgsstreben und Karrieredenken seiner Jünger?
Jesus tadelt die beiden Brüder
nicht. Er macht keine Vorwürfe. Er sagt nur: „Ihr wisst nicht, worum ihr
bittet.“
Dann stellt er eine Frage: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke und die Taufe auf
euch nehmen, mit der ich getauft werde?“
Im Brustton der Überzeugung
beteuern Jakobus und Johannes, dass sie das können.
Aber haben die beiden verstanden,
was Jesus meint?
Haben die anderen Jünger
verstanden, worum es Jesus geht? – „Kelch“ und „Taufe“ sind
Inbegriff für das bevorstehende Todesschicksal Jesu.
Nicht mit Ehrenplätzen müssen
diejenigen rechnen, die sich in die Nachfolge Jesu begeben, sondern damit,
untergetaucht zu werden wie bei der Taufe, mithineingenommen zu werden in die
Passion. „Den Kelch des Leidens trinken“ ist ein Bild für das Martyrium.
Das Profil des Christen ist nicht
gekennzeichnet durch äußere Macht und Stärke. Das Profil des Christen bildet
sich in der Nachfolge dessen, der für uns gelitten hat und gekreuzigt worden
ist, der uns bis zum Äußersten geliebt und sein Leben für uns hingeben hat.
Liebe Schwestern und Brüder!
Dem Profilierungsversuch von
Jakobus und Johannes schließt sich eine programmatische Jüngerbelehrung an.
Nicht nur die Zebedäussöhne, sondern alle Zwölf bekommen von Jesus eine Lektion
erteilt. – Diese beginnt mit einer scharfen Absage an alle Formen des
Herrschaftsstrebens und mit der Verwerfung jeglicher Gewalt:
„Ihr wisst, dass die, die als
Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die
Menschen missbrauchen.“
Eine uralte Erfahrung und
gleichzeitig brandaktuell!
Man muss nur die Tagesschau
einschalten, Nachrichten hören oder die Zeitung aufschlagen.
Und dann fordert Jesus die große
Alternative. Er nennt in scharfem Gegensatz zur Menschenherrschaft das neue
Gesetz der Gottesherrschaft: „Bei euch soll es nicht so sein!“
Ein Kernsatz des heutigen
Evangeliums!
Jesus zeigt den Seinen auf, wie
es in der Welt zugeht und wie ganz anders ihr Miteinander aussehen soll.
Jesus zeichnet das Bild einer
Kontrastgesellschaft.
Nicht Machtspiele, nicht
Herrschsucht und Unterdrückung, wie sie in der Welt an der Tagesordnung sind,
soll das Miteinander der Jünger und Jüngerinnen Jesu prägen, sondern: „Wer
bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erster
sein will, soll der Sklave aller sein“. (Mk 10, 42f.)
Damit tadelt Jesus nicht nur das
Prestigedenken seiner Jünger, sondern gibt ihnen – und auch uns – eine
Richtschnur in die Hand, einen Maßstab, woran wir unser Leben ausrichten können.
Liebe Schwestern und Brüder!
Das Profil eines Jüngers und
einer Jüngerin Jesu, das Profil des Christen – und auch das einer christlichen
Gemeinde bzw. Gemeinschaft – zeigt sich nicht im hohen Rang, nicht in
Ehrentiteln und Machtpositionen, nicht in Ruhm und Herrschaft, sondern im Dasein
für andere, im Mut zum Dienen, in Hilfsbereitschaft und Solidarität, in Fürsorge
und selbstlosem Engagement zum Wohle anderer.
Mit einem Wort: Das Profil des
Christen zeigt sich in dienender Liebe und liebender Hingabe.
In einem Lied, das junge
Christen gern singen, heißt es:
„Der Herr wird nicht fragen:
Was hast du beherrscht, was hast du dir unterworfen? Seine Frage wird lauten:
Wem hast du gedient, wen hast du umarmt um meinetwillen?“
An unserem Verhalten, an unserem
Umgang miteinander, vor allem an unserer Liebe wird man erkennen, wes Geistes
Kind wir sind, ob wir Kinder des Lichtes sind oder nicht, ob wir zu Jesus
gehören oder nicht.
ER hat uns ein Beispiel gegeben,
ER ist uns den Weg vorausgegangen. ER ruft uns, ihm zu folgen, IHM, „der nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein
Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“. |